Bild: WDR/GörgenNachdem Anfang des Monats die Ullrich-Verträge der ARD bekannt wurden (DWDL.de berichtete) stehen die Verantwortlichen des Senderverbunds nun unter immer stärkerem Druck. In Köln brachte jetzt der Rundfunkrat des WDR seine Bestürzung über die Vorgänge in der Radsport-Berichterstattung zum Ausdruck. Dabei rügt der Rundfunkrat nicht nur die Tatsache, dass die Verträge mit Ullrich gegen die Kriterien einer neutralen und unabhängigen Berichterstattung massiv verstoßen, sondern bringt auch sein Unverständnis darüber zum Ausdruck, dass den Verantwortlichen im Sender - Programmdirektor Günter Struve (Bild) und Sportkoordinator Hagen Boßdorf - keine Konsequenzen drohen, sondern statt dessen deren Verträge verlängert wurden. Auch die Einrichtung einer sogenannten "Clearingstelle Sport", die sich mit diesen und anderen grenzwertigen Vorgängen in der ARD auseinandersetzen soll, begrüßt der Rundfunkrat. Die Veträge seien "in keinem Fall mit dem Ethos des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vereinbar", heißt es in einem Statement des Gremiums.

Unterstützung bekommt der Rundfunkrat vom ehemaligen WDR-Intendanten Friedrich Nowottny. Er findet klare Worte und nennt die Verträge in einem Interview mit dem Tagesspiegel "sittenwirdrig". In seiner Zeit als Intendant seien derlei Deals mit den Objekten der Berichterstattung undenkbar gewesen. "Wenn irgendjemand zu meiner Zeit in der Konferenz so etwas vorgeschlagen hätte, dann hätte er noch in derselben Minute seine Papiere zusammensammeln können", sagt er dem Tagesspiegel.
 
 
Papiere zusammengesammelt werden sollten auch nach Ansicht des Rundfunkrates. Er fordert die Verantwortlichen auf, Konsequenzen zu ziehen. Doch wer sind die Verantwortlichen? Die sollten eigentlich in der Chefetage sitzen. Doch dort schiebt man die Verantwortung zurück nach unten. So gibt Struve an, die Verträge nicht im Detail gekannt, sondern sich statt dessen auf seine Mitarbeiter verlassen zu haben. Ähnlich wie im Schleichwerbeskandal im vergangenen Jahr relativiert die ARD derzeit die Vorgänge und führt sie zurück auf das Fehlverhalten einiger weniger Mitarbeiter. Sollte Struve die Verträge tatsächlich nicht gekannt haben, wäre das in Nowottnys Augen ein "handfester Entlassungsgrund".

Der Vertrag mit der ARD sicherte Leistungsportler Ullrich ein jährliches Salär in sechstelliger Höhe zu, damit er zu Interviews und zur Mitwirkung an ARD-Sendungen bereitsteht. Darüber hinaus erhielt Ullrich Prämien für Siege und Platzierung bei großen Radsportereignissen wie der Tour de France. Eine höchst fragwürdige Praxis, da der Sender als eigentlich neutraler Berichterstatter damit seine journalistische Distanz aufgibt und in das Geschehen eingreift.