Als die Rechte an den Olympischen Spielen kürzlich an Discovery gingen, reagierte man im öffentlich-rechtlichen Lager verschnupft bis beleidigt. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Verkauf ohne große Verhandlung auch damit zu tun gehabt haben könnte, dass die neuen Erwerber sich willfähriger gegenüber dem Rechteverteiler gezeigt haben könnten. Einen eigenen Olympiakanal? Ja, gerne. Machen wir. ARD und ZDF können so etwas nicht, erst recht nicht auf Abruf aus dem Hut zaubern. Sie fühlen sich vernachlässigt und schmollen jetzt erst einmal.

Die Rechteinhaber verweisen darauf, dass auf jeden Fall eine erkleckliche Anzahl von Sportberichtsstunden frei empfangbar sein müsse. Wo das laufen soll, sagen sie allerdings nicht. Es könnte also durchaus sein, dass der 100-Meter-Lauf privat absolviert wird und für ARD und ZDF die rhythmische Sportgymnastik bleibt.

Ich bin dankbar für diese Vorgänge, denn sie werfen endlich mal wieder ein Licht auf die Frage, ob Sportberichterstattung im Fernsehen wirklich zur Grundversorgung gehört. Gibt es ein Menschenrecht auf das 100-Meter-Finale? Oder weiter gefragt: Gibt es ein Zuschauerrecht auf Bundesliga in ARD und ZDF?

Ich freue mich auf die Diskussionen, die demnächst wieder entbrennen werden, wenn die Fußballer neue Honorarvorstellungen in die Debatte werfen. Ist es vorstellbar, dass ARD und ZDF dann sagen: Nö, mit uns ist das nicht machbar, wir haben eine Verantwortung gegenüber dem Beitragszahler, und diese Verantwortung schließt nicht ein, dass wir hochbezahlte Popstars, die ihre Songs zufällig mit den Beinen singen, alimentieren müssen. Vielleicht meldet sich dann auch noch eine kluge Stimme, die fragt, wie viel Journalismus eigentlich in der Sportberichterstattung steckt.

Auf die Antwort bin ich gespannt, denn ich neige bekanntermaßen zur Auffassung, dass der journalistische Anteil in der Sportberichterstattung allenfalls noch im Nanobereich messbar ist. Es sei denn man kategorisiert Fragen der Marke „Sie haben 10:0 verloren, woran lag’s?“ im investigativen Bereich.

Ja, es gibt noch jene, die sagen, dass man sportliche Events natürlich kritisch begleiten müsse und dass nur die Öffentlich-Rechtlichen das wirklich auch tun. Ja, tun sie. Das könnten sie aber auch tun, ohne im Besitz teurer Sportrechte zu sein. Oder nochmal gedreht: Ist es nicht besser, über etwas zu berichten, an dem man nicht