Vor rund vier Wochen ist bekannt geworden, dass "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt juristisch gegen die "Spiegel"-Berichterstattung in seinem Fall vorgehen wird. Das Nachrichtenmagazin hatte am 12. März unter dem Titel "Vögeln, fördern, feuern" über die Vorwürfe gegen Reichelt berichtet. Eine Abmahnung wies der Spiegel-Verlag zunächst noch zurück, nun hat das Landgericht Hamburg jedoch eine einstweilige Verfügung gegen das Unternehmen verhängt. 

Konkret geht es um die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung, der in Deutschland sehr enge Grenzen gesetzt sind. Und gegen diese Grundsätze soll der "Spiegel" verstoßen haben. So gehen die Richter davon aus, dass die "Spiegel"-Journalisten Reichelt keine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, heißt es. Und hier wird es kompliziert: Der "Spiegel" hatte offenbar bei der Pressestelle von Axel Springer angefragt und um eine Stellungnahme gebeten. Vor Gericht versicherte Reichelt dann aber eidesstattlich, dass er von der Kommunikationsabteilung nicht über die Fragen des "Spiegel" informiert worden sei.

Zuerst berichtete die "Neue Zürcher Zeitung" über die Entscheidung des Hamburger Landgerichts, gegen das der "Spiegel" nun sechs Monate lang Widerspruch einlegen kann. Gegenüber DWDL.de bestätigt eine "Spiegel"-Sprecherin die einstweilige Verfügung. Gleichzeitig sagt sie auch: "Aus dem Beschluss folgt entgegen der Intention von Julian Reichelt aber nicht, dass die Verdachtsberichterstattung grundsätzlich unzulässig gewesen sei, von daher haben wir den Artikel nach Mitteilung des Beschlusses um eine Stellungnahme aus dem Gerichtsverfahren ergänzt". Mit dieser Ergänzung ist der Text auch weiterhin abrufbar. Schon kurz nach der Veröffentlichung habe der "Spiegel" Reichelt angeboten, den Text um eine Stellungnahme zu ergänzen. Dieses Angebot habe Reichelt nicht angenommen, heißt es vom "Spiegel". 

Beim "Spiegel" will man nun "sorgfältig prüfen", ob man gegen die Entscheidung des Landgericht Hamburgs Rechtsmittel einlegen wird - "auch vor dem Hintergrund, dass die Folgen für den Artikel gering sind". Grundsätzlich geht man aber davon aus, richtig gehandelt zu haben. "In der Tat gehen wir aber weiter davon aus, dass es ausreichend war, Stellungnahmen über die Unternehmenskommunikation einzuholen", so die "Spiegel"-Sprecherin. 

Julian Reichelt musste sich einem Compliance Verfahren wegen möglichen Machtmissbrauches unterziehen. Dieses Verfahren hat er mittlerweile überstanden. Nach einer kurzzeitigen Freistellung arbeitet er inzwischen wieder als Chefredakteur für die Boulevardzeitung. Allerdings baute Springer die "Bild"-Spitze nach der Untersuchung um, so muss sich Reichelt die Macht an der Spitze der Zeitung mit Alexandra Würzbach teilen (DWDL.de berichtete). Darüber hinaus soll Claudius Senst spätestens zum 1. Juli als CEO den gesamten Publishing-Bereich der Marken "Bild" und "Welt" verantworten, Reichelt und Würzbach scheiden dann aus der Geschäftsführung aus. "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt bleibt trotz dieser Veränderungen in der Geschäftsführung.