Gelegentlich denke ich, dass das deutsche Fernsehen nach „Helden“ viel bescheuerter nicht werden kann. Und dann kommt eine Woche wie die vergangene, die mich eines Besseren belehrt. Sie demonstriert mir die Belanglosigkeit des Gebotenen, die Arroganz komplett einfallsloser Macher und die Behäbigkeit der Dinosaurier. Ich stelle mir dann automatisch vor, wie ganz, ganz früher jemand vor diesen riesigen Tieren gestanden hat, die einfach nur da waren, den Raum vollmachten und alles zertrampelten, was nach frischem Grün aussah. Er hat diese Monster dann angestarrt und seiner Verzweiflung in einem lauten Schrei Luft gemacht: „Könnt ihr nicht endlich mal sterben?“

Dieser Jemand könnte ich gewesen sein, wenn ich denn damals schon gelebt hätte, was manche Kommentatoren, ich nehme denen jetzt mal die Pointe weg, bislang natürlich fest angenommen haben. Genau solche Dinosaurier bevölkern derzeit das deutsche Fernsehen. Es sind sehr viele, sie machen das Fernsehen voll, und sie wollen einfach nicht weggehen. Sie sind einfallslos, aber sie klammern sich an ihren Job, als wäre er alles, was sie haben. Leider haben die meisten es tatsächlich bitter nötig. Nicht fürs Geld. Sie brauchen das Rotlicht für ihr Ego.

Ich blicke zurück auf eine Woche, die eingerahmt wurde von Joko und Klaas. Die lieferten das Ereignis der Woche, als sie sich gemeinsam mit Matthias Schweighöfer die Kante gaben und in zehn Minuten so viele Kurze kippten, dass sie danach nur noch lallen konnten. Der Inhalt ihrer Show hat unter dem Fast-Koma nicht wesentlich gelitten. Das Schlimme war dabei nicht die Tatsache, dass sich ob dieses Exzesses keiner der üblichen Berufsaufreger echauffierte. Das Schlimme war, dass die kleine Einlage wirklich lustig wirkte, dass dieses ganz kurze Stück grenzenloser Albernheit im Prinzip schon das Beste war, was die Fernsehwoche zu bieten hatte. Noch schlimmer: Auf Platz zwei landen auch Joko und Klaas mit ihrer Samstagsshow, mit ihren nach Kapstadt oder Neuseeland verlegten Demütigungen. Joko und Klaas, die einzig ernst zu nehmenden Moderatoren unter 40, tun sich weh, bringen sich gegenseitig zum Kotzen oder lassen sich den Mund zunähen, während alle außer den Unter-16-Jährigen dabei zuschauen dürfen. Das ist der Showgipfel in Deutschland, eine Erhebung, gegen die jede Niederrhein-Wölbung wie ein 4000er wirkt.

Joko und Klaas sind die Sieger, weil der Rest so unfassbar erbärmlich daherkommt. Diese immer gleichen Jauch-Pocher-Pseudoquiz-Shows mit irgendwelchen Prominenten, der Wiederaufguss von „The Voice“ mit ein paar neuen Gesichtern, die 387. Kai-Pflaume-Show, die ewige Supertalentsuche im Bohlen-Sender, das ist so unglaublich einfallslos, so frei von jedem Ehrgeiz. Dazu kommt als besonders erschütternde Erscheinung diese ARD-Hybris, in der Woche zwei nach „Helden“ einen unübersichtlichen Kindergeburtstag mit Seniorenbeteiligung als „Die Show der unglaublichen Helden“ zu verkaufen, nicht zu vergessen diese komplett unnötige mediale Wiederauferstehung von Johannes B. Kerner, der zunehmend einem schlimmen Husten gleicht, der nicht mehr weggehen will. Der bleibt. So wie alle anderen auch.

Es sind diese von der Denke und vom Habitus Alten, diese Immerschondagewesenen, die seit mindestens einem Jahrzehnt das Fernsehen verstopfen, die vor allem aufpassen, dass neben ihnen kein zartes Grün groß wird. Nachwuchs? Wird ganz schnell weggebissen. Wird allenfalls in den Dritten erlaubt. Oder besser noch, in den Digitalkanälen versteckt. Dort werden alle, die geistig unter hundert sind, so lange kaserniert, bis ihnen auch der letzte kreative Gedanke ausgeht. Erst dann haben sie Hoffnung auf Aufnahme in den erlauchten Kreis der Dinosaurier.

Ungewollt hat übrigens RTL mit „Helden“ all diesen Dinos einen Riesendienst erwiesen. Die Kölner haben mit ihrem Filmkatastrophe gewordenen Katastrophenfilm die Latte dermaßen tief gelegt, dass auch der lahmste Hüpfer ohne Anstrengung drüber kommt. Man sah das sehr schön beim Comedypreis, wo gefühlt jeder zweite Laudator auf „Helden“ eindrosch, wohl wissend, dass so etwas prima ablenkt vom eigenen Versagen.

Bevor jetzt alle mit mir in die kollektive Depression verfallen, sei auf einen Hoffnungsschimmer hingewiesen. Es gibt Licht am Ende des Tunnels, und es ist nicht der entgegenkommende Zug. Die Hoffnung heißt Publikum. Das kann man oft schelten für seinen Herdentrieb, es kann aber auch zwischendrin sehr klug entscheiden. Man muss das nicht die Weisheit der Masse nennen, es reicht, wenn man sich einfach nur freut beim Lesen der Quoten. Ich stelle mir dann vor, wie ein ARD-Hierarch am Morgen nach Opdenhövels komplett gefloppter „Helden“-Show auf die miserablen Zahlen blickt und für einen kurzen Moment der Wahrheit merkt: „Ich kann es nicht.“ Er wird diese Erkenntnis natürlich rasch verdrängen und die Schuld der Konkurrenz zuschieben, dem Wetter oder der Polschmelze, also allen außer sich selbst.

Trotzdem dürfte da so etwas wie Schmerz bleiben. Es ist nun an den Zuschauern, all jenen Wiederholungstätern diesen durch Nichtbeachtung ausgelösten Schmerz immer wieder zuzufügen. So lange, bis die Dinosaurier in die Knie gehen, bis das Kartenhaus der Etablierten zusammenkracht. Wenn alles gut läuft und am Ende nur noch Johannes B. Kerner als Last Man Standing durch die Trümmer irrt, ist endlich Platz für etwas Neues. Dann kommt sie, die Zeit für eine neue Generation, dann ist Platz für die echten Helden, für jene aus den Digitalkanälen. Macht euch bereit, ihr jungen Helden.