Dass ARD und ZDF im Programm mitunter der britischen Großtante nacheifern, nach deren Ebenbild sie einst geformt wurden, ist keine Neuigkeit. Noch relativ neu ist allenfalls, dass die BBC mit ihrer kommerziellen Tochter solche Adaptionen für den deutschen Markt inzwischen eigenhändig herstellt. Als Head of Fiction war die Produzentin Eva Holtmann im Herbst 2023 zum Team der BBC Studios Germany gestoßen. Dieses Jahr hat sie zum ersten Mal abgeliefert – und das gleich doppelt.
Erst kam im März "Ghosts" in die ARD-Mediathek, dann im August "Chabos" zu ZDFneo. Abgesehen davon, dass beide Serien auf britischen Originalen aus dem BBC-Katalog basieren, unterscheiden sie sich in puncto Zielrichtung, Tonalität und Formattreue so stark, dass sie einen guten Einblick in Holtmanns vielfältig angelegte Adaptionsstragie gewähren.
"Dass das Leben für die einen irgendwann erlischt, andere aber auf ewig so konserviert sind, wie sie starben, taugt durchaus als Mahnung auch für diejenigen, die das noch beeinflussen können", schlussfolgerte die "FAZ" in ihrer Serienempfehlung für "Ghosts". Der von Erik Haffner inszenierte und gemeinsam mit Yves Hensel, Aylin Kockler und Claudius Pläging geschriebene Comedy-Sechsteiler hält sich recht eng ans Original, das Holtmann gegenüber DWDL.de "eine der großen Marken im BBC-Universum der letzten Jahre" nannte. Fünf Staffeln in Großbritannien sowie zahlreiche Remakes von Amerika bis Australien haben eine klare Benchmark gesetzt.
Die Geschichte eines jungen Paars, das ein altes Herrenhaus erbt und dieses mit teils Jahrhunderte alten, exzentrischen Geistern teilen muss, ließ die deutsche Fiction-Chefin behutsam an hiesige Gegebenheiten anpassen. Da Pfadfindertum bei uns nicht halb so populär ist wie bei den Briten, fiel die entsprechende Figur weg. Statt eines Offiziers aus dem Zweiten Weltkrieg wählte man lieber einen römischen Legionär, statt eines Tory-Politikers mit heruntergelassener Anzughose einen ebensolchen Versicherungsvertreter. An die unverwechselbare Mechanik des Formats – die Geister können durch Wände gehen, aber keine Menschen oder Objekte anfassen; sie müssen an dem Ort bleiben, wo sie gestorben sind; ihr Aussehen bleibt so wie im Moment des Todes – legte Holtmann klugerweise nicht Hand an. Was die "secret sauce" internationaler Formathits ausmacht, weiß man bei BBC Studios eben seit "Strictly Come Dancing" oder "The Great Bake Off".
Ganz anders das Vorgehen bei "Chabos". Dass man hier viel freier mit der Vorlage umgegangen ist, zeigt schon der deutsche Titel, der sich vom 2019 beim eher nischigen BBC Three angelaufenen "Ladhood" abhebt. "Was vom Originalformat bleibt, ist das schonungslose Coming-of-Age-Motiv und die Erzählung auf zwei Zeitebenen, bei der der Protagonist direkt in die Kamera spricht und seine eigene Vergangenheit kommentiert", erklärte Holtmann im DWDL.de-Interview. Während jedoch der britische Creator und Hauptdarsteller Liam Williams quasi-autobiografische Erlebnisse seines fiktionalisierten Alter Egos erzählte, wählten die deutschen Autoren und Regisseure Arkadij Khaet und Mickey Paatzsch eine andere Storyline: Weil Peppi nicht zum Klassentreffen eingeladen wird, gerät sein Selbstbild ins Wanken. War er wirklich der coole, allseits beliebte Typ, an den er sich erinnert? Bei seiner Rückkehr nach Duisburg, dem Ort seiner Jugend, konfrontieren ihn alte Freunde, Ex-Freundinnen und seine Eltern mit höchst unterschiedlichen Versionen seiner Vergangenheit.
"Chabos" bringe "mit Humor und Selbstironie" die 2000er zurück, lobte "Serienjunkies.de". Durch "schmerzlich-treffende Pointen" werde die Serie zu einer "rohen, schonungslos ehrlichen und direkten Coming-of-Age-Erzählung", befand die "taz". Dafür setzte es Anfang Dezember auf der TeleVisionale in Weimar gleich zwei Auszeichnungen: Khaet und Paatzsch erhielten den MDM-Debütpreis für die beste Nachwuchs-Regiearbeit, das junge Schauspieler-Ensemble den Sonderpreis Serie.
Darüber darf sich auch die Produzentin freuen. Schließlich ist Eva Holtmann 2025 mit "Chabos" und "Ghosts" ein Aufschlag gelungen, der neugierig macht auf mehr. Für 2026 hat sie nicht nur weitere Adaptionen, sondern auch erste lokale Eigenentwicklungen von BBC Studios Germany in Aussicht gestellt.

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