Logo: MTVSilvi, Finna und Martina finden es "total scheiße." Auf Sarah Kuttners Internetseite ist in diesen Tagen abzulesen, wie gekränkt die Anhängerschaft ihrer Sendung ist, jetzt, da "Kuttner" nicht mehr laufen wird. Sie fliegt aus dem Abendprogramm des Formal-Musiksenders, und mit ihr die Restspannung, die ein eigenproduziertes deutsches Format birgt, schlicht weil es so selten ist. Mit "Kuttner" endet ein Parade-Format, das neben "Date My Mom" wahrgenommen wurde wie ein Heilsversprechen, und mit Sarah Kuttner geht eine Referenzfigur junger, urbaner, deutscher Kultur - so weit der Tenor der ersten Empörungswelle, nachdem MTV erklärt hatte, die Show sei für ihre Quoten zu "aufwändig".

Tatsächlich hat sich Sarah Kuttner von MTV 2006 haarsträubend unterschieden. Keine ihrer Eigenschaften passt in das chromglänzende Bild des Trash-Entertainment-Senders. Als Liebhaberin und versierte Hörerin von Alternative-Musik sollte Kuttner in ihrer Sendung so etwas wie das "alte MTV" wiederbeleben, um das Abendprogramm des Senders vom Flair der Daytime zu befreien. "Le Show" bestand einzig und allein aus Kuttner und ihrem Geschmack, als Antwort auf die Geschmacklosigkeiten des restlichen Programms.

"Der Aufwand zu groß", oder "die Quoten zu schwach", zu viele Redakteure, wie auch immer jetzt die Begründung sein mag, Kuttner zu kippen, am Konzept der Sendung wurde kaum Kritik laut. Warum? Eine konsequente Personality-Show zu kritisieren, hieße,  Kuttner zu kritisieren. Und das schien während knapp zwei Jahren auf zwei Sendern so gut wie ausgeschlossen. Ihre große Klappe schien der Kritik ein gutes Zeichen für die Mündigkeit der heutigen MTV-Generation und versöhnte das Feuilleton mit ihr: Kuttners Kolumne in der "Süddeutschen Zeitung" markierte eine seltene Fusion.

Foto: VIVA.tvÜber diese Texte mag man lächeln, Kuttners Stellenwert aber bewies die SZ-Rubrik wie unzählige Interviews, in denen gerne die Frage laut wurde, wie ihre Altersgenossen denn so tickten. Diese Frage wollte sie nie beantworten, natürlich zu Recht, aber sie dokumentierte ihre Ausnahmestellung. Mit einer eigenen Konzertreihe und unzähligen Ad-hoc-Rezensionen aktueller Musik etablierte sich Kuttner als Meinungsmacherin. Dabei ließ sie es gerne krachen, und vielleicht bleibt als ihr Stilmittel der subjektive, blumige Superlativ in Erinnerung.

"Kuttner" war Kuttner, bis es geschmerzt hat. Den roten Faden der Sendung bildeten Lob und Tadel aus dem Mund der Moderatorin. Dazwischen lagen Einspieler, Gäste und Sidekicks, oft wie mit Ironie aufgepumpt, um dem Grundtenor der Gastgeberin gerecht zu werden, wonach die Sendung eigentlich nicht Entertainment, sondern eben ihr privater Spaß sei und zu sein habe. Nun hat man den Eindruck, sich von Sarah Kuttner zu verabschieden, obwohl es nur das Ende einer Sendung ist, denn MTV will die Berlinerin halten. Im Grunde genommen aber kann man sich sicher sein, dass es diese Sendung bald wieder geben wird, mit welchem Namen auch immer, denn dieses eine Konzept ist automatisiert.

Zuschauer wie Silvi, Finna, Martina oder Torsten aber, MTV-Zuschauer, die einen ganzen Satz fehlerlos schreiben können, verabschieden sich hingegen ohne Wehmut, aber mit Zorn vom Sender. Und resümieren: "Bei MTV ist eben nach 25 Jahren die Luft raus."