Seine bislang vielleicht größte Bewährungsprobe sparte sich Marc Rasmus bis zum Jahresende auf. Etwas mehr als zwei Jahre nach seinem Amtantritt als Sat.1-Chef brachte Rasmus eine Farbe ins Programm seines Senders zurück – die deutsche Fiction in Form des "Letzten Bullen". Zwei Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer und Marktanteile um zehn Prozent Prozent sowohl bei den 14- bis 49-Jährigen als auch in der erweiterten Kernzielgruppe der 14- bis 59-Jährigen zeugen vom guten Näschen, das Rasmus entwickelt hat, wenn es um den in der Vergangenheit oft arg leiderprobten Privatsender geht.

Sicher, die wunderbare Comedyserie "Frier & Fünfzig" tat sich schon bedeutend schwerer, kam aber eben auch ein ganzes Stück nischiger daher als der Ruhrpott-Ermittler Mick Brisgau, den auch 2025 wieder Henning Baum verkörperte. Doch das Signal ist klar: Fiction kann zum Wachstum beitragen. Und zwar selbst dann, wenn es dafür ungewöhnlicher Partnerschaften bedarf wie jener mit dem Streamingdienst Prime Video, wo "Der letzte Bulle" bereits wenige Wochen zuvor seine Rückkehr feierte. Der Erfolg zeigt, dass sich Free-TV und Streamer nicht zwangsläufig Gegner sein müssen, sondern im Gegenteil sogar gemeinsam eine doppelte Stärke entwickeln können.

Für Rasmus war der Serien-Erfolg der schöne Schlussakkord eines Jahres, an dessen Ende mit ein bisschen Glück das erste Sat.1-Wachstum seit über einem Jahrzehnt stehen könnte. Was möglich ist, ließ sich im August bestaunen: Da gelang Sat.1 das Kunststück, in der Primetime mit einem Marktanteil von 9,2 Prozent in der klassischen Zielgruppe recht klar vor RTL zu landen – erstmals seit 34 Jahren. Dabei half, dass man einige Wochen lang programmlich aus allen Rohren feuerte, unter anderem mit dem "großen Backen", "Hast du Töne?", "99", dem "1% Quiz", einer Neuauflage der "Guinness Show" sowie drei Mal Bundesliga-Fußball und US-Krimis in Erstausstrahlung. Und bereits einige Wochen zuvor hatten mitten im Sommer die U21-EM und die FIFA Klub-WM für ein kleines Quoten-Märchen gesorgt.

Die Erfolge zeigen: Allzu viel Wagemut legt Senderchef Marc Rasmus nicht an den Tag. Doch um sein mantraartig formuliertes Ziel, Sat.1 zu neuer Verlässlichkeit zu verhelfen, erreichen zu können, benötigt der Sender eben vor allem eines: Beständigkeit und Bodenständigkeit.

Was freilich nicht heißt, dass das Programm nicht auch Platz für Neues bietet. So wie die von Banijay produzierte Realityshow "Villa der Versuchung", die mit einem cleveren Konzept dem längst ausgenudelt geglaubten Genre doch noch einmal eine neue Ebene hinzuzufügen vermochte und ganz nebenbei nicht nur im linearen Programm zum schönen Erfolg wurde, sondern sich bei Joyn aus dem Stand als erfolgreichstes Format etablierte. Ohnehin wuchs der hauseigene Streamer in den zurückliegenden Monaten unproportional stark durch Sat.1 – auch, weil die Vorabend-Dailys, allen voran "Die Landarztpraxis", ganzjährig für ein verlässliches Grundrauschen sorgen.

Und auch wenn es immer wieder Rückschläge gibt und Sat.1 freilich weiter ein gutes Stück davon entfernt ist, RTL dauerhaft zu überholen: Unter Marc Rasmus, einem unserer Bildschirmhelden des Jahres, hat der Sender endlich rausgefunden aus dem jahrelangen Krisenstrudel. Den eingeschlagenen Weg wird Sat.1 daher auf absehbare Zeit auch erstmal nicht verlassen. Kein Wunder also, dass das Comeback von "Kommissar Rex" für 2026 bereits angekündigt ist.