The Neighborhood© CBS
Der "Roseanne"-Effekt

Auch wenn "The Big Bang Theory" seit Jahren die Quotencharts anführt: Die klassische Multicamera-Sitcom - vor Publikum auf der Bühne aufgezeichnet und an den andauernden immer etwas künstlich wirkenden Lachern zu erkennen - war in den letzten Jahren weniger gefragt, stattdessen setzte man im Comedy-Bereich seit "Modern Family" stärker auf Single-Camera-Produktionen. Doch dann kam "Roseanne" und zeigte einer staunenden US-Fernseh-Branche, welch kaum noch für möglich gehaltenen Reichweiten mit einer solch klassischen Familien-Multi-Camera eigentlich noch zu holen sind. Das führte dazu, dass in diesem Bereich wieder deutlich stärker entwickelt wurde. Sieben neue Multicamera-Sitcoms gibt es in diesem Jahr, das sind fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Erstmals seit Jahren sind es auch wieder mehr als neue Single-Camera-Sitcoms. Neben CBS, wo "The Neighborhood" mit Cedric The Entertainer und mit Abschlägen auch "Happy Together" einen recht ordentlichen Eindruck machten, "Fam" aber eher verstörte Blicke zurückließ, ist es vor allem Fox, das im Comedy-Bereich einen Schwenk auf Multi-Camera-Sitcoms vollführte. Da 20th Century Fox keine Pressevertreter bei den Screenings zulässt, können wir hier noch keine Entschätzung liefern.

Verschnaufpause für die Superhelden

Kaum ein Genre hat in den letzten Jahren so starken Zuwachs bekommen wie das der Superhelden-Serien - was man bei deutschen Sendern zunehmend mit Unwohlsein betrachtet hat, denn während "The Flash", "Arrow", "Supergirl" oder auch "Black Lightning" ihre Sache in Amerika recht gut machen, fanden die Serien in Deutschland ein so kleines Publikum, dass ProSieben sie zuletzt teils irgendwo im Nachtprogramm in Erstausstrahlung versenden musste. Nun scheint der Superhelden-Markt aber auch in den USA erstmal gesättigt zu sein, Neuzugänge gibt's in diesem Jahr nicht. Wenn übernatürlich, dann setzte man in diesem Jahr lieber ganz "konventionell" auf Hexen, Außerirdische oder Vampire.

A Million Little Things© Warner
Der "This is us"-Effekt

Mit etwas Verzögerung war in diesem Jahr ein „This is us”-Effekt bei den LA Screenings nicht zu übersehen: Über mehrere Studios hinweg waren diesmal neue Serien im Angebot, die wie die von Fox für NBC produzierte Erfolgsserie ganz auf große Emotionen gehen und Geschichten mehrerer Menschen bzw. Familien erzählen, die jeweils auf die eine oder andere Art miteinander verbunden sind. Sie sollen wohliges „Warm Bathtub”-Fernsehen liefern, wie die US-Branchendienste das Genre getauft haben. Man könnte auch von einer Weiterentwicklung der Familienserie sprechen, die entsprechend gesellschaftlicher Entwicklungen nicht mehr nur einer Musterfamilie folgen, sondern ein Gesellschaftsporträt darstellen. Das gelingt mal besser wie bei "A million little things" (CBS für ABC, einer unserer Favoriten der Screenings), mal leider nicht wie z.B. bei "The Red Line" (Warner für CBS), wo leider wenig emotional packend die Geschichten dreier Familien erzählt werden, die allesamt von einer Tat betroffen sind, bei der ein Polizist versehentlich einen Menschen erschießt. Neben Serien, die sehr offensichtlich von "This is us" inspiriert wurden, finden sich auch andere eigenständigere Ideen (z.B. "God friended me"), die lediglich die warmherzige Tonalität teilen. Sie alle zusammen drängen in die von "This is us" aufgestoßene Nische zwischen Krimiserien, Comedyserien und High-Concept-Serien.

Patriotismus ist weniger gefragt

Bei den ersten Screenings nach der Wahl von Donald Trump gab es im vergangenen Jahr den großen Patriotismus/Militär-Trend: Kein Network, das nicht in irgendeiner Weise auf diesen Zug aufspringen wollte. Dem internationalen Markt sind solche Geschichten allerdings schwer zu vermitteln - und so war in diesem Jahr ein allgemeines Aufatmen zu verspüren, dass man von allzu stark triefendem Patriotismus wieder weitgehend Abstand genommen hat. Eine Ausnahme bildet das von und für CBS produzierte "The Code", das im Militärbereich angesiedelt ist. Hier zeigte man sich allerdings teils von den Schauspielern weniger angetan, sodass zwei Rollen aus dem Hauptcast nochmal neu besetzt werden.

Konzentration auf weniger neue Serien

Viel war in den letzten Jahren von "Peak TV" die Rede, weil immer mehr Serien auf den Bildschirm kamen. Zuerst waren es vor allem die Kabelsender, die mit Eigenproduktionen auf sich aufmerksam machen wollten, zuletzt die Streaming-Dienste, die ihr Portfolio an eigenen Serienimmer weiter ausbauten und immer noch ausbauen. Bei den Networks hingegen scheint nun die Erkenntnis gereift, sich in diesem immer unübersichtlicher werdenden Markt lieber wieder auf weniger Produktionen zu beschränken. 37 neue Serien haben CBS, ABC, NBC, Fox und The CW in diesem Jahr bestellt, so wenige wie zuletzt 2012. Zum Vergleich 2013 und 2014 waren es noch über 50, seither geht's Stück für Stück bergab. Da es zugleich so viele Absetzungen wie lange nicht gab, gehen die Networks nun mit 86 statt 95 Serien in die neue Season. Das bedeutet natürlich auch, dass die Einkäufer bei den LA Screenings weniger zu sehen bekamen als zuletzt - da man angesichts der rückläufigen Quoten von US-Produktionen nicht nur hierzulnde inzwischen aber sowieso weniger nach Masse als nach einer Handvoll Produktionen mit besseren Erfolgsaussichten sucht, ist das kein unerwünschter Effekt.

