Herr Wiese, Herr Bujar, weiß eigentlich in der ARD jemand was sie in den vergangenen Wochen hier vorbereitet haben?

Carsten Wiese: Auch innerhalb der ARD fragen sich viele, was wir machen werden, weil wir uns bewusst nach außen zurückhalten mit Informationen und die Sendung entwickeln. Aber man lässt uns machen. Wir verstoßen gegen sämtliche Regeln dabei, auch was Design und Farbwelten angeht, weil die Sendung in allem die Persönlichkeit von Thomas Gottschalk abbilden soll. Und: Wir folgen einem Gefühl.

Und was dann dabei raus kommt, sehen wir zwar bald, aber was wird es denn nun sein? Ein Magazin, ein Talk, ein Kessel Buntes?

Carsten Wiese: Ein bisschen was von allem. (lacht) Thomas schaut sich den Tag und seine Themen an. Er wird kommentieren und mit Menschen sprechen, die ihn interessieren, die er „auf der Zunge zergehen lassen“ will. Unsere Themenlage wird natürlich nicht deckungsgleich sein mit der der „Süddeutschen“. Viel mehr geht es um das, was Thomas selbst umtreibt, was ihn bewegt und beschäftigt, was ihm aufgefallen ist. Nur eines bleibt er garantiert nicht: Neutral und ohne eigene Meinung.

Bei einer Sendung ganz nach Gottschalks Laune kann die Redaktion ja alle Vorbereitungen regelmäßig über den Haufen werfen...

Jens Bujar: Das macht den Reiz einer jeden aktuellen Sendung aus. Unser Ansatz ist: Wenn die Zuschauer jemandem zuhören, dann ist es Thomas Gottschalk. Wir möchte eine Sendung der Mitte machen und holen dafür den Boulevard nach oben und schieben das Feuilleton etwas nach unten.

Carsten Wiese: Es wäre vermessen zu sagen, wir erfinden etwas völlig Neues – das tun wir ganz sicher nicht. Aber vielleicht wird in der Sendung etwas passieren, was wir in dieser Form im deutschen Fernsehen noch nicht hatten. Wir haben mit Thomas Gottschalk einen Moderator, der für etwas steht. In sämtlichen Talkrunden werden heute doch schön ausgewogen drei Pros und drei Contras hingesetzt, damit alles möglichst ausgewogen ist. Gottschalk ist da anders. Er wird zeigen, was er von vielen Dingen hält. Das ist eine Rolle, in die auch er sich natürlich erst langsam hereinfinden muss und wird.

Dann müssen der WDR und die WDR-Justiziare ja gut gewappnet sein, wenn Gottschalk frei nach Schnauze redet...

Carsten Wiese: Man kann über den WDR und die ARD viel sagen, aber aushalten tun wir schon etwas. Ich habe im vergangenen Jahr neben „Menschen bei Maischberger“ auch die Kabarettsendung „Mitternachtsspitzen“ beim WDR betreut: da ist man es gewohnt, sich immer wieder gegen Proteste und Angriffe aufstellen zu müssen, sei es von der Kirche, der Politik usw.. Wir haben Thomas versichert, dass wir ihm den Rücken freihalten werden. Er hat diesbezüglich völlige Freiheit.

Jens Bujar: Thomas wird aber wohl kaum mit der Staatsanwaltschaft aneinandergeraten, wenn er was sagt. Aber heute ist es ja schon spektakulär, wenn einer überhaupt eine Meinung hat – die muss noch nicht mal besonders dramatisch und radikal sein. Wir hoffen allerdings, dass eine angeregte Diskussion entsteht – sowohl mit Zuschauern als auch mit der offenen Redaktion. Da können auch lustige Situationen entstehen, wenn Gottschalk eine Redakteurin nach David Guetta fragt und sie ihm erklärt, dass Status Quo halt seit ungefähr 38 Jahren nicht mehr auf dem ersten Platz der Charts lag. Diesen Generationen-Konflikt, der täglich in deutschen Wohnzimmern stattfindet, werden wir ganz sicher auch erleben.

Und welche Themen haben Sie im Blick?

Jens Bujar: Die Spielarten bei „Gottschalk live“ sind ganz vielfältig. Wenn ein Empfang im Schloss Bellevue war, laden wir einen der Gäste des Bundespräsidenten ein, um mit ihm Wulffs Handschlag zu analysieren. War er locker? Hatte er schwitzige Hände? Uns wäre an einem solchen Tag auch egal, was Wulff gesagt hat, sondern wir würden uns dem Thema emotional zuwenden.

Carsten Wiese: Wenn Didi Hallervorden Schlagzeilen wegen angeblichen Rassimusses am Hals hat, weil er einen Weißen als Schwarzen schminkt und mit ihm auf die Bühne geht, dann ist das ein Thema. Das muss man aber nicht am gleichen Tag besprechen. Wenn aber Hape Kerkeling seinen Facebook-Account nach einem Positiv-Kommentar zu Bundespräsident Wulff nachmittags komplett abschaltet, können und werden wir das natürlich drei Stunden später thematisieren.