Es gehörte zu den größeren der nicht gerade wenigen Überraschungen eines turbulenten Jahres als vor genau einem Monat die Nachricht von Christoph Schneiders Ausscheiden bei Amazon die Runde machte. Im Unternehmen blieb man wie üblich bei Personalien zurückhaltend schweigsam, bestätigte nur kurz und knapp. Das ist zwar so üblich bei diesem wie vielen anderen großen Tech-Konzernen und doch: völlig unangemessen. Als wäre Schneider für Amazon eine Randnotiz gewesen, obwohl er von den ersten Gehversuchen mit Lovefilm den Aufbau des Streaminggeschäfts in Deutschland maßgeblich geprägt hat.
Man sollte es nicht für möglich halten, dass man dann nach 13 Jahren kurzum vor die Tür gesetzt wird, weil eine neue globale Struktur schlicht und einfach den bisherigen Posten nicht länger vorsieht. Und das ausgerechnet auch noch an jenem Tag, an dem der enorme Erfolg der zweiten Staffel von „Maxton Hall“ erstmals unabhängig von der AGF ausgewiesen wurde. Für Schneider, der neben dem kreativen Team um Programmchef Philip Pratt und natürlich UFA Fiction, den Erfolg für sich verbuchen kann, bittersüß.
Er war die präsente Verbindlichkeit in oft nicht greifbaren Konzernstrukturen und für die Medienbranche in Deutschland das Gesicht von Amazon. Sozusagen die personalisierte Antwort auf die oft geraunten Drohkulisse „der internationalen Streamer“. Noch vor Netflix, die später erst Katja Hofem als oberste Repräsentantin holten, hatte Amazon sich durch Schneider in Deutschland verankert. Zuletzt ging man dabei mit diversen Partnern neue Wege. Ein Grund, warum Christoph Schneider 2025 Bildschirmheld ist.
Ob bei „Der letzte Bulle“ mit Sat.1, bei der Gameshow-Neuauflage „Gladiators“ mit RTL Deutschland oder gerade „Stromberg“ mit ProSieben & Banijay oder „Der Medicus 2“ mit dem ZDF: Den Trend der Hyperdistribution, also immer komplexeren Verwertungsfenstern, reitet Prime Video gerade so intensiv wie kein anderer internationaler Streamer und das mit diversen Partnern; sicher auch wechselndem Erfolg. Eine lokale Strategie für einen internationalen Streamer und ein Beleg für das aufgebaute Vertrauen im deutschen Markt.
Wie wertvoll das über die Jahre war, wird Prime Video noch merken.
Wie auch in anderen Konzernen glaubt man an eine zentralere Steuerung aus den USA. Doch ohne Dolmetscher ist das schwierig. Schneiders wichtigste, wenn gleich unsichtbarste, Aufgabe in all den Jahren bestand im Dolmetschen zwischen formulierten Erwartungen aus den USA und deutschen Gegebenheiten. So etwa die einzigartige Vorliebe der Deutschen für Programmzeitschriften. Kein TV-Markt der Welt verfügt über so eine große Vielfalt und hohe Auflage bei Programmzeitschriften wie Deutschland. Millionenfach liegen sie auf den Couchtischen der Republik - auch im Jahr 2025.
Und dort im Wohnzimmer, wo besonders die Generation Ü50 ihren abendlichen Medienkonsum entscheidet, ist Amazon seit diesem Jahr vertreten. Beim Start eines linearen Senders im April diesen Jahres, der nur über die eigene App verfügbar ist, spielt Reichweite absolut keine Rolle. Der vorrangige Zweck des linearen Angebots ist die entstandene Chance, damit in die Listings von Programmzeitschriften zu kommen - und so für eine bessere Wahrnehmung insbesondere bei der begehrten älteren Zielgruppe zu sorgen.
Denn Schneider machte auch beim Mediengipfel der ANGA COM 2025 keinen Hehl daraus, dass er dort das größte ungehobene Potential sieht. Heben müssen das jetzt andere. Christoph Schneider, der Mann für neues Denken im Streaming 2025, hinterlässt bei seinem plötzlichen Ausscheiden ein gut bestelltes Haus bei Prime Video. Etwas, was man in diesen turbulenten Zeiten nicht besonders oft sagen kann. Das macht ihn zu einem der Bildschirmheldinnen und -helden des Jahres.

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