Warner Bros LA© DWDL.de
Das Buzzword, das keiner mehr hören kann: Vertical Integration

Vertikale Integration - also die Tatsache, dass die Networks ihre neuen Serien auch gleich selbst produzieren, also alles in einem Konzern bleibt - ist eine schon über die letzten Jahre immer stärker verfolgte Strategie, die nun ihren Höhepunkt erreicht hat. Sieht man von Revivals ab, dann gibt es nun keine einzige neue Serie, an der das Produktionsstudio des ausstrahlenden Networks nicht zumindest als Ko-Produktionspartner beteiligt ist. In Zeiten sinkender TV-Reichweiten stellen die Networks damit sicher, dass sie auch an den Erlösen an der Vermarktung ins Ausland, an Streaming- und Syndication-Deals finanziell partizipieren. Den unabhängigen Studios macht das das Leben schwerer - exemplarisch zu sehen in diesem Jahr an Sony, das von fünf neuen Piloten keinen einzigen in eine Serienbestellung umwandeln konnte. Lediglich das schon im Vorjahr entwickelte "Goldbergs"-Spinoff "Schooled" geht in Serie. Warner schlug sich zwar erneut recht gut, bekam die harten Bandagen aber gleichwohl zu spüren. Um ein Haar hätte man sich bei ABC den Piloten zu "Whiskey Cavalier" (einer unserer Favoriten) gar nicht erst angeschaut, weil man im Vorfeld auf die Abtretung von mehr Digitalrechten als bislang durch Warner bestand, Warner das aber bis kurz vor Ablauf der Sichtungs-Deadline zunächst nicht unterschreiben wollte. Wenn einem Network so fast ein potentieller Hit durch die Lappen geht, dann stellt sich also wirklich die Frage, ob man es mit dem Fokus auf eigene Produktionen nicht doch etwas zu weit treibt.

Die Studios kennen ihre Zielgruppe

Bei den LA Screenings geht es vorwiegend um die Serien, die für die großen Networks in den USA produziert werden - die also ein möglichst breites Publikum ansprechen sollen. Sie bilden damit einen stetig kleiner werdenden Teil des gesamten US-Serienmarktes ab, in dem immer mehr Produktionen von Plattformen wie Netflix, Amazon oder auch HBO oder Showtime direkt in Serie geschickt werden, die aber international ohnehin entweder gleich auf der eigenen Plattform verwertet werden oder in langjährigen Deals verkauft sind (wie im Falle von HBO und Sky). Unter diesem Aspekt muss man sich die Produktionen also auch anschauen: Gesucht werden hier weniger die High-Concept-Serien für eine Nische, gesucht werden Serien, die im Free-TV nicht nur in den USA, sondern vorzugsweise weltweit funktionieren und möglichst viele Zuschauer ansprechen können - und von denen im Erfolgsfall auch genug Nachschub produziert werden kann. Das sorgt also häufig für eher konventionelle Produktionen, während sich etwa die zwischenzeitlich stark aufgekommenen Miniserien kaum noch wiederfinden. Bei Einkäufern stößt das auf positives Feedback, haben sie doch den Eindruck, dass ihnen endlich zugehört wurde.

Greg Berlanti© DWDL
Der "Überlanti" - der gefragteste Mann Hollywoods

Es gibt einige Produzenten, die dem Fernsehen in den letzten Jahren ihren Stempel aufgedrückt haben. Shonda Rhimes beispielsweise oder auch Ryan Murphy - beide hat sich inzwischen Netflix mit Deals über dreistellige Millionenbeträge geschnappt. Doch keiner dominierte das US-Fernsehen je so stark wie derzeit Greg Berlanti. Er bringt es in der kommenden Saison auf die sagenhafte Anzahl von 14 Serien, die von ihm als Produzent verantwortet werden, davon laufen allein zehn bei den Broadcast-Networks. Greg Berlanti löst damit Aaron Spelling und Jerry Bruckheimer als Produzent mit den meisten gleichzeitig laufenden Serien ab. Den Grundstein seines Erfolgs bilden die Adaptionen von DC-Comics. Der Aufschwung der Superhelden-Serien führte dazu, dass er mit "Arrow", "Black Lightning", "Legends of Tomorrow", "The Flash" und "Supergirl" schon allein die Hälfte des ganzen CW-Programms bestreitet, dazu liefert er für The CW auch noch "Riverdale", für den DC-Streamingservice "Titans" und "Doom Patrol" und für NBC "Blindspot". Und obwohl die Superhelden in diesem Jahr eine kleine Pause einlegen, schafft es Greg Berlanti, sein Serien-Portfolio deutlich weiter auszubauen. Neu dazu kommen für The CW "All American" (eine Serie über einen Highschool-Footballspieler aus ärmeren Verhältnissen, der ins vornehme Beverly Hills wechselt), sowie für CBS "God Friended Me" (nach den vielen Negativ-Schlagzeilen auch mal was positives für Facebook: Gott kommuniziert jetzt anscheinend über das soziale Netzwerk) und "The Red Line" (womit Berlanti noch auf den "This is us"-Zug aufspringt).

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