Foto: Fred SeibertAus deutscher Sicht fiel bei der Diskussion eine Sache sofort auf: Die USA sind in dieser Frage den deutschen Zögerern und Bedenkenträgern weit voraus. Wird in Deutschland noch über das "Sollte man überhaupt?" und "Macht das Sinn?" diskutiert, existiert in den USA bereits ein Markt, der dementsprechend konkreter über die weitere Entwicklung spricht.

Wenn von Broadcastern im Web die Rede ist, dann sind nicht die YouTubes, MyVideos, Sevenloads und Clipfishs dieser Welt gemeint. Es geht um Plattformen mit eigenem Content. Auf Basis von Ideen aus der Webgemeinschaft produzieren Firmen wie Next New Networks oder Heavy.com spezialisierte Podcasts, Webchannels oder gleich eigene Plattformen. Nicht der Dienstleister wie YouTube sondern das Programm selbst soll das markanteste Merkmal der jeweiligen Website sein, meint Fred Seibert (Foto), Gründer der Next New Networks und Frederator Studios.

Das Multitalent widmet sich seit 15 Jahren dem Thema Cartoons und seit einigen Jahren dem Internet und seinen Möglichkeiten für z.b. eben dieses Genre. In den 80er Jahren arbeitete er im klassischen Fernsehen - und hinterließ einen bleibenden Eindruck: Seibert war als erster Creative Director bei MTV für das noch heute fast unverändert genutzt MTV-Logo verantwortlich, verpasste 1985 dem Kindersender Nickelodeon sein ebenfalls noch heute genutztes und sehr markantes orangefarbenes Logo, entwickelte dort die Programmschienen "Nicktoons" und "Nick at Night", relaunchte 1991 noch MTVs Schwestersender VH-1 und erfand Namen und Konzept für Comedy Central.

Dass er sich heute dem Internet widmet, ist für ihn die eine simple Notwendigkeit. "Fernsehen ist nicht mehr genug", sagt Seibert. Heutzutage nutze doch niemand mehr allein ein Medium zu einer Zeit. Man hab entweder sein Handy, sein Notebook oder halt altmodischerweise eine Zeitschrift oder Zeitung auf dem Sofa. Von all diesen weiteren Medien sei das Internet das vielversprechendste. Von HandyTV hält der frühere Fernsehmacher nichts: "Egal was auf kleinen Bildschirmen läuft - es haut mich einfach nicht um", so Seibert.



"Internet People": Das Video zum Trend


Video-Portale im Web erinnern ihn an den Start von MTV. Auch dort habe man als Broadcaster den Großteil des Programms anfangs mit nicht eigenem Content gefüllt - genauso, wie es viele Video-Plattformen derzeit im Web tun. Analog zur Entwicklung bei MTV sieht er aber auch hier mittelfristig die Entwicklung zu eigenen Formaten. Anderen die Arbeit zu überlassen, sei nur anfangs möglich. Das Wachstumspotential ist irgendwann erschöpft - wenn auch nicht so schnell wie beim Musikgeschäft. Angebote wie YouTube mag er nicht. Zwar glaubt auch er an die Kreativität der Internetgemeinschaft, aber glaubt daran, dass allein Homevideos sich irgendwann wiederholen werden. Denn die besseren Videos bei YouTube werden über kurz oder lang Karriere machen: MIt eigenen Websites - aus seinem Haus - oder auch im klassischen Fernsehen.

Deswegen ist Seibert auch sehr eigenwilliger Meinung, wenn es um die Frage neuer Talente geht. Sein Standpunkt: "Talente finden uns". Früher wurde in klassischen Talent-Begriffen gedacht. Was heute aber als Talent gelte, wisse man oft erst wenn jemand es zum ersten Mal vorführt. Das sei eine Erkenntnis die YouTube und Co. geliefert haben. Die schrägsten Aktionen und Begabungen sind plötzlich potentielle Talente. Diese lassen sich aber nicht entdecken, weil man gar nicht wisse, wonach man suchen soll. Daher glaubt Seibert: Zukunftsfähige Web-Broadcaster müssen so gut und professionell sein, dass sich die Talente selbst für genau das eine Angebot entscheiden, mit dem sie zusammenarbeiten wollen. Dort werde man Ihnen den passenden Rahmen geben und sie in Szene setzen. Das eigene Video auf allen Plattformen sei kein attraktives Modell für die Kreativen.

Bei der Zielgruppe von solchen "Video on demand"-Plattformen sieht Seibert keine Revolution: In den kommenden fünf bis zehn Jahren bleiben die jungen Nutzer die Kernzielgruppe. Einen Demografie-Faktor sieht er in absehbarer Zeit nicht. Wer schon jetzt auf Angebote für ältere Nutzer setzt, unterschätze die Kurzlebigkeit des Webs. Aber irgendwann, so scherzt Seibert, werde er auch ein Portal für Nutzer in seinem Alter machen. Derzeit sei diese Zielgruppe für technische Spielereien aber nicht aufgeschlossen genug.