Ich stand kürzlich mal vor einem Zeitschriftenregal. Für die Jüngeren muss man das erklären. Es gibt da draußen in der alten Welt Räumlichkeiten, in denen man ein bisschen von dem bekommt, was das Internet im Überfluss vorhält. Es wird allerdings nicht auf extrem scharfen Displays präsentiert, sondern eher mit diffus aufgetragener Farbe auf den Restbeständen toter Bäume. Es sind die Zeugnisse einer längst verstorbenen Industrie, die nicht wahrhaben will, dass sie bereits Legende ist, die munter weiter produziert, als wäre nichts geschehen. 

Sie hat allen Grund dazu, denn es gibt immer noch ein paar versprengte Käufer ihrer Produkte. Die erwerben sie, weil sie es immer schon getan haben. Warum sie es weiter tun, wissen sie nicht wirklich, aber schafft man Überkommenes ab, nur weil man es als komplett sinnlos erkannt hat? Ich bitte Sie. Es gibt ARD und ZDF und völlig überteuerte Fußball-Trikots und Obstmatsch in Flaschen, der nun Smoothie heißt.

Es werden zwar täglich weniger Käufer, die sich den plattgewalzten und auf Hochglanz getrimmten Bäumlichkeiten widmen, aber es gibt sie. Sie legen sich sogenannte Zeitschriften auf den Wohnzimmertisch und blättern drin, wenn sie mal nicht nur zappen wollen. Das ist okay. Wir sind ein freies Land. Hier darf jeder tun, was ich will. Oder so ähnlich.

Viel interessanter erscheint mir, was die Totholzhändler von ihren Kunden halten. Man kann das erkennen, wenn man mal jene Zeitschriften vergleicht, die für sich reklamieren, einen Überblick über das Fernsehprogramm zu bieten. Dass sie das in den meisten Fällen nicht tun, wissen sie sehr wohl, aber da sie ihre Kunden in eine Art Gewöhnungsstarre versetzt haben, machen sie sich nicht allzu viele Sorgen. Bis zur übernächsten Bilanz werden die Gewinne noch reichen. Notfalls legt man eben zwei bis drei der Publikationen zusammen und bietet denselben Inhalt unter mehreren verschiedenen Namen an.

Mir scheint indes, dass die Namen der Publikationen das einzige sind, was sie noch unterscheidet. Der Inhalt ist im wahrsten Wortsinn Programm. Ein bisschen drumherum, fertig ist die televisionäre Laube, eine Insel der Glücksseligkeit in Zeiten des dinglich Vergänglichen. 

Die Diagnose, dass die Herausgeber der TV-Zeitschriften nicht sehr viel vom Intellekt ihrer Käufer halten, ergibt sich für mich vor allem aus den Titelblättern. Die sind immer blond. Also, die dort abgebildeten Frauen sind immer blond. Außer sie heißen Guido Maria Kretschmer. Dann dürfen sie auch mal dunkel tragen. Männer sucht man auf den Titelblättern vergeblich. Wo sind eigentlich Gleichstellungsbeauftragte, wenn man sie am nötigsten braucht?

Alle Jubeljahre ist aber doch ein wenig Schattierung im Blond erlaubt, hier und da ist dann sogar ein Hauch von Brünettem zu entdecken, was aber nicht überdeckt, dass blond dominiert. Wobei reines blond eh kaum vorkommt, es ist eher eine geschönte Version von blond. Ich vermute, dass kaum eine der auf TV-Blond abgebildeten Schauspielerinnen sich jemals wieder erkennen würde. Sie treten auf den Titelblättern nämlich gänzlich faltenlos an. Die Haare sind fast immer lang und wallend, außer vielleicht bei Guido Maria. Niemand sieht so aus. Im Prinzip sind das Cyborgs, denen die Gesichter von Celebritäten aufgetackert wurden.

Ganz offenbar hat es mal eine Marktforschung gegeben, und die hat gesagt, dass Menschen keine TV-Zeitschriften mehr kaufen, auf denen keine blonden Frauen zu sehen sind. Man will halt nicht eine ganze Woche lang auf irgendwelche Knitterfaces blicken, wenn man sich auf der Fernsehcouch lümmelt. Man will es blond, angenehm und abwaschbar. 

Der Verdacht, die Verlage würden mit Erotik ködern, löst sich allerdings ultraschnell in Wohlgefallen auf. Irgendwelche Gefühle lösen diese Bilder nicht aus. Bei niemandem. Sie sind eher Benutzeroberfläche. Sie markieren das größtmögliche Nichts in möglichst angenehmer Anmutung.

Diese Titelbilder erinnern mich an Radiosender, die nicht darauf aus sind, mit gutem Programm zu glänzen, sondern denen es vor allem darum geht, nicht weiter aufzufallen, vor allem darum, nicht weiter zu stören. Wer stört, wird weggeschaltet. Also veranstalten alle dasselbe Programm, behaupten, sie hätten den besten Mix, und die Moderatoren jammern montags darüber, dass die Woche angefangen hat und kriegen sich freitags gar nicht mehr ein, weil doch das Wochenende naht und sie den Countdown zur kleinen großen Freiheit ansagen dürfen. Was halt so bleibt, wenn die Berater weiterziehen.

TV Blond ist wie Radio ist wie so manches Nachrichtenmagazin in elektrischer Form. Auch dort geht es nicht mehr um Nachrichten, es geht nur noch darum, die Menschen bei der Stange zu halten, also in regelmäßigen Abständen etwas zu liefern, was wie Aufregung klingt, in Wahrheit aber nur gepflegte Sensationssimulation ist, die erzeugt wurde, um in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Klicks zu generieren.

Wer braucht also noch TV-Zeitschriften, wenn alle immer blond sind? Die Antwort erspare ich mir, denn die wahre Antwort wird der Markt über die nächsten Jahre geben. TV-Zeitschriften, die vorne drauf immer nur blond sind und sich innen drin genauso geben, werden schneller aussterben als sie selbst es annehmen. Und das Schönste: Es ist nicht schade drum.