Logo: ARDDie Amerikaner nennen es „schmoozing“ – die Kunst erfolgreicher Geschäftsleute, mit Freundlichkeit und warmen Worten einen guten Abschluss zu machen. Das angenehme Bauchgefühl soll den Ausschlag geben, nicht die harten Fakten. Besonders wichtig wird „schmoozing“, wenn das Produkt selbst keine wirkliche Begeisterung hervorruft. Bei der „Preview 2008“ des ARD-Werbeunternehmens AS&S hatte man mitunter das Gefühl, Häppchen und Starpower sollten den Mangel an wirklichen Neuheiten kaschieren – öffentlich-rechtliches „schmoozing“ sozusagen.

Es ist der Fluch des Erfolges – bis auf ein paar schmerzliche Sorgenkinder am Vorabend läuft es für das Erste derzeit eigentlich ganz gut: satte vier tägliche Serienformate sind fest etabliert (Rote Rosen, Sturm der Liebe, Marienhof, Verbotene Liebe), der „Tatort“ bleibt die Meßlatte bei den Fernsehkrimis, die Schiene der Late Night-Talkshows sitzt, und 2008 stehen gleich mehrere sportliche Großereignisse als Quotengaranten an.

Um die Werbekunden und Agenturen trotzdem in die mondäne Münchner Reithalle zu locken, wurde die Präsentation etwas aufgehübscht: Zuerst gab es Häppchen und den Trend-Drink Bionade, die in Ledersesseln und runden Sitzlandschaften genossen werden konnten. Eine Stunde lang regierte der Smalltalk, bevor Morgenmoderator Peter Großmann sich auf einen Barhocker neben der Großleinwand stellte, um mit einem Videozusammenschnitt auf die neue Saison neugierig zu machen.

Problemkind bleibt der Vorabend, an dem in den letzten Monaten so verschiedene Formate wie „Psst!“, „Zwei Engel für Amor“ und „Sophie – Braut wider Willen“ gescheitert sind. Eine noch deutlichere Ausrichtung auf das weibliche Publikum soll hier Abhilfe schaffen – mit zwei Sendungen, die eher dem Reality-Sektor zugeordnet werden können: Wie schon berichtet, wird „Top Model“-Star Bruce Darnell ein eigenes Coaching-Format seines Namens bekommen. Von der Schwierigkeit, einen beliebten Sidekick zur Hauptfigur aufzubauen, zeugte bereits das Promo – Bruce kämpft mehr mit der deutschen Sprache als den Problemen seiner „Kandidaten“. Aber er versichert gerne und immer wieder: „Das Erste isss sexxxy!“. Nach dem Überraschungserfolg des Kinofilms „Shoppen“ will die ARD außerdem an vier Tagen die Woche mit dem Thema „Speeddating“ punkten. Ob der fiktionale Film allerdings als Vorlage für eine Doku-Soap taugt, sei dahingestellt.


Dazu versicherte AS&S-Geschäftsführer Achim Rohnke, dass neben der Produktion neuer Formate die Optimierung der bestehenden Hits starke Aufmerksamkeit genieße, auch wenn das vielleicht nicht immer für den Laien ersichtlich sei. Als Beispiel nannte er inhaltliche Anpassungen bei den Soaps und Telenovelas (neue Hauptfigur bei „Sturm der Liebe“, Rückkehr von Wayne Carpendale, festere „Umschaltpunkte“), sowie die Verjüngung einiger „Tatort“-Teams. Und gerade da scheint die ARD ein glückliches Händchen zu haben: Erste Ausschnitte mit den neuen Ermittlern in Hamburg, Leipzig und Stuttgart sahen modern, frisch und spannend aus.

In der Primetime strich der Sender besonders die Kompetenz in der Kino-Koproduktion heraus, und zeigte erste Bilder von den Highlights: „Der Baader/Meinhof-Komplex“ nach dem Bestseller von Stefan Aust, Breloers erster Spielfilm „Die Buddenbrooks“, „Mogadischu“, und das Biopic „Karl Valentin“. Hier fällt allerdings auf, wie sehr die ARD sich auf Vergangenes und Klassiker konzentriert. Wo bleibt der Blick nach vorn, wo sind die aktuellen, die mutigen Stoffe, die Diskussionen anregen, und nicht nur Zeitgeschichte abarbeiten?

Zugegeben: Witzig war der Ausschnitt aus dem Film „Mein lieber Herr Gesangsverein“, der die unglaubliche Kombination von Günter Netzer und den Fantastischen Vier präsentierte – ein Herrenchor probt die beliebtesten Stadion-Schlachtengesänge wie „Schiri, wir wissen, wo dein Auto steht!“…

Logo: Das Erste2008 wird auch das Jahr des Sports in der ARD, und die Sorge um den möglichen Verlust der Bundesliga dämpft man mit Disziplinen, die in den letzten Jahren massiv an Popularität gewonnen haben. Auf die Handball-EM (bis zu 16 Millionen Zuschauer bei der letzten WM), folgt die Fußball-EM, und die Olympischen Sommerspiele in Peking dürften auch für üppige Marktanteile gut sein (6 Millionen Zuschauer sahen den Bodenturnern bei der letzten Olympiade zu). Dazu die DTM, und eine (vorerst noch) unschlagbare „Sportschau“.

Insgesamt flackerten 45 launig geschnittene Minuten über die Großleinwand der Reithalle, und es ging deutlich weniger um „Neuheiten“ als um „Evolution statt Revolution“. Kein Wunder: Die ARD muss Marktanteile halten, sich konsolidieren, die Schnittstellen zwischen den Sendungen noch stärker betonieren, damit die Zuschauer nicht wegschalten.

Und dann kam Oliver Bierhoff. Was genau der Teamchef der deutschen Fußball-Nationalmannschaft an diesem Abend mit dem ARD-Programm zu tun hatte, wusste er wahrscheinlich selber nicht. So plauderte er mit Moderator Großmann ein halbes Stündchen, kommentierte das vergeigte Tschechien-Spiel, und sprach davon, dass man niemals aufgeben darf, wenn man etwas erreichen will. Dazu permanentes Pfeifen in den Lautsprechern, während der gefragte Manager eine SMS nach der anderen bekam.

Einige weniger fußballbegeisterte Besucher schielten sichtlich auf die Uhr, aber kaum einer ging, denn die Einladung versprach zum Ende des Abends noch experimentelle Gastronomie dank „flying Buffet“. Was man sich darunter vorzustellen hat:

Feines Samtsüppchen von der roten Beete mit Pastis verfeinert
Weiße Ziegenkäsebällchen mit aromatischem Pfirsich-Chili-Relish
Scheiben von der geräucherten Entenbrust auf schwarzen Belugalinsen an Brombeervinaigrette
Taboulé-Salat mit viel frischer Petersilie, Schafskäse und Granatapfelkernen
Gebratenes Saiblingsfilet auf Birnen-Fenchel-Püree mit frittierten Meerrettichspänen
Pikante Geflügelhackbällchen am Zitronengrasspieß mit Wasabi-Creme fraiche

Und als Dessert: „Überraschungen aus dem Stickstoffnebel“

Man beachte: Für den weniger wagemutigen Esser versteckte sich in dieser Beschreibung auch ein Haufen kleiner Frikadellen.

Insgesamt: Man kam sich vor wie beim „RTL Promi-Boxen“ - über 3 Stunden „Event“ für 45 Minuten Programm. Aber es gelang, was gelingen sollte, und man ging mit dem Gefühl, dass die ARD nicht nur Kurs hält, sondern auch verjüngt, optimiert, aufbaut. Gut geschmoozt!