Alles andere als friedlich geht's derzeit beim NDR zu: Der Streit zwischen der Alevitischen Gemeinde und den "Tatort"-Machern droht langsam zu eskalieren. Am Donnerstag demonstrierten bereits rund 1.000 Menschen vor dem Hauptstadtstudio gegen den vergangenen Sonntag ausgestrahlten "Tatort". Für Samstag ist in Köln zudem zu einer weiteren Demonstration aufgerufen.

Stein des Anstoßes: Der am 23. Dezember im Ersten ausgestrahlte NDR-"Tatort" "Wem Ehre gebührt" sorgt weiter für Aufruhr in der Gemeinde der Aleviten, einer Glaubensrichtung des Islam. Der Film drehte sich um einen Inzest-Fall in einer alevitischen Familie. Die Schwester der Schwangeren wird umgebracht, weil sie zur Aufklärung des Mordes beitragen will. Inzest ist aber gerade der Vorwurf, der den gemäßigten Aleviten, die die Gleichheit von Mann und Frau betonen, bereits zu osmanischen Zeiten gemacht wurde, um sie zu verunglimpfen.


Dass die ARD nun in einem "Tatort" diese alten Vorurteile wieder aufwärmte, sehen die Aleviten als "Volksverhetzung" an und stellten dementsprechend auch Strafanzeige gegen die "Tatort"-Macher. Beim NDR bemüht man sich unterdessen weiter, zu beschwichtigen und erneuerte sein Gesprächsangebot an die Alevitische Gemeinde Deutschland - allerdings unter einer Bedingung.

Vor einem Treffen müsse der Vorwurf der "Volksverhetzung" aus dem Weg geräumt werden. Grundsätzlich halte man aber an dem Gesprächsangebot fest, das der NDR sogar schon vor der Ausstrahlung an die Alevitische Gemeinde gemacht habe. Volker Herres, NDR Programmdirektor Fernsehen, betonte noch einmal, dass es in der Tatort-Folge nicht darum gegangen sei, religiöse Gefühle zu verletzen oder Vorurteile gegen die alevitische Glaubensgemeinschaft zu untermauern. Vor Beginn des "Tatorts" habe das Erste zudem einen Hinweis ausgestrahlt, dass es sich bei dem Krimi um eine fiktive Geschichte handle, heißt es in einer Erklärung des NDR weiter.

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Regisseurin und Drehbuchautorin Angelina Maccarone verteidigte ihre "Tatort"-Folge gegen Kritik der Alevitischen Gemeinde Deutschland. Es habe ihr völlig fern gelegen, eine Minderheit wie die Aleviten so in Aufruhr zu versetzen. Wer ihre anderen Filme kenne, wisse, dass ihr daran gelegen sei, ein differenziertes Bild von Minderheiten zu zeichnen. Offenbar spielte schlicht Unwissenheit bei Maccarone eine Rolle. In einem Interview mit der "FAZ" sagte sie, sie sei bei ihren Recherchern "leider nicht darauf gestoßen, dass den Aleviten seit dem Mittelalter von den Sunniten ausgerechnet der Vorwurf des Inzestes gemacht wird und dass sie in dieser Weise stigmatisiert werden".