Herr Meyer, Sie sind seit genau 20 Jahren für Sat.1 tätig – in einer Ehe wäre das die Porzellan-Hochzeit. Was schenken Sie und Sat.1 sich denn gegenseitig?

Ich bekomme am Donnerstag eine wunderbare Festivität, von der ich nichts Näheres wissen darf. Das halte ich für eine sehr schöne Verbeugung. Dieser Abend markiert nicht nur den Jahrestag, sondern auch den Umzug meiner Produktionsfirma in den Berliner Osthafen. 20 Jahre für ein und denselben Sender im sichtbaren Bereich tätig gewesen zu sein, ist inzwischen eine Seltenheit geworden – aber ich bin eher ein treuer Typ, ich springe nicht gerne von A nach B und C, sondern bleibe gerne dort, wo ich mich wohl fühle und habe auch nicht das Gefühl, etwas zu vermissen. Das liegt auch daran, dass ich im Laufe der Jahre so viele verschiedene Projekte realisieren konnte.

Stichwort Treue: Als wir uns erstmals getroffen haben, haben Sie betont, dass das Fernsehgeschäft ein People Business sei. Dafür mussten Sie sich aber an viele Geschäftsführer bei Sat.1 gewöhnen. Wissen Sie noch, wie viele das waren?

Das kann man gar nicht mehr zählen. Da müsste man mal den Sender-Stammbaum heraussuchen. Der Sender und ich sind in den vielen Jahren – auch gerade, wenn sie krisenbehaftet waren – gemeinsam vorangeschritten. Aber natürlich stellt jeder Sender seine Köpfe immer wieder mal auf den Prüfstand und fragt sich, ob die Altvorderen noch sein müssen. Aber wir sind immer noch da. Eine bessere Verbeugung unserer Sendung gegenüber kann ich mir eigentlich gar nicht vorstellen.

Sat.1 besitzt derzeit ohnehin nicht allzu viele lang etablierte Marken – in erster Linie das Frühstücksfernsehen und Sie. Gerade in Zeiten von Turbulenzen kann ein Anker im Programm ja nicht schaden...

In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Gefechtslage auf dem Fernsehmarkt dramatisch gewandelt. Insofern ist es klar, dass es eine ständige Bewegung gibt – und was kann es da Schöneres geben, als in einer solchen Situation eine Art Brückenpfeiler zu sein?

Aber ein Brückenpfeiler allein...

Ein einzelner Pfeiler hat natürlich viel zu tragen. Je nach Konstruktion ist es eventuell doch günstiger, wenn noch andere festhalten. Diese Überlegung muss der Sender immer wieder haben. Aber sehen wir nicht schwarz: Der Sender hat starke Programmmarken, am Nachmittag etwa Köpfe wie Hold oder Kallwass. Das mag zwar alles ein wenig in die Jahre gekommen sein, besitzt aber trotzdem nach wie vor viel Zuschauernähe. Auch im Comedy-Bereich gibt es von Engelke bis Pastewka Aushängeschilder, die prägend für den Sender sind. Solche Gesichter braucht ein Sender. Ich wundere mich hin und wieder, dass man mit Schauspielern versucht, ein Senderimage zu pflegen, und sich dann wundert, dass es nicht funktioniert, weil Schauspieler gezwungenermaßen auch Rollen anderer Sender annehmen müssen und so meist nicht unverwechselbar für einen Sender stehen.

Aber man hat ja bei Sat.1 durchaus versucht, Moderatoren aufzubauen oder rüberzuholen...

Moderatoren aufbauen ist die eine Geschichte – man kann ihnen eine Spielfläche geben und sie PR-technisch unterstützen. Wesentlich ist allerdings das Verhältnis zum Zuschauer. Wenn der sagt, es ist zwar nett anzuschauen, aber ich brauche es eigentlich nicht so wirklich, dann wird es richtig problematisch, erst recht, wo doch das Verhältnis zum Zuschauer dauerhaft sein soll. Das kann man nicht mit mehr Werbung und PR erzwingen. Wir als Team, ich als Moderator - wir müssen den Zuschauer gewinnen, nicht der Sender. Und dann müssen wir zuhören, worauf der Zuschauer wie reagiert.

Und deshalb sind Sie auch weg von „Reporter decken auf“ hin zu Verbraucherthemen gewechselt?

Wenn wir bei „Reporter decken auf“ geblieben wären, hätten wir das wahrscheinlich nicht mehr finanzieren können – und dann dürfte man durchaus die Frage stellen, ob es die Sendung heute noch gäbe. Aber Sie haben vollkommen recht: Durch die Verbraucherthemen ist die Nähe zum Zuschauer deutlich geworden. Es dauert natürlich immer ein wenig, bis man ernten kann, aber wir haben noch nie so viele positive Rückmeldungen bekommen wie in den vergangenen vier, fünf Jahren, seit wir die Kurskorrektur vorgenommen haben.

Kann sich das Privatfernsehen investigative und damit auch teure Formate noch leisten?

Das kann es nicht mehr. Das ist aber nicht nur ein Problem des Privatfernsehens, sondern eigentlich geht es um die Frage: Wo steht Journalismus heute? Wo finde ich noch die Inhalte, die mich vor 40 Jahren dazu gebracht haben, mein Taschengeld für den „Spiegel“ auszugeben? Wenn ich mich mit Nachrichtensendungen verschiedener Couleur befasse, sehe ich so viele handwerkliche Fehler – angefangen von schlechtem Deutsch bis hin zum Offenbleiben entscheidender Fragen. Wenn ich mir dann noch überlege, wohin ARD und ZDF ihre ohne Zweifel oft großartigen journalistischen Produktionen schieben, merke ich, wie wenig liebevoll die heute behandelt werden. Allerdings ist die Zuwendung zum Zuschauer, die jahrzehntelang gar nicht in den Köpfen der öffentlich-rechtlichen Programmmacher drin war, allmählich im Kommen, wie man an den so eindrucksvoll erfolgreichen „Markenchecks“ im Ersten sehen kann.