Grafik: DWDL; Logo: ProSiebenFrüher war alles besser - eine Floskel, die in der Regel zu entnervtem Augenverdrehen und einem Seufzer führt. So dürfte es auch Stefan Raab gehen, wenn er nostalgische Kommentare über die Anfangstage von "TV Total" liest. Dem Kollegen Peer Schader erklärte er für die "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zu diesem Thema sehr schön, dass manche Rubriken von damals heute nicht mehr funktionieren würde - weil er zu bekannt geworden sei. Das gelte für die früheren Raabigramme wie für Straßenaktionen.

Vielleicht gilt bei "TV Total" eher: Früher war alles anders. Denn keine Fernsehsendung hat sich so oft neu erfunden, wie Stefan Raabs Fernsehlabor am späten Abend. Man könnte meinen, dass die Entwicklung nicht gerade erfolgreich verlaufen ist, wenn man die Einschaltquoten oberflächlich analysiert. Doch die Sendung läuft weiterhin und ist für ProSieben immer noch so markenbildend wie sonst vielleicht nur noch die "Simpsons". Woher kommt dieser Dauererfolg trotz sinkender Einschaltquote? Es liegt an fünf Faktoren, die weitaus komplexer sind als die morgendliche Prozentzahl des Vorabends.
 
 
Die fünf Erfolgsgeheimnisse von "TV Total"
 
1.) Geld geht vor: In Krisenzeiten kann sich kaum ein Fernsehsender noch Prestige-Projekte leisten. Allein um Raab bei Laune zu halten, würde daher auch ProSieben kein Auge zudrücken bei mäßigen Einschaltquoten. Müsste man sich also nicht von einer täglich produzierten Sendung für das reichweitenschwache Spätprogramm trennen? Man müsste es, wäre es nicht "TV Total". Die Sendung ist trotz zeitweise schwächelnder Quote für die Werbekunden ein verlässliches Umfeld. ProSieben-Vermarkter SevenOne Media zeigt sich immer wieder höchst zufrieden mit der Buchungslage bei "TV Total", einem der wenigen Formate im Privatfernsehen, die sich somit über ihre Qualität und insbesonders ihre Zielgruppe vermarkten lassen. Es gibt nur wenige weitere Beispiele. ProSieben würde hier noch "Stromberg" anführen.

2.) Musik Total. Wenn bei den klassischen Musiksendern MTV und VIVA die Live-Sendungen zusammengestrichen werden und die Plattenfirmen in Deutschland so immer weniger Möglichkeiten finden, ihre Künstler unter der Woche im Fernsehen zu platzieren, ist "TV Total" die Rettung. Trotz spätem Sendeplatz und trotz mäßiger Quote gebe es keine bessere Plattform für junge Künstler, heißt es bei den Plattenlabels. Ein Auftritt hier sei wirkungsvoller als bei "Wetten, dass..?". Und Stefan Raab kultiviert diese Nische...

Brainpool/Andreas Berl3.) ...was zum dritten Erfolgsheimnis führt. "TV Total" ist für Raab und ProSieben eine Spielwiese für neue Ideen. Es entstanden Castings wie "SSDSGPS" ("Stefan sucht den Super-Grand-Prix-Star") oder "SSDSDSSWEMUGABRTLAD" ("Stefan sucht den Superstar, der singen soll, was er möchte und gerne auch bei RTL auftreten darf") oder der Bundesvision Song Contest mit dem Raab in diesem Jahr zum bereits 5. Mal die deutsche Musikszene förderte. Dazu kommen allerlei Sportevents wie die erst an diesem Wochenende wieder ausgetragene "Wok WM" oder die erfolgreichste deutsche Showidee der vergangenen zehn Jahre, "Schlag den Raab". Und mit "Schlag den Star" steht die nächste Raab-Show schon in den Startlöchern.
 
4.) "Es zahlt auf die Marke ein". Eigentlich müsste man für diesen Satz fünf Euro ins Phrasenschwein werfen. Doch wenn man ihn nicht inflationär benutzt, wie es mancher Programmverantwortliche in Deutschland tut, dann hat er durchaus seine Berechtigung. Insbesondere bei "TV Total" und Stefan Raab. Diese Kombi ist der Grundstein des Erfolges von ProSieben in den vergangenen zehn Jahren. Hier entstanden zahlreiche weitere Formate aus denen ProSieben inzwischen einen nicht unerheblichen Anteil des Programms bestreitet. "TV Total" selbst mag da zwar wegen mäßigen Einschaltquoten nur eine einzige Karte im großen ProSieben-Kartenhaus sein. Und doch würde man dessen Einsturz riskieren, wenn man sie rauszieht.

5.) Stefan Raab.