Gedruckter Weblog: Rheinische Post startet "Opinio"

Neues sorgt für Aufsehen - das ist nicht verwunderlich. Wenn der, der Neues tut, bislang nie als Kandidat für eine Innovation galt, dann ist das sonderbar. So in etwa ist es derzeit mit der "Rheinischen Post" aus Düsseldorf. Im vergangenen Jahr trennte man sich erst von zu gewagten Fernseh-Beteiligungen, trennte sich unfreiwillig auch vom Noch-Chefredakteur Ulrich Reitz, der gerade noch einen Relaunch der „Rheinischen Post“ vollzog. Und auch von einem Tabloid-Format hielt man in Düsseldorf, im Gegensatz zum Kölner DuMont Verlag, wenig und reagierte nicht auf den Trend.

2005 allerdings kommt überraschend Neues aus Düsseldorf: In den Räumen der Internet-Tochter RP-Online wird schon seit November letzten Jahres an einem neuen Projekt gearbeitet, welches seit Mitte Dezember bereits online verfügbar ist und ab Februar dann auch in gedruckter Form das Licht der Medienwelt erblickt: Irgendwo zwischen sachlich passend und niedlich-naiv der Name: „Opinio“ heißt das kleine Ding, an dem in Düsseldorf derzeit eine handvoll Mitarbeiter werkeln.

Redakteure, die keine sindFoto: DWDL

Was anfangs kurios erscheinen mag: Obwohl in gut einem Monat die erste Print-Ausgabe von „Opinio“ erscheinen soll, beschäftigt man keinerlei Redakteure - jedenfalls keine Redakteure im bisher bekannten Sinne „Opinio – Das Magazin für Leser von Lesern“ und „Opinio – Hier schreiben sie“ sind die Slogans des gewagten Projekts: Die Rheinische Post in Düsseldorf ist die erste deutsche Zeitung die das im Internet boomende Prinzip der Weblogs und der neuen Schreibkultur der Blogger auf einen Printtitel übertragen will.

Dabei kommt die Idee selbst nicht aus Düsseldorf. Die Hamburger Agentur Boogie Medien hat sich das Grundkonzept des „ersten Leser-Magazins“ ausgedacht und ist auf der Suche nach einem Partner, der den Anfang macht, in Düsseldorf fündig geworden. Deshalb verstehen sie und auch die Düsseldorfer Rheinische Post ihr „Opinio“ als Pilotprojekt, welches bei Erfolg anderen Verlagen angeboten werden soll, um „Opinio“ langfristig zur bundesdeutschen Marke zu machen.

Auf der Internetseite zum Magazin, www.rp-online.de/opinio, ist zu lesen: „Geschrieben, fotografiert und gelesen von Menschen, die mitreden wollen: von Ihnen. Menschen, die zeigen, was sie bewegt, was sie denken, woran sie glauben, kurz: was sie meinen.“ Konkret können Artikel, Fotos und Gedanken online geschrieben werden, die dann sofort dort und später mit Glück auch im gedruckten Magazin erscheinen. Die „Redakteure“ von „Opinio“ geben Anregungen und Vorschläge für mögliche Themen und beschränken sich sonst auf die Tätigkeit als regelende Mitleser, die auf die Einhaltung von gesteckten Regeln achten.

Bei Erfolg auch einzeln am Kiosk

Alle 14 Tage soll „Opinio“ ab Februar der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ beiliegen. Eine Nullnummer wurde bereits im Dezember produziert und überrascht mit frischem Design, wie es sonst bei der „Rheinischen Post“ allenfalls dem samstäglichen „Magazin“ gelingt. Nach DWDL-Informationen soll „Opinio“ bei Erfolg im Verbreitungsgebiet der „Rheinischen Post“ auch einzeln an den Kiosk gebracht werden und dann maximal 50 Cent kosten. Ob dies gleich zum Start in wenigen Wochen der Fall sein wird, ist unklar.

In Internet-Weblogs zum Thema Medien wurde „Opinio“ bislang nur am Rande erwähnt. Die große Schwierigkeit des neuen Projekts ist sein kommerzieller Charakter: Die eingeschworene Gemeinde der Blogger mag ihre Unabhängigkeit und die Eigenständigkeit durch eigene Blogs oder locker verbundene Gemeinschaftsblogs. Bei „Opinio“ allerdings sollen Leser für ein Magazin schreiben, nicht für ihre eigene Seite oder ihr eigenes Angebot. Ob das den Reiz erhöht oder nicht? Derzeit sind es täglich einige Dutzend neue Beiträge, die thematisch zwischen Lyrik und Kaufberatung so ziemlich alles abdecken.