Wenn es ums Urheberrecht geht, sind die Gemüter schnell erhitzt. "Man versucht jetzt den Kompromiss des Kompromisses des Kompromisses und ist bereit, unsere digitale Lizenzarchitektur nachhaltig zu zerstören", flucht Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI), über den aktuellen Entwurf der Bundesregierung zur Anpassung des deutschen Urheberrechts an die EU-Vorgaben. Und Mark Chung, Vorsitzender des Verbands unabhängiger Musikunternehmer (VUT), droht gar mit dem geballten Zorn seiner Branche, falls der Entwurf Gesetz wird: "Ich würde SPD-Politikern nicht empfehlen, im nächsten Jahr Konzerte zu besuchen."

Doch nicht nur die Musik-, auch die Film- und Fernsehindustrie hat an dem Gesetzesvorhaben etliches auszusetzen. Das wurde am Donnerstag bei einem gemeinsamen Roundtable-Gespräch mehrerer Verwerterverbände deutlich. Da der Anfang Februar vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf des Justizministeriums am 25. März erstmals im Bundestag beraten wird, wollen sowohl die Produzentenallianz als auch der Privatsender-Verband Vaunet die Parlamentarier verbal aufrütteln.

"Aus Produzentensicht ist der Entwurf extrem unausgewogen", findet Martin Moszkowicz, Vorstandsmitglied der Produzentenallianz und CEO der Constantin Film. "Die exklusiven Verwertungsrechte, die das Rückgrat unserer Industrie bilden, sollen entwertet werden. Als Motor von Innovation, Kreativität und Programmvielfalt wird unsere Position gegenüber internationalen Plattformen im Ergebnis erheblich geschwächt." Obwohl in der "Digital Single Market"-Richtlinie (DSM) der EU gar nicht vorgesehen, wolle die Bundesregierung den Plattformen offenbar mit neuen Ausnahmen entgegenkommen. Dieser Sonderweg der deutschen Umsetzung bringe Wettbewerbsnachteile für hiesige Produzenten im europäischen Vergleich mit sich.

Auch Claus Grewenig, stellvertretender Vaunet-Vorsitzender und Medienpolitik-Chef der Mediengruppe RTL, sorgt sich um die künftige Wettbewerbsfähigkeit seiner Branche. "Steine statt Brot" sieht er in der geplanten Novelle, speziell in den Schrankenregeln, die bis zu 15-sekündige Video-Uploads durch Online-Nutzer ohne Zustimmung der Urheber als "geringfügig und mutmaßlich erlaubt" vorsehen. "Shortform-Clips sind für uns ein wachsendes Geschäftsfeld", so Grewenig. "Wenn jeder sie ohne Nachfrage hochladen kann, verschieben sich die Gewichte automatisch zu den internationalen Plattformen und die vermarktbare Reichweite der Sender sinkt."

"Mehr Papier hilft keinem. Wir würden lieber in neue Programme als in zusätzliche Bürokratie investieren"
Claus Grewenig, Vaunet

Eine "einseitige Verschärfung zu unseren Lasten" diagnostiziert Grewenig außerdem im Urhebervertragsrecht. Der Entwurf der Bundesregierung sieht nämlich einen anlasslosen Auskunftsanspruch für Urheber gegenüber den Verwertern vor und will letzteren eine jährliche Berichtspflicht auferlegen, selbst wenn Urheber gar keine Auskunft wünschen. Bislang haben Urheber das Recht, individuell und auf eigene Initiative Auskunft über ihre verwerteten Urheberrechte zu erlangen. "Mehr Papier hilft keinem", so Grewenig. "Wir würden lieber in neue Programme als in zusätzliche Bürokratie investieren." Auch Moszkowicz hält den geplanten Auskunftsanspruch ohne eine genauere Branchenspezifizierung für "völlig unverhältnismäßig". Kein mittelständischer Produzent sei in der Lage, diesen bürokratischen Mehraufwand zu stemmen, da er Unsummen kosten würde.

Um ihre Position zu untermauern, haben Vaunet, Produzentenallianz, BVMI und VUT als Gutachter Christoph Möllers, Professor für Verfassungsrecht an der Berliner Humboldt-Universität, beauftragt. Möllers kommt zu dem Ergebnis, das der Entwurf zur deutschen Umsetzung der DSM-Richtlinie sowohl europarechtlich als auch verfassungsrechtlich problematisch sei. "Nach Lektüre des Entwurfs und seiner Begründungen wird nicht ersichtlich, warum man den Entwurf so überschießend im Vergleich zur EU-Richtlinie gestaltet hat", so Möllers. Die laufende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wie auch des Bundesverfassungsgerichts zeige deutlich, dass einseitige Eingriffe ins Urheberrecht und damit auch in die Berufsfreiheit in aller Regel nicht hinzunehmen seien.

Die Verbände hoffen nun auf die Einsicht von Bundestag und Bundesrat und auf entsprechende Änderungen des Gesetzentwurfs. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte für ihren Entwurf hingegen in Anspruch genommen, einen "fairen Interessenausgleich" zu leisten, "von dem Kreative, Rechteverwerter und Nutzer gleichermaßen profitieren werden". Die Initiative Urheberrecht, in der Berufsverbände wie der Bundesverband Regie (BVR), der Bundesverband Schauspiel (BFFS), der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) oder der Verband Deutscher Drehbuchautoren (VDD) organisiert sind, hatte im Februar begrüßt, dass "mit dem vorliegenden Entwurf die wesentlichen Neuregelungen der DSM-Richtlinie umgesetzt werden, z.B. die Neuregelung der Verantwortung für auf Plattformen genutzte geschützte Inhalte, die Lizenzierungspflicht der Plattformen oder die Einführung einer Auskunftspflicht der Vertragspartner".