Seit Monaten bewegen sich die Marktanteile von Sat.1 inzwischen bereits im einstelligen Bereich. Positiv gesehen bedeutet das: Es gibt viele freie Sendeplätze, auf denen sich Produktionsfirmen mit neuen Formaten austoben können. Und so überrascht es auch wenig, dass Sat.1 derzeit für nahezu alle Zeitschienen nach neuen Ideen Ausschau hält, wie Sascha Naujoks nun bei der der Veranstaltungsreihe "Talking Heads", die der Verband der Fernseh-, Film-, Multimedia- und Videowirtschaft VFFV gemeinsam mit dem Medienmagazin DWDL.de im Kölner Residenz-Kino ausrichtet, betonte.

"Es gibt die Chance, viel zu machen", sagte Naujoks in Richtung der anwesenden Produzenten. Er, einst lange für RTL tätig, ist seit zwei Jahren für ProSiebenSat.1 im Einsatz - seit Februar kümmert sich um sogenannte Lead Projects. Davon hat Sat.1 derzeit zugegebenermaßen momentan nicht allzu viele. Doch das will Naujoks gemeinsam mit seiner Mannschaft ändern. Hoffnungen legt er dabei nicht zuletzt in den Realitybereich, der in der Vergangenheit für den Sender nicht gerade ertragreich war. Doch mit Formaten wie "Schwer verliebt", "Biggest Loser" oder der Neuauflage von "Bitte melde dich" mit Julia Leischik konnte Sat.1 in den vergangenen Monaten erste Erfolge verbuchen.

Das ist nun auch Anlass genug, um schon bald auch die Primetime für dieses Genre zu öffnen. Die stärksten Formate des Vorabend-Sendeplatzes am Sonntag haben entsprechend gute Chancen auf einen Wechsel - allen voran natürlich "Bitte melde dich", das im vorigen Jahr für Marktanteile von bis zu 16,6 Prozent in der Zielgruppe gut war. "Der Sonntagvorabend ist unser achter Primetime-Platz. Laufen die Formate dort erfolgreich, ist es leicht, sie ins Abendprogramm zu heben", so Naujoks, dem das nur allzu bekannt vorkommt. "Das kenne ich von meinem alten Arbeitgeber. Das funktioniert, denke ich, auch beim neuen." Neben "Bitte melde dich" wird es vermutlich auch "Stalkers" ins Abendprogramm schaffen.

Dieses Format adaptierte Sat.1 gerade erst aus Nordeuropa (DWDL.de berichtete). Die einst im RTL-"Familiengericht" bekannt gewordene Barbara von Minckwitz soll zum Gesicht der Sendung werden. Eine gestandene Frau also, die durchaus resolut sein kann. "Was fehlt, sind Frauen über 30", sagte Naujoks später am Rande der Veranstaltung. Häufig bekomme der Sender jüngere Gesichter angeboten, doch das sei nicht immer der richtige Weg. "Glaubwürdig sind ältere", ist sich der ProSiebenSat.1-Mann sicher. Daher verwundert es auch nicht, dass der Sender auch nach dem Aus ihrer täglichen Sendung weiter an neuen Projekten mit Psychologin Angelika Kallwass arbeitet.

"Unser Ziel ist es, Sat.1 breit aufzustellen", betonte Naujoks, dem es um eine klare Positionierung gegen Marktführer RTL geht. Und das geht nicht ohne glaubwürdige Gesichter, wie man sie jahrelang mit Kallwass, Salesch und Hold am Nachmittag besaß. Auch für die Zukunft wird daher in erster Linie nach Formaten mit starken Persönlichkeiten geschaut. Gescriptete Formate seien dabei aber kein Muss - auch abseits davon ist man bei Sat.1 offen. Die Primetime, so betont Sascha Naujoks, soll aber echt bleiben. "Wir laufen sonst Gefahr, die Glaubwürdigkeit der echten Fälle zu beschädigen." Mit dem von RTL II gekommenen Holger Andersen habe man seit Jahresbeginn zusätzlich noch "Unterstützung auf der Entwicklungsfront" bekommen.

Doch neue Formate sind freilich gern gesehen. "Wir wollen der erste Ansprechpartner im Markt für neue Ideen sein", sagte Naujoks bei den "Talking Heads". Erst mal ist jedoch am Vorabend guter Rat teuer. Dort tut sich die neue Soap "Patchwork Family" seit einigen Wochen schwer - und bleibt es bei den jetzigen Quoten, droht das baldige Aus. "Wir müssen alles versuchen, das Ding auf Kurs zu bringen", so Naujoks, der auf die Frage, ob die Sendung an Ostern noch im Programm sei, lediglich auf die Kollegen aus der Programmplanung verwies. Die Hoffnung hat er allerdings noch nicht gänzlich aufgegeben, schließlich sei auch "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" zu Beginn kein Erfolg gewesen. "Da musste auch erst der Strumpfhosen-Mörder kommen."