Am kommenden Montag machen die Gewinner (und Verlierer) der 67th Primetime Emmy Awards weltweit Schlagzeilen. Das neue Serien-Zeitalter lässt Fans guter Fernsehunterhaltung aus aller Welt mit ihren Lieblingsserien fiebern, wenn diese in Los Angeles um die Emmys in den wichtigsten Königskategorien kämpfen. Über die Ergebnisse eines sehr komplexen Votings werden Fans, Journalisten und die Branche wieder intensiv diskutieren. Um jedoch manche Entscheidung zu verstehen, die in der Nacht zum Montag im Micorosoft Theatre in Downtown Los Angeles bekanntgegeben wird, hilft es, das System hinter den Primetime Emmys und der Television Academy zu verstehen. DWDL.de widmet sich dieser Aufklärung seit Jahren und lieferte auch in diesem Jahr bereits einen Überblick über das Votingverfahren sowie die Änderungen am Kategoriensystem der diesjährigen Primetime Emmys.

Angesichts des zunächst einmal gescheiterten Deutschen Fernsehpreises erscheint aus der Perspektive der deutschen Regionalliga die Verleihung in Los Angeles oftmals als Champions League unter den Branchenpreisen. Geschwärmt wird dabei in aller erster Linie vom Model der Television Academy, das in Deutschland von der Deutschen Akademie für Fernsehen seit Jahren mehr schlecht als recht adaptiert wird. Die bestechende Idee: Keine Jury sondern die Masse der kompetenten Mitglieder einer Akademie mit immerhin 28 verschiedenen Sektionen für die diversen Handwerke im TV-Geschäft entscheiden über Nominierungen und Preisvergabe. Doch was den 67th Primetime Emmys damit zweifelsohne eine sehr breite Basis und entsprechend große Bedeutung der Entscheidungen beschert, ist auch zunehmend der Anlass für scharfe Kritik aus der US-Fernsehbranche. Selbst der „Hollywood Reporter“ schwärmte schon davon, wie viel besser eine Jury-Entscheidung sein könnte.

Verkehrte Welt: Während wir in Deutschland den Jury-Preisen oftmals skeptisch gegenüber stehen und ein Akademie-Modell so gerne adaptieren würden, hadert man in den USA mit dem traditionsreichen System. Warum? Weil es furchtbar träge ist. Die Auszeichnungen der vergangenen Jahre sind nicht weg zu diskutierende Belege eines reaktionären Fernsehpreises, der sich mit Innovationen schwer tut und zu oft beendeten Produktionen noch zahlreiche Auszeichnungen hinterher wirft. Noch dazu tut sich die Masse schwerer mit eher spitzen Themen und Genres. Was fehlt ist der Diskurs einer Jury. Über die Branchenmedien wird natürlich monatelang über mögliche Nominierungen, die tatsächlichen Nominierungen, mögliche Gewinner und die tatsächlichen Gewinner debattiert.

Doch das intensive Abwägen, Ringen und Debattieren einer Jury über Preisentscheidungen entfällt beim Akademie-System. So werden neue Serien oftmals erst im zweiten Jahr berücksichtigt - weil manche Produktion schlicht noch nicht bei der Masse der Mitglieder der Television Academy angekommen ist. Umgekehrt erkläre das, so die Kritik an den Emmys, auch so manchen nachträglich verliehenen Preis für bereits beendete Serien. Die Weisheit der Vielen ist träge und bleibt gerne im Mainstream. Auch wenn „Game of Thrones“ zahlreiche Emmys in Handwerkskategorien erhielt, so hat die Summe der Academy-Mitglieder der HBO-Serie bislang Auszeichnungen in den Königskategorien verwehrt - trotz unzähliger Nominierungen. Netflix wurde im vergangenen Jahr trotz durchaus guter Produktionen („Derek“, „House of Cards“ und „Orange is the new black“) weitgehend links liegen gelassen. Die US-Fachpresse scherzte schon, ob die Mitglieder der Television Academy überhaupt wüssten, was Netflix sei.

„Modern Family“ hat 2014 zum fünften Mal in Folge den Emmy als beste Comedy-Serie gewonnen. Eine sehr konservative Entscheidung, urteilte nicht nur die US-Presse. Es ist beinahe ein Running Gag, dass sich die Primetime Emmys Jahr für Jahr anfühlen als wäre man auf der Verleihung vom vergangenen Jahr. „The Emmys should recognize the best and most important work on television, not the safest and most familiar“, schrieb der „Hollywood Reporter“ im vergangenen Jahr dazu. Aber selbst wenn in diesem Jahr zum Beispiel endlich ein Emmy für „Game of Thrones“ drin wäre - so wäre das einerseits ein kleiner Schritt nach vorne. Andererseits aber erst nach der fünften Staffeln einer Serie - und so mancher wird auch das schon wieder als zu rückwärtsgewandt empfinden. So oder so ist die wichtigste Erkenntnis aus deutscher Perspektive: Eine pure Lobhudelei auf die Emmys würde die deutliche Kritik der US-Branche missachten.