Keine große Bühne, kein Applaus: So hat sich das ZDF den Auftakt seines traditionellen Jahresrückblicks eigentlich nicht vorgestellt. Doch der jüngste Anschlag in der Hauptstadt hat den Ablauf der eigentlich schon vor ein paar Tagen aufgezeichneten Sendung noch einmal gehörig verändert – und Markus Lanz zum Nachsitzen gezwungen. "In bewegten Zeiten wie diesen wollten wir alles im Blick haben", sagte der Moderator gleich zu Beginn von "Menschen 2016" und wies darauf hin, dass man so lange wie noch nie mit der Aufzeichnung des Rückblicks gewartet hat. "Trotzdem stehen wir jetzt unter den schrecklichen Eindrücken von Berlin."

Zusammen mit dem Terrorismusexperten Elmar Theveßen und einer Frau, die den ganz ähnlich gelagerten Terroranschlag von Nizza aus nächster Nähe erlebte, arbeitete Lanz daher zunächst – losgelöst von der eigentlichen Sendung – die Ereignisse der zurückliegenden Tage auf. Eine Entscheidung, die absolut richtig, aber keineswegs selbstverständlich ist, schließlich hatte Lanz mit seinen beiden Gästen bereits einige Tage zuvor bei der Aufzeichnung in Hamburg gesprochen; nicht ahnend, dass der Terror so kurz vor Weihnachten mitten in Berlin zahlreiche Menschen das Leben kosten würde. Dass man diesen Part der Show nun noch einmal neu produzierte, spricht für das ZDF und verhalf dem Rückblick damit kurzerhand zu jener Relevanz, die dem längst gesendeten RTL-Pendant mit Günther Jauch in diesem Jahr fast durchweg fehlte.

Dabei gab es durchaus gewisse Überschneidungen: Hier wie dort ging es um den Kino-Hit "Willkommen bei den Hartmanns" und auch Turn-Olympiasieger Fabian Hambüchen hatte sowohl bei Jauch als auch bei Lanz seinen televisionären Jahresend-Auftritt. Den frisch-gebackenen Formel-1-Weltmeister und den Europameister-Trainer im Handball hatte der ZDF-Talker seinem Kollegen dagegen voraus. Dass die ZDF-Show letztlich nicht nur relevanter, sondern auch frischer daherkam als die Menschen, Bilder und Emotionen von RTL hängt aber auch damit zusammen, dass selbst die kleinen Geschichten, die das Leben im Laufe des zurückliegenden Jahres schrieb, von der Lanz-Redaktion ungleich stimmiger zusammengestellt wurden.

Da war etwa die Hörerin, die einem Radiomoderator am Telefon eine Blinddarmentzündung diagnostizierte und dafür sorgte, dass dieser schon wenig später im Krankenhaus operiert wurde; oder eine 90-Jährige, die in diesem Jahr erstmals einen Fallschirmsprung absolvierte. Die Putzfrau, die den SPD-Chef auf einem Podium ordentlich ins Schwitzen brachte, erwies sich ebenfalls als guter Gast. Neben ihr nahm wenig später der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann Platz – und auch er legte einen äußerst unterhaltsamen Auftritt hin. Die Frage, ob er denn ein guter Kanzler wäre, verneinte er und hatte dafür gute Gründe: "Ich kann noch schlechter Englisch wie der Oettinger."

Menschen 2016© ZDF/Sascha Baumann

Schön auch, dass sich das ZDF die Zeit nahm, um sich intensiv mit dem Leben des verstorbenen Star-Schauspielers Götz George zu befassen – auch wenn es in der kommenden Woche noch eine Sendung geben wird, die sich ausschließlich um all jene große Stars drehen wird, die in diesem Jahr von uns gegangen sind. Und dann war zu später Stunde auch noch Jan Böhmermann gekommen, um Markus Lanz auf der Couch mit erstaunlicher Ernsthaftigkeit noch einmal zu erzählen, wie das damals war mit ihm und Erdogan. Das ZDF hat daher viel richtig gemacht mit seinem Rückblick und - freilich ohne Anspruch auf Vollständigkeit - eine Sendung auf die Beine gestellt, die den Facetten des Jahres so sehr gerecht wird, wie es im Rahmen einer bunten Nummern-Revue eben möglich ist. Das Warten hat sich also gewiss gelohnt.

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