Die Ministerpräsidenten und ihre Medienpolitiker brauchten länger als geplant, doch inzwischen steht ihr Diskussionsentwurf zu Auftrag und Strukturoptimierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks online. Bis zum 14. Januar können nun ARD und ZDF, deren kommerzielle Konkurrenten, Verbände und Bürger ihre Stellungnahmen und Änderungsvorschläge hinterlassen. Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz und Vorsitzende der Rundfunkkommission, rechnet mit "ganz viel Input von außen". Bis Sommer 2022 sollen die Änderungen in den Paragrafen 26 bis 36 des Medienstaatsvertrags stehen, damit die Neufassung Anfang 2023 in Kraft treten kann.

Bemerkenswert sind vor allem vier Punkte, an denen sich im Vergleich zum Status quo tatsächlich einiges tut, auch wenn in manchen Feinheiten noch Abstimmungsbedarf zwischen den Ländern besteht:

Mehr Diskurs erwünscht

In der Auftragsdefinition wurde die Förderung des "gesamtgesellschaftlichen Diskurses" hinzugefügt – zusätzlich zu den bisherigen Zielen "internationale Verständigung", "europäische Integration" und "gesellschaftlicher Zusammenhalt". Das mag auf den ersten Blick abstrakt klingen, steht jedoch für das wichtige Signal, dass man allein mit verordneter Harmonie nicht mehr weiterkommt. ARD und ZDF sollten aus der Erweiterung ableiten, dass vielfältigere Perspektiven und Positionen – von Jung bis Alt, von Stadt bis Land, von Single bis Großfamilie, von Tegernsee bis Marzahn-Hellersdorf – in ihren Programmen regelmäßiges, ernsthaftes Gehör finden.

Jenseits ritualisierter Talkshow-Diskurssimulation braucht es lebensnahe Auseinandersetzung, die Filterblasen mit klar erläuterten anderen Sichtweisen begegnet und verlorengegangene Glaubwürdigkeit durch Öffnung einer mitunter zu eng gesteckten Political Correctness zurückerobert. Heißt übrigens auch, dass Ministerpräsidenten und Medienpolitiker, die sich das wünschen, künftig mit mehr anderen Stimmen um Airtime bei den Öffentlich-Rechtlichen konkurrieren.

Der Kampf um die Unterhaltung bleibt ein bisschen offen

Wie stark man ARD und ZDF zur Konzentration auf Information, Bildung und Kultur verdonnern will, zählt schon länger zu den größten politischen Streitfragen. Zumindest bislang ist es den Ländern nicht gelungen, hier eine klare Einigung zu erzielen. Im Diskussionsentwurf steht die Formulierung "im Schwerpunkt" in eckigen Klammern – das heißt, es besteht noch Abstimmungsbedarf. Zwar findet Unterhaltung, die einem "öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entspricht", auch Erwähnung. Aber es hängt letztlich von der eingeklammerten "Schwerpunkt"-Formulierung ab, ob Unterhaltung ein gleichberechtigter Baustein oder ein am Rande geduldeter Füllstoff sein soll.

Dazu passt, dass auch die mögliche Verpflichtung zur erhöhten Sichtbarkeit des öffentlich-rechtlichen Angebotsprofils an den Stellen, "wo die Nutzung [...] überlicherweise besonders hoch ist" – sprich: Doku statt Silbereisen um 20:15 Uhr – noch in eckigen Klammern steht. Wer gute Argumente für den gesellschaftlichen Mehrwert der Unterhaltung hat, wie sie etwa in der von DWDL.de unterstützten Veranstaltungsreihe "Vom Wert der Unterhaltung" erörtert wurden, sollte diese nun in der Feedback-Phase vorbringen. Sie könnten zum Zünglein an der Waage werden. 

Mehr Flexibilität für Spartensender

Viel gestrichen wurde in dem Paragrafen, der bisher die feste Beauftragung von Fernsehprogrammen vorsieht. Künftig sollen die ARD-Anstalten gesetzlich nur noch dazu verpflichtet werden, das Erste und die Dritten zu veranstalten, das ZDF nur noch zu seinem Hauptprogramm, beide zusammen zu Arte und 3sat. Ob sie Tagesschau24, One, ZDFneo, ZDFinfo, Phoenix oder KiKa fortführen wollen, können sie anders als bisher selbst entscheiden. Diese Sender könnten sie "ganz oder teilweise einstellen oder deren Inhalte in Angebote im Internet gleichartigen Inhalts überführen".

Was theoretisch nach weitreichender Freiheit klingt, ist praktisch mit allerlei bürokratischem Aufwand verbunden. Der Gesetzgeber erwartet ausführliche Angebotskonzepte, die darlegen, dass "der Auftrag auch durch das veränderte Angebot erfüllt wird". Außerdem muss für jedes neue Telemedienangebot der altbekannte Drei-Stufen-Test einschließlich Stellungnahmen von Dritten durchgeführt werden. Begrüßenswert ist die erhöhte Flexibilität aus Sicht der Anstalten und insbesondere jüngerer Nutzer dennoch, weil kein Zwang mehr besteht, sämtliche Inhalte dauerhaft im linearen TV auszuspielen.

Weiter keine Werbung in der Mediathek – aber was ist mit US-Fiction?

Was ARD und ZDF in ihren Mediatheken dürfen, bleibt weiter eingeschränkt. Werbung gehört mit Ausnahme von Produktplatzierungen wie bisher nicht dazu. Im Kreis der Länder ist keinerlei Tendenz erkennbar, den Öffentlich-Rechtlichen hier eine kommerzielle Vermarktung zu gestatten, wie sie jüngst die ARD in Gestalt des scheidenden HR-Intendanten Manfred Krupp ins Spiel gebracht hatte. Richtig so, denn auf lange Sicht würde man sich bei der gesellschaftlichen Akzeptanz wohl ins eigene Fleisch schneiden. Ob neben den bisher schon erlaubten angekauften Filmen und Serien aus Europa künftig auch nicht-europäische Lizenz-Fiction in die Mediatheken darf, ist hingegen noch strittig. Die entsprechende Formulierung, die de facto vor allem US-Serien und Hollywood-Filmen die Tür öffnen würde, steht in eckigen Klammern.

Falls die entsprechende Öffnung käme, gegen die sich Vaunet bereits zur Wehr setzt, würde der außereuropäische Anteil an der Lizenzware auf maximal zehn Prozent der bereitgestellten Sendeminuten beschränkt. Keine Frage, dass die Mediatheken durch den einen oder anderen gezielten US-Zukauf attraktiver werden könnten. Was auf jeden Fall möglich wird, sind europäische Kaufprogramme als "eigenständiger audiovisueller Inhalt". Bislang gibt es für sie eine Beschränkung auf 30 Tage "nach deren Ausstrahlung", was oftmals zu kuriosen nächtlichen Binge-Programmierungen führt, um die Mediathek-Auswertung zu rechtfertigen. Das geht künftig einfacher.

Öffentliche Anhörung