Foto: ScreenshotEigentlich wollte Eva Herman bei Johannes B. Kerner nur ihr neues Buch "Das Prinzip Arche Noah" vorstellen. Das war vor vier Wochen. Doch als der NDR die Moderatorin am 9. September fristlos kündigte, durfte Herman damals am Dienstag darauf nicht bei Kerner im ZDF auftreten. Das sollte am gestrigen Dienstagabend nachgeholt werden.
Herman, die ihren Job als Moderatorin der NDR-Talkshow "Herman und Tietjen" wegen einer missverständlichen Äußerung über die Familienpolitik im dritten Reich während einer Buchvorstellung verlor, wollte bei Kerner um ihre Rehabilitierung kämpfen und verlor auf ganzer Linie. Aber der eigentliche Verlierer des Abends heißt Johannes B. Kerner, der durch seine erschreckend schwache Moderation mehr verloren hat als Herman verlieren konnte. In seiner Talkrunde saßen am Abend neben Herman Schauspielerin Senta Berger, Journalistin Margarethe Schreinemakers und Comedian Mario Barth, denen "viel zugemutet" wurde, wie Kerner sich am Ende der Sendung entschuldigte.
 
"Du, Eva": Das Duzen und die nötige Distanz

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Wieder kam es zum Eklat, wieder musste Herman gehen. Diesmal war es Johannes B. Kerner, der Herman zögerlich des Platzes verwies. Allerdings geschah dies erst nach gut fünfzig Minuten einer zähen bis zickigen Diskussion über die Frage, ob Eva Herman den Verweis auf die Frauen- und Familienpolitik im dritten Reich auch heute, nach jeder Menge sachlich-fundierter aber auch unsachlich-emotionaler Kritik, aufrecht erhält. Der Moderator und sein meistbeachteter Gast des Abends lieferten sich ein von Anfang an ein hartes Duell. Die Stimmung war gereizt, auch wenn sich Gastgeber Kerner für das "Du" entschied, was zu einer absurden Gesprächssituation führte, in der bei eisiger Atmosphäre gekumpelt wurde. Von nötigem journalistischem Abstand war dabei selten etwas zu spüren. Erst recht nicht als Herman hier und da anklingen ließ, welche Absprachen man im Vorfeld getroffen habe ("Du hattest gesagt, dass Du mich ausreden lassen willst dieses Mal").

Foto: ScreenshotEs dauerte nur wenige Minuten, da war schon klar, dass Kerner an diesem Abend bei Eva Herman in der Sackgasse stecken bleiben würde. "Ich habe in diesem Fall keinen Fehler gemacht. Es tut mir leid für die Presse und es tut mir Leid für die Menschen, die falsch informiert wurden", sagt Herman und stellte damit klar, dass sie nicht gekommen war, um sich zu entschuldigen. Herman warf Kerner im Verlauf des Gespräch immer wieder vor, er gehe das Thema mit den falschen Fragen an. Eine berechtigte Kritik, wenn auch nicht mit den Gründen Hermans. So versuchte sich Kerner viel zu oft mit demonstrativem Verständnis und Fairness. Das erregte u.a. auch Margarethe Schreinemakers, die mehrfach gerne unterbrochen hätte.
 
"Was bist Du und warum brauchen wir Dich?"

Herman hingegen kritisiert an Kerner immer wieder Formulierungen von Fragestellungen und die dahinter stehenden Vermutungen über ihre Gesinnung. Man redete also beispielhaft aneinander vorbei. Kerner wollte herausarbeiten, wo Eva Herman ideologisch steht. Herman wehrte sich und redete sich dabei immer tiefer ins argumentative Abseits. Die Kamera zeigte dabei mehr als einmal eine entnervte Margarethe Schreinemakers in Großaufnahme. Sie fragte Herman zwischendurch ernsthaft, was mancher Zuschauer sich gedacht haben mag. "Was bist Du und warum brauchen wir Dich?", richtete sie sich an Herman und musste selber darüber lachen. "Ich sehe Dich nicht als Vorkämpferin für irgendeinen hier im Raum", sprach Schreinemakers ihr Urteil.
 


Wer nach gut 45 Minuten dachte, Hermans wiederholte Selbstdarstellung als Opfer der Medien, ihre Verweigerung auf die Äußerungen des anwesenden Historikers Wolfgang Wippermann zu antworten und ihre relativierend gemeinte Aussage "Es sind auch Autobahnen damals gebaut worden und wir fahren drauf" seien schon der Höhepunkt gewesen, wurde von der ehemaligen "Tagesschau"-Sprecherin eines besseren belehrt. So sei es ihr größter Fehler gewesen, nicht noch deutlicher auf Herausgabe des Filmmaterials zu drängen, das von einem RTL-Team bei jener umstrittenen Pressekonferenz am 6. September gedreht wurde, erklärte Herman. Sie habe lernen müssen, "dass man über den Verlauf unserer Geschichte nicht sprechen kann, ohne in Gefahr zu geraten". Aufregung im Studio. Spätestens hier vermengte sich die Diskussionen um die Sache Hermans - Frauen und Familie -, um das Problematische ihrer Äußerungen zum dritten Reich und um die Funktionsweisen von Presse und Medien zu einem diskursiven Brei, der wenig Erkenntnis aber jede Menge populistisches Potenzial entfaltet.
 
"Unerträglich": Margarethe Schreinemakers gab Herman Contra

Foto: ScreenshotSchließlich brach es aus den Gästen heraus. Margarethe Schreinemakers zischte "unerträglich" und sagte, man müsse sich davon distanzieren, in dieser Runde zu sitzen. Kerner wollte das Trauerspiel, das man wahrlich als Fernsehereignis bezeichnen kann, darauf hin beenden und sagt "Das ist der Punkt, an dem ich an Eva keine weiteren Fragen habe". Lassen kann er es dann jedoch nicht und konfrontiert sie noch einmal mit ihren Thesen. Vielleicht hatte Kerner naiv auf ein erlösendes 'Ich habe es doch nicht so gemeint' gewartet, was aber nicht kommen wollte. So machte der Gastgeber sicherlich nicht die beste Figur in dieser brisanten Sendung.

Das Gespräch mit Eva Herman verlief ohne jede Erkenntnis, Kerners weitere Gäste entsetzt vom Verlauf der Sendung und er selbst erschreckend unsouverän. Erst als nach der Kritik von Margarethe Schreinemakers an Herman und der Sendung auch Senta Berger am Ende förmlich angewidert von der Absurdität in Hermans Argumentationsgang droht, das Studio zu verlassen, bat Kerner Eva Herman höflich zu gehen. Der schon im Vorfeld der Ausstrahlung von zahlreichen Nachrichtenportalen vermeldete "Rauswurf" Hermans gestaltete sich so in Wahrheit also wesentlich harmloser und für Kerner beschämender. Von wegen "Moderator griff durch". Ob er selbst auf die Idee gekommen wäre, Herman aus dem Studio zu bitten?
 
ZDF-Programmdirektor: Kerner hat sich richtig verhalten

Nach der Sendung sagte Kerner laut ZDF zur Verabschiedung Hermans: "Ich hatte die Hoffnung, dass Frau Herman ihre problematischen Äußerungen im Gespräch relativieren würde. Als klar war, dass wir dabei nicht weiterkommen, habe ich das Gespräch mit ihr beendet und mit meinen anderen Gästen fortgesetzt". Programmdirektor Thomas Bellut stellt sich hinter ihn: Kerner habe sich absolut richtig verhalten. Die zu spät beendete Diskussion ließ dann allerdings nur noch wenig Zeit, so dass es einerseits erleichternd wirkte, dass nahtlos zum Mann-Frau-Geplänkel des Comedians Mario Barth, der noch eine Platte zu promoten hatte, übergegangen wurde. Andererseits blieb das Gefühl von hilflosem Herumgealbere angesichts einer völlig entglittenen Sendung. Wäre "Johannes B. Kerner" ein problematischer Fernsehfilm in der ARD gewesen - man hätte im Anschluss noch eine Expertendiskussion zum Thema gesendet, um den Zuschauer nicht gänzlich verwirrt in die Nacht zu schicken.