Die Absage der ProSiebenSat.1 AG war zu erwarten: Auf die überraschende Ankündigung von Premiere-Vorstandschef Michael Börnicke konnte der TV-Konzern zunächst gar nicht anders reagieren. Doch die Spekulationen in der Branche gehen weiter: Die Bekanntmachung des Interesses an Sat.1 ist insbesondere vor dem Hintergrund von Rupert Murdochs steigendem Einfluss bei Premiere und dem bekannt hohen Schuldenberg der ProSiebenSat.1 Media AG noch lange kein abgeschlossenes Thema.

Foto: Helmut ThomaDoch es stellt sich abseits der Absichten beider Seiten auch noch eine ganz andere Frage: Wäre ein Verkauf von Sat.1 überhaupt praktikabel? "Die Rauslösung von Sat.1 aus der ProSiebenSat.1 Media AG ist eine der leichtesten Übungen", glaubt Ex-RTL-Chef und Medienberater Helmut Thoma im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. "Das sind ja keine siamesischen Zwillinge." Programmtechnisch und organisatorisch sieht Thoma keine Probleme bei einer Übernahme des Senders. Auch nicht in Bereichen, die bei der ProSiebenSat.1 Media AG zentral organisiert werden. Thoma: "Konzerninterne Verbindungen wie bei der Nachrichtenproduktion könnten im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags weiterlaufen."

"Sat.1 liesse sich mit Bestimmtheit aus dem Konzern ProSiebenSat.1 herauslösen", sagt auch der ehemalige Sat.1-Geschäftsführer Roger Schawinski gegenüber DWDL.de. "Einzig die Versorgung mit Lizenzware müsste neu geregelt werden, aber dieses Problem kann relativ leicht bewältigt werden, vor allem wenn Rupert Murdoch und Fox aktiv würden.“ Eine Übernahme durch Premiere würde Schawinski positiv beurteilen: „Bei einer Zusammenarbeit mit Premiere im Bereich der Sportrechte und mit Fox bei den Film- und Serienrechte gäbe es spannende Perspektiven, um den Sender neu und klarer zu positionieren."

Auch für Premiere sei der Einstieg ins FreeTV ein sinnvoller Schritt, so Helmut Thoma. Eine Erweiterung des Geschäftsfeldes der Premiere AG bezeichnet er als "dringend notwendig". Als klassischer PayTV-Anbieter stehe das Unternehmen unter zunehmenden Druck von Kabelnetzbetreibern, Satellitenplattformen und IPTV-Anbietern. Die Suche nach neuen Geschäftsfeldern sei für Premiere dementsprechend wichtig.

Foto: SAT.1Allerdings, so mahnt Schawinski mit Blick auf den FreeTV-Markt: "Der Wettbewerb würde bei einer Aufbrechung des Duopols eher geschwächt als gestärkt. Die RTL-Gruppe wäre dann noch dominierender als heute und würde den Markt auf Jahre hinaus problemlos kontrollieren, da der härteste Konkurrent nur etwa halb so gross wäre. Für die Medienagenturen und den Wettbewerb ist Größe aber ein zentrales Kriterium."

Dem widerspricht Thoma. "Wenn drei Unternehmen um den Kuchen kämpfen, kommt mehr Schwung in die Sache", glaubt er und sieht RTL nicht zwangsläufig als Gewinner in einem Markt mit zwei kleineren Konkurrenten. "Eine Aufsplittung der ProSiebenSat.1 Media AG würde dem Markt gut tun", sagt der ehemalige RTL-Chef und Medienberater und bezeichnet den Senderverbund von ProSiebenSat.1 als "Unsinn". "Zwei Sender an der Spitze kosten viel zu viel und behindern sich gegenseitig", so Thoma gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de. "So macht man RTL nie Konkurrenz.“