Eigentlich hatte ich für diese Woche einen Text über eine andere Serie eingeplant, doch dann habe ich Freitagnachmittag die erste Folge der HBO-Produktion "Succession" angeschaltet, um mal reinzuschnuppern. Vier Stunden und vier Episoden später sitze ich hier, muss noch den Text für Samstag schreiben - und kann gar nicht anders, als meine Begeisterung für "Succession" loszuwerden. Dabei hatte ich Anfang Juli noch gedacht, dass die Serie zu denen gehört, die ich in diesem Jahr auslasse, weil sie mich von der Beschreibung her wenig interessierte: interfamiliäres Nachfolgegerangel an der Spitze eines Medienimperiums - gähn. Hätte nicht gedacht, dass ich so falsch liegen könnte.

Der entscheidende Punkt, in dem ich mich geirrt hatte: Ich hatte angenommen, "Succession" sei eine Drama-Serie. Aber das ist nicht der Fall: Es ist eine Comedy, eine Satire über Intrigen, Macht und Familienzugehörigkeit. Sie ist hochwertig produziert und wird in einstündigen Folgen erzählt wird. Was ungewöhnlich ist, denn Comedy-Formate werden meistens in 20- bis 30-minütigen Happen serviert. Auf den ersten Blick beim Einschalten könnte "Succession" also durchaus als konventionelle Drama-Serie über die potentiellen Erben eines schwerreichen, alten Unternehmers durchgehen. Doch schnell wird klar: Die Figuren sind überzeichnet angelegt. Fein überzeichnet zwar - aber man kann sich sicher sein, dass diese Überzeichnungen stärker werden, je weiter die Serie fortschreitet. 

Die Familie ist so reich, dass sie sich in Sphären bewegt, die Lichtjahre vom Leben des HBO-Publikums entfernt sind. Und sie alle entsprechen anfangs unterschiedlichen Vorurteilen, die man von Mitgliedern einer Familiendynastie hat. Da ist das 80-jährige Familienoberhaupt Logan Roy, das aus armen Verhältnissen stammend das Medienimperium allein aufgebaut hat und nun eigentlich die Nachfolge regeln müsste. Da ist der älteste Sohn Connor, der sich vor allem fürs Brotbacken und Alternative Medizin zu interessieren scheint. Da ist der Zweitälteste, Kendall, der Drogenprobleme hatte und nun gerne die Geschäfte übernehmen würde. Da ist der Jüngste, Roman, der sich als innovativen, disruptiven Kopf sieht und kein Verhältnis zu Geld hat. Da ist die Tochter Siobhan, die als einzige eine Karriere unabhängig vom Vater aufgebaut hat - die aber mit einem Manager aus Vaters Firma zusammenlebt. Und da ist der Neffe aus ärmeren Verhältnissen, einem Zweig der Familie entstammend, mit dem sich das Familienoberhaupt überworfen hat. 

Schöpfer und Drehbuchautor Jesse Armstrong - bekannt für seine Arbeit für die britische Polit-Satire-Serie "The Thick of It" - ist es gelungen, Figuren zu schaffen, die allesamt auf ganz unterschiedliche Art leicht unsympathisch sind und die alle einen kleinen Hang zur Lächerlichkeit haben. Und deren Geschichten und Entwicklung man trotzdem verfolgen will. Ich habe "leicht unsympathisch" und "kleinen Hang" geschrieben, weil das ein wichtiger Punkt ist: Die Figuren sind nicht so stark überzeichnet, dass sie fürs Publikum berechenbar und zu keiner Entwicklung fähig wären. Es ist ein ganz schmaler Grat, den Armstrong hier beschritten hat. Ich finde es schwer zu greifen, was die Faszination dieser Figuren ausmacht. Denn keine von ihnen bietet eine Identifikationsfläche für mich, keine von ihnen ist mir sympathisch, keine von ihnen hat Probleme, die mit meinem Leben zu tun haben könnten. Aber: Ich finde die menschlichen Abgründe interessant, die sich auftun. Und: Ich liebe es, die unterschiedlichen Arten des Scheiterns zu beobachten. In den großen Dingen und in den ganz kleinen Dingen. Es sind feine Intrigen, die hier gesponnen werden, fast unsichtbare Beine, die die Geschwister sich untereinander stellen - immer nur mit den besten Absichten, versteht sich. Denn jeder und jede gibt vor, nur das Wohl der Familienunternehmens im Blick zu haben. Und es ist entlarvend, wie wenig sie sich zurechtfinden, wenn sie auf die normale Welt prallen, auf Menschen, die nicht für sie arbeiten oder die nicht wissen, wer sie sind. 

Natürlich sind die Figuren nicht das einzige, was hier gelungen ist: Die Besetzung ist richtig gut (mir gefallen Kieran Culkin und Sarah Snook besonders gut), die Produktion ist hochwertig, der theatralische Soundtrack unterstützt die satirische Wirkung, und die Dialoge sind bewundernswert auf den Punkt (und überraschend vulgär).

Und wenn ich die Überschriften der amerikanischen Kritiken zum Rest der Staffel richtig interpretiere, steht mir mit den nächsten sechs Folgen der ersten Staffel das Beste noch bevor.

"Succession" läuft montags bei Sky Atlantic, die Folgen der ersten Staffel sind bei den Sky-Streamingdiensten verfügbar, außerdem bei iTunes.