Armin HierstetterHerr Hierstetter, warum gibt es immer noch so viele Mediaplaner, die nicht so genau hinschauen, wo die Auflage überhaupt herkommt?

Tatsächlich dürften gewisse Titel bei einem genauen Blick eigentlich überhaupt keine Anzeigen haben. Viele machen es sich halt einfach. Als Mediaplaner werde ich ständig von irgendeiner Zeitschrift wegen Anzeigen genervt. Dann kann ich ganz einfach argumentieren, dass die Auflagenzahlen bei der Konkurrenz besser sind. Auch wenn es auf den zweiten Blick gar nicht stimmt. Hauptsache ich habe den nervigen Anrufer aus der Leitung.

Es ist also eine Argumentationsfaulheit.

Ja, vor dem Kunden kann der Mediaplaner sagen: „Super Auflage“- und die Kunden schauen nicht genauer hin, ob das im Einzelnen wirklich so stimmt mit den IVW-Zahlen.

Ist das in der jetzigen Krise besonders schlimm?

Es war vor Jahren noch schlimmer. Das Verständnis dafür, dass man genauer auf diese Zahlen schauen sollte, hat in der letzten Zeit wieder zugenommen. Wenn die Budgets zusammen gestrichen werden, weil das Geld knapper wird, wird doch noch etwas genauer hingeschaut, wo wirklich die guten Zahlen sind. Ich habe aber trotzdem das Gefühl, dass eher nach persönlichem Geschmack gebucht wird, als nach wirklich guten Zahlen.
 

 
Den Agenturen ist es eigentlich egal, ob beispielsweise die Abos vom WBZ kommen oder sonst woher?

Es ist ja kein Problem, über WBZ von heute auf morgen 20.000 Abos zu generieren. Es ist meistens zwar höchst unwirtschaftlich, weil dafür hohe Prämien in Kauf genommen werden müssen, aber im Werbemarkt steht man dann plötzlich innerhalb von 14 Tagen besser da. Ob aber der Abonnent noch irgendwas mit der eigentlichen Zielgruppe des Titels zu tun hat, ist eine völlig andere Frage.

Muss man generell skeptisch sein, wenn es eine hohe Volatilität bei Abonnentenzahlen gibt?

Ja, überschätzt wird in dem Zusammenhang  meiner Erfahrung nach das Thema Probeabos. Vielleicht hat „Vanity Fair“ bei der Aktion „52 Ausgaben für 52 Euro“ tatsächlich was vom Teller gezogen. Skeptisch sollte man aber immer werden, wenn es 40.000 Abos gibt und nicht deutlich mehr am Kiosk verkauft wird. Das hat mich jahrelang wahnsinnig gestört. Das ist beispielsweise im Männersegment hier und da auffällig.

Worauf sollten Mediaplaner denn mehr achten?

Wenn irgendwelche Mediaplanerinnen den eigenen Geschmack als höchste Instanz bei einer Entscheidung wählen und nicht das möglichst optimale Erreichen einer bestimmten Zielgruppe, wird das nicht funktionieren. „FHM“, Heimat exzellenter Autoren wie der spätere „ivy“-Chefredaktuer Michaelis Pantelouris, wurde früher lapidar als „Proll-Magazin“ abgekanzelt. Warum gerade die spitze Positionierung von „FHM“ ideal für viele Kunden gewesen wäre, haben die Agenturen nicht verstanden.