Die durch eine Kooperation von Netflix und Canal+ entstandene Thriller-Serie “Safe” ist in mehreren Belangen eine interessante Produktion und ein noch viel verblüffenderes Seherlebnis. Auf der einen Seite hatte der amerikanische Streaminganbieter einmal mehr die Chance, etwas wie “Marseille” in die Welt zu setzen. Eine Serie, die mit ordentlich Budget mal ein anderes Land in den Fokus stellt, als die Vereinigten Staaten oder Großbritannien. Mit dem französischen Pay-TV-Sender Canal+ an der Seite hätte es da Möglichkeiten gegeben. Außerdem wäre da noch Michal C. Hall. Mit “Six Feet Under” und “Dexter” hat dieser Mann Serien in seiner Vita, die kaum unterschiedlichere Emotionen auslösen könnten. Während “Six Feet Under” von vorne bis hinten ein Genuss war, konnte ihm und “Dexter” in der letzten Staffel angesehen werden, wie jämmerlich eine Serie zu Grunde gehen kann. In “Safe” wird er nun als Kinderchirurg, der seine verschwundene Tochter suchen muss, vor die nächste Hauptrollen-Feuerprobe gestellt.

Doch die Frage, ob er abliefern kann oder nicht, rückt schnell in den Hinterkopf. Erst einmal macht sich Verwirrung breit. Wieso spielt eine Produktion amerikanischer und französischer Ideengeber in Großbritannien? Und wieso spricht der ebenso amerikanische Michael C. Hall in einem deutlichen, britischen Akzent? Diese Entscheidung wirkt nicht stimmig und eher so, als ob viele Faktoren gezwungen vereint werden sollten: Ein großer Schauspielername, zwei ansehnliche Produktionshäuser aus verschiedenen Ländern und ein Setting, das wiederum in einem nochmal anderen Land spielt. Diversität schön und gut, doch “Safe” fühlt sich vor allem deswegen einfach nicht rund an. Eine Geschichte über einen Afroamerikaner, der jedoch von einem Mexikaner gespielt wird und der mit einem deutschen Drehbuch arbeiten muss, hätte ähnliche Wirkung. Etwas entwirrt verwirrender wird es jedoch, wenn man weiter hinter die Kulissen schaut: So haben sich Canal+ und Netflix die RED Production Company als Dienstleister geholt, die auch Cobens erste Serie "The Five" produziert haben. Dieser ist eine Tochter des französischen Medienunternehmen StudioCanal und durch und durch britisch. Alles verstanden?

Die Idee von “Safe” stammt von Showrunner Harlan Coben, der vor allem als Romanautor bekannt ist. Der Amerikaner hat zusammen mit Danny Brocklehurst (“Shameless”) und Daniel Nettheim (“Dance Academy”) einen Vorstadt-Thriller inszeniert, der den Anschein gibt, dass wirklich jeder Mensch etwas Anstößiges oder Kriminelles zu verbergen hat. Auf der Suche nach seiner verschwundenen Tochter, die zuletzt auf einer Hausparty gesehen wurde, entblößt Witwer Tom (Michael C. Hall) nämlich so manch dunkles Geheimnis. Dabei wird es auch recht absurd, wie beispielsweise eine Szene mit dem Postboten zeigt. Dieser bekommt in einer unfreiwillig komischen Situation einen Schläger über den Kopf gezogen. Doch “Safe” fehlt es an Feingefühl dafür, zu zeigen, ob das jetzt wirklich als Witz gemeint war, oder lediglich als grausamer Akt.

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In der Tat zeigt “Safe” in keiner Hinsicht Emotionen. Nicht vom Witwer, der gerade erst seine Frau verloren hat und nun auch davor steht, seine Tochter zu verlieren. Auch nicht von den Vorstadt-Bewohnern, die fürchten müssen, dass ihre Geheimnisse ans Tageslicht kommen. Der gesamte Cast hält sich genauso bedeckt, wie es die Autoren vorgegeben haben – denn es passiert, trotz der spannenden Grundlage, kaum etwas. Nichts schockierendes, nichts einzigartiges, nichts freiwillig witziges.

Im Grunde genommen aber auch nichts schlechtes. Dadurch, dass sich “Safe” sehr ernst nimmt, kommt eine Atmosphäre der Entschlossenheit auf. Seine Tochter soll gefunden werden, egal wie. Dieser Fokus auf das Ziel fesselt und lässt zu mancher Zeit vergessen, welcher Murks an anderen Stellen geschehen ist. Dafür sorgt letztlich auch Michael C. Hall. Seine Dialoge sind im Original dank seinem gezwungenen, britischen Akzent zwar nicht immer direkt verständlich. Doch mit seiner Präsenz erinnert er nicht selten an seine Höhepunkte in “Six Feet Under” und “Dexter”. Er ist ein Mann mit einer Ausstrahlung, die zwar nicht als sympathisch beschrieben werden kann. Vielmehr ist er faszinierend – und dieses Mal immerhin niemand, der Leichen hervorbringt oder sie aufschnippelt.

Doch Netflix und Canal+ haben die Stärken dieses Mannes nicht ausreichend genutzt. Auch die eigenen wurden nicht in die richtigen Bahnen gelenkt. Zwar kann “Safe” das wohl hohe Budget angesehen werden, dass diese zwei großen Partner mitgebracht haben. Doch hätte dies dann auch in ein Team gesteckt werden sollen, welches sich auf seinem Gebiet auskennt. Corbans amerikanische Erzählung, die in ein britisches Setting gepresst wird, fühlt sich nämlich genau wie ein Michael C. Hall zu Zeiten der letzten Staffel “Dexter” an – nicht sympathisch, aber immerhin faszinierend.

Die erste achtteilige Staffel von "Safe" steht seit heute auf Netflix zum Streaming zur Verfügung.