Ich mache Schluss. Es geht nicht mehr. Ich habe jetzt in der Summe weit mehr als einen halben Tag meines Lebens mit dem Anschauen von „Promi Big Brother“ verbracht. Ich musste das tun. Ich will ja professionell mitreden, wenn es um den aktuellen Stand des deutschen Fernsehens geht. Aber jetzt ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr zusehen, wie ein deutscher Fernsehsender kreativen Selbstmord verübt. Ich würde gerne jemanden zu Hilfe rufen. Aber ich weiß nicht wen. Ich fürchte fast, diesem Sender ist ohnehin nicht mehr zu helfen. Sat.1 ist showtechnisch möglicherweise längst tot und innerlich völlig verrottet, weiß es nur noch nicht. Niemand hat es denen in München gesagt, deshalb reiten sie einfach weiter.

Wäre ich Anwalt, würde ich vielleicht eine Unterlassungsverfügung schicken. Die müsste Sat.1 unterschreiben und damit geloben, nicht länger alle Qualitätsgebote, die das deutsche Privatfernsehen in den letzten zehn Jahren stillschweigend erlassen hat, zu ignorieren. Widrigenfalls droht der Abstieg aus der ersten Liga. Nein, das wäre zu schwach. Der Abstieg droht nicht, der Abstieg hat längst stattgefunden. Sat.1 ist das neue RTL II. Alles, was man Jochen Starkes Kanal aus alter Gewohnheit zu Recht oder Unrecht an Schlechtigkeit attestiert, gilt inzwischen für den Sender mit dem bunten Ball. Sat.1 mit „Promi Big Brother“ ist ein klarer Verstoß gegen die Menschenwürde. Gegen meine Menschenwürde. Ich bin als Kritiker einiges gewöhnt, ich habe mehrfach Frauke Ludowig angeschaut und die „Lindenstraße“ überlebt, ich bin also gestählt. Aber nun kapituliere ich.

Zu Beginn von „Promi Big Brother“ war ich noch unentschlossen. Natürlich machte sich Fassungslosigkeit breit über das, was ich sah. Aber ich hielt das alles für Absicht. Die werden schon wissen, was sie tun, dachte ich und hoffte darauf, dass sich mir die Genialität eines Dilettantismus vortäuschenden Konzepts schon noch erschließen werde. Ich hielt es für Kunst, dass die Kameras nur selten Bilder einfangen, die von irgendeiner Wirkung sind. Ich hielt es für Intention, dass selten zu verstehen ist, was die Menschen da drinnen sagen. Besonders wenn mehrere reden, ergibt sich daraus rasch eine Art Kakophonie. Nicht dass ich sonderlich interessiert wäre an den Verbalausdünstungen der Insassen, aber ich dachte früher schon, dass erst der gute Ton die Musik macht. Alter Depp ich.

Ich dachte früher aber auch, dass es bei solch einer televisionären Sicherheitsverwahrung darum geht, den einzelnen Typen im Karton eine Rolle zuzuweisen, also aus dem vorhandenen Material packende Geschichten zu formen, etwas das über das bloße Spiegeln von Zickereien, das Zeigen von blanken Busen, blödsinniges Publikumsanklatschen, Kampfrauchen und endlose Wasserspiele hinausgeht. So etwas geht, ich habe das alles schon gesehen. Bei früheren BB-Staffeln und auch im Dschungelcamp. Das geht. Man muss es allerdings auch können.

Ich dachte auch, dass man Moderatoren nicht sich selbst überlassen darf, dass es nicht reicht, ihnen Stichworte auf Kärtchen zu schreiben und dann mit der Intuition der Kärtchenhalter zu rechnen. Ich dachte, dass es vielleicht sinnvoll sein könnte, wenn man auch für die Moderatoren differenzierte Rollenbilder entwirft, die über das bloße Ich-dick-du-doof und „Hast du Notdurft?“ hinausgehen. Wie naiv ich war.

Ich dachte gleichfalls, dass man Einspielfilme mit ein bisschen Witz kurzweilig gestalten könnte, dass man sie keinesfalls runterleiern dürfe wie Psalme im Konfirmationsunterricht. Ich dachte, ich dachte, ich dachte. Wie naiv ich doch war.

Natürlich wird nicht jeder mit meinen Worten übereinstimmen, und mancher brächte mich sicher gern zum Schweigen. Menschen, die Spaß an purem Dilettantismus haben und gerne feuchte Bitch-Fights sehen, dürfen dies gerne in den Kommentaren freundlich und gepflegt kundtun. Aber, Vorsicht, die ultimativen Worte dazu hat Natalia bereits gesprochen: „Zügel deine Worte, verdammte Scheiße!“ Das zu unterbieten, dürfte schwer sein, aber ich bin mir fast sicher, dass in der Produktionsmannschaft der Sendung der eine oder andere mit Potential in diese Richtung arbeitet.

Ganz offensichtlich hat man bei Sat.1 und bei der Produktionsfirma Endemol nämlich vor der Produktion alle Mitarbeiter ausfindig gemacht, die sich mit solch einem Format auskennen. Man hat im zweiten Zug jene ausgewählt, die ein bisschen Erfahrung mit Menschen-In-Kisten-Experimenten und deren medialer Aufbereitung haben. Zusätzlich hat man noch jene Mitarbeiter gesucht, die Ideen anzubieten hatten. Dazu kamen dann noch ein paar Menschen mit Mittlerer Reife. Diese Menschen hat man auf einer langen Liste vermerkt - und dann alle rausgeworfen.

Ersetzt wurden sie durch fachfremde Gestalten. Die sollten als Eignungstest einen Eimer Wasser umkippen. All jene, die dabei versagten, wurden für die Produktion von „Promi Big Brother“ engagiert. Und genauso sieht dieses Format jetzt aus.