Dass Sat.1 im Sommer einen Quoten-Höhenflug feiern konnte, hat der Sender nicht nur einer Reihe richtiger Weichenstellungen von Senderchef Marc Rasmus zu verdanken. Einen Anteil am Erfolg hatte auch die U21-Nationalmannschaft, die es bis ins Finale der Europameisterschaft schaffte und dem Privatsender damit mehrfach zu Spitzenwerten verhalf. Insbesondere das Endspiel erwies sich mit weit mehr als sechs Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern sowie fast 50 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe als echter Hit, der dann auch mit einigem Vorsprung den Spitzenplatz unter den meistgesehenen Sat.1-Sendungen des Jahres ergatterte.

Der Erfolg der U21-EM dient gleichzeitig als Beleg für die kluge Sportrechte-Strategie, die ProSiebenSat.1 zuletzt eingeschlagen hat. Während Rechte für Bundesliga oder Champions League längst unerreichbar scheinen (und Konkurrent RTL selbst im Poker um die Europa League jüngst leer ausging), hat man in Unterföhring den Wert von Turnieren für sich entdeckt, bei denen – zumindest in der Theorie – das gesamte Land mitfiebern kann. Selbst die in der öffentlichen Meinung eher unbeliebte neue Klub-Weltmeisterschaft der FIFA sorgte im von Sat.1 eigens ausgerufenen "XXL-Fußball-Sommer" für sehr respektable Zuschauerzahlen.

Der Ausbau der Turnier-Strategie fällt zeitlich zusammen mit dem Wechsel von Gernot Bauer, der lange für Warner Bros. Discovery in Deutschland als Head of Sports tätig war und vor etwas mehr als zwei Jahren bei ProSiebenSat.1 die Nachfolge von Alexander Rösner als "ran"-Sportchef antrat. Mit Blick auf die Zukunft stellte die Sendergruppe unter Bauers Sport-Verantwortung in diesem Jahr wichtige Weichen: So wurde Mitte April bekannt, dass sich ProSiebenSat.1 in den kommenden Jahren umfangreiche Rechte für Welt- und Europameisterschaften im Basketball sicherte – was den Konkurrenten aus Köln, der kurz darauf mit einigem Erfolg die diesjährige WM übertrug, sicher einigermaßen geärgert haben dürfte.

Nur wenige Wochen später dann der nächste Rechte-Coup: Überraschend schnappte ProSiebenSat.1 auch noch ARD und ZDF die Handball-Weltmeisterschaften weg, deren Übertragungen ja bekanntlich stets zu Jahresbeginn ein Garant für hohe Quoten sind. Dass auch die Turniere der Handball-Frauen Teil des Pakets sind, dürfte man im Team um Gernot Bauer vor dem Hintergrund der jüngsten WM-Euphorie, die das deutsche Team bis ins Finale der Heim-WM katapultierte, mit zusätzlicher Genugtuung betrachten.

Henrik Pabst, Chief Content Officer von ProSiebenSat.1, zeigte sich schon am Tag der Verkündung des Handball-Deals zufrieden. "Handball-WM, Basketball-WM, Basketball-EM, Eishockey-WM, Fußball Klub-WM und Bundesliga – wir bieten unseren Zuschauern internationalen und nationalen Spitzensport", sagte er im Mai und machte damit deutlich, wie sehr es seinem Haus gelungen ist, trotz wachsender internationaler Konkurrenz hochkarätige Sportrechte an Land gezogen zu haben. Der Weg, der unter Sportchef Gernot Bauer eingeschlagen wurde, unterscheidet sich dabei spürbar von der RTL-Strategie: Während die Kölner mit der NFL, aber auch mit der 2. Liga den Fokus zuletzt verstärkt auf Liga-Wettbewerbe richteten, die sich über Monate hinweg ziehen, muss es ProSiebenSat.1 gelingen, innerhalb weniger Wochen mit den Turnieren für Begeisterung zu sorgen.

Das ist Chance und Risiko zugleich. Risiko, weil ein frühes Ausscheiden deutscher Mannschaften für ein jähes Ende des Quotenglücks sorgt – wie in diesem Jahr, als für die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft bereits nach der WM-Vorrunde Schluss war. Doch die U21-EM hat kurz darauf eindrucksvoll gezeigt, was möglich ist, wenn's richtig gut läuft. Ganz zu schweigen von den Erfolgen, die anderswo zuletzt mit der Handball-WM der Frauen oder dem EM-Triumph der Basketballer verzeichnet wurden. Über Quoten-Hits dieser Art wird man in Unterföhring künftig im Idealfall häufiger jubeln können. Dank eines klugen Weitblicks, den das Sport-Team um Gernot Bauer unter Beweis gestellt hat.