Der Dokumentarfilm "Lovemobil" hat in den vergangenen Monaten durchaus Wellen geschlagen. Coronabedingt lief er nur kurz im Kino, er war aber auch auf Festivals auf der ganzen Welt zu sehen. Die Free-TV-Ausstrahlung im NDR erfolgte am 8. Dezember. Viele deutschen Medien berichteten über die Prämisse des Films, im Juli 2020 gab es einen Deutschen Dokumentarfilmpreis. Aktuell ist die Produktion für einen Grimme Preis nominiert. Doch nun hat sich der NDR von dem Dokumentarfilm distanziert.

Der Film von Autorin Elke Margarete Lehrenkrauss zeige "in weiten Strecken Szenen, die nicht authentisch sind", heißt es vom Sender. Eine langjährige Recherche hat es wohl tatsächlich gegeben, im Film sind dann aber offenbar viele ProtagonistInnen zu sehen gewesen, die gar nicht ihre eigenen, persönlichen Erfahrungen geschildert haben. Sie haben Rollen gespielt, Szenen sollen inszeniert worden sein. 

In "Lovemobil" geht es um das Leben von Prostituierten, die unter entwürdigenden Umständen in Wohnmobilen am Rande von Bundesstraßen in Niedersachsen arbeiten. Elke Margarete Lehrenkrauss hat eingeräumt, dass sie Darsteller eingesetzt habe, darunter auch Bekannte aus ihrem Umfeld. So ist die Prostituierte Rita aus dem Film gar keine Prostituierte, die Figur soll vielmehr Geschichten von anderen Frauen nachgespielt haben - die soll es aber tatsächlich so gegeben haben. Auch die angebliche Prostituierte Milena arbeitet nicht, wie im Film behauptet, in einem Wohnmobil an der B188/B4 - sie soll nur für die Dreharbeiten nach Niedersachsen gekommen sein. Bei einem der gezeigten Freier soll es sich um einen Bekannten der Autorin handeln.

NDR-Redaktion STRG_F hat die Fakes aufgedeckt

Der NDR war bei dem Dokumentarfilm als Ko-Produzent mit an Bord und hat ihn auch redaktionell begleitet und abgenommen. Herausgekommen sind die Fakes allerdings erst jetzt durch eine Recherche der NDR-Redaktion STRG_F. Dort hatte man Informationen aus dem Umfeld der Produktion erhalten und Nachforschungen angestellt. Gegenüber STRG_F räumte Autorin Lehrenkrauss dann auch ein, dass sie den NDR nicht über die Inszenierungen in der Doku informiert habe - dementsprechend waren diese auch nicht als solche in dem Film gekennzeichnet.

Gleichzeitig zeigt Lehrenkrauss ein seltsames Verständnis ihres Berufes und erklärt gleichzeitig, der NDR habe auch nie nachgefragt.  "Ich kann mir auf jeden Fall nicht vorwerfen, die Realität verfälscht zu haben, weil diese Realität, die ich in dem Film geschaffen habe, ist eine viel authentischere Realität", sagt die Autorin gegenüber der Redaktion von STRG_F. Der NDR weist den Vorwurf zurück, man habe keine Nachfragen zur Authentizität gestellt. 

Frank Beckmann © NDR/Christian Spielmann Frank Beckmann
Frank Beckmann, Programmdirektion Fernsehen, sagt zu dem Fall: "Der Film ‘Lovemobil’ entspricht nicht den Standards, die der NDR an dokumentarisches Erzählen anlegt. Er gaukelt dem Publikum eine Authentizität vor, die er nicht hat. Journalist*innen des NDR haben aufgedeckt, dass weite Teile des Films frei inszeniert wurden. Der NDR wird den Sachverhalt in seinen Programmen transparent machen und unabhängig berichten. Wir müssen neben der vollständigen Aufklärung noch bessere Wege finden, wie wir uns vor solchen Irreführungen schützen können".

NDR will im Programm berichten

Aus der Mediathek hat man den Film jetzt erst einmal entfernt. Man stehe mit der Aufklärung noch ganz am Anfang, heißt es vom Sender, der den Fall im eigenen Programm transparent machen will und die Berichterstattung zu "Lovemobil" auf der eigenen Webseite dokumentieren will. Im NDR berichten etwa das "Kulturjournal" am 22. März oder auch "Panorama 3" am 23. März über den Film, der Bericht von STRG_F wird am 23. März ab 17 Uhr auf Youtube verfügbar sein.