Streng genommen hätte es in den vergangenen Jahren viele Gelegenheiten gegeben, um Pierre M. Krause an dieser Stelle als "Bildschirmheld" zu ehren. Alleine schon, weil er es schaffte, das Late-Night-Genre in Deutschland hinweg am Leben zu halten, auch wenn kaum noch einer daran glaubte. Noch dazu trotz eines überschaubaren Budgets, mit dem sich "SWR3 Ring frei!" über fast zwei Jahrzehnte hinweg zur "Pierre M. Krause Show" wandelte und wacker ihren Platz in der Nische behauptete, obwohl sich Krause eigentlich längst den Sprung ins Erste verdient gehabt hätte.

"Ganz dringend" brauche Deutschland eine tägliche Late-Night-Show, erklärte der Moderator noch Mitte 2019 im DWDL.de-interview. Er sagte aber auch: "Das Mediengeschäft ist schnelllebig, das Karussell der Programmverantwortlichen dreht sich durchgehend, die Verlockungen sind verführerisch. Aber: Ich liebe meine Arbeit. Und nichts ist unberechenbarer als die Liebe." Als der SWR zwei Jahre später endgültig die Liebe zur Late-Night-Show verlor und nach mehr als 600 Folgen schließlich entschied, keinen Euro mehr für Krauses Sendung zusammenkratzen zu wollen, machte der einfach weiter – nicht im Late-Night-Studio, sondern allen vorauf auf der "Kurzstrecke".

Alles begann 2017, als Pierre M. Krause seinen früheren TV-Mentor Harald Schmidt auf dem Weg zum VIP-Gate des Frankfurter Flughafens begleitete. Das erstaunlich unglamouröse Spaziergang, glücklicherweise festgehalten von einer Kamera, geriet so unterhaltsam, dass der Halbstünder erst mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet und einige Jahre später in Serie geschickt wurde. Seither hat Krause viele solcher Spaziergänge mit prominenten Weggefährten absolviert und damit einen schönes Format etabliert, das der ARD ziemlich gut zu Gesicht steht – auch wenn (mal wieder) der Sprung auf die ganz große Bühne ausblieb.

Rund ein Jahr lang herrschte zuletzt Funkstille. Mit der "Kurzstrecke", aber auch auf Pierre M. Krauses Social-Media-Kanälen. Seit Ende Oktober weiß man, warum: Der Moderator zeigte sich in den neuen Folgen seiner Sendung auf Krücken und sprach über einen bösartigen Tumor, der sein Leben plötzlich auf den Kopf stellte: "Der musste entfernt werden, sonst wäre ich daran gestorben irgendwann." Die "Reise", die er angetreten habe, sei "ein Höllenritt" gewesen – auch, weil bei der der Behandlung Knochen entfernt werden mussten. Gleichwohl hab er "wirklich Glück" gehabt. "Das hätte auch alles ganz anders ausgehen können."

Die Tatsache, wie Krause in der ersten "Kurzstrecke" seit der langen Auszeit mit dem ProSieben-Moderator Sebastian Pufpaff über seine Erkrankung spricht, ist bemerkenswert. Er tut dies mit einer Mischung aus Offenheit und Humor, wie man sie wahrscheinlich nur beherrscht, wenn man, wie Krause, das Late-Night-Handwerk mit all seinen persönlichen Verwebungen von der Pike auf gelernt hat. Gleichzeitig gelingt es ihm, den schmalen Grat, den das Thema zwangsläufig mit sich bringt, stets zu meistern. "Ich weiß jetzt schon: Wenn das hier veröffentlicht wird, kommt natürlich die erste Talkshow-Einladung, und dann bis du da der Tumor-Überlebende", sagt Krause. Und fügt dann hinzu, dass er genau das nicht möchte.

Wer sich die neue Staffel der "Kurzstrecke" ansieht, bekommt dafür umso mehr einen Eindruck davon, was Pierre M. Krause wirklich will: Gutes Fernsehen machen. Und auch wenn er selbst erkennbar nicht mehr so schnell ist wie früher – im Kopf ist der Moderator glücklicherweise ganz der Alte geblieben, weshalb das Format trotz des Handicaps nichts von der pfeilschnellen Auffassungsgabe seines Gastgebers verloren hat. Ein echter Glücksfall für das deutsche Fernsehen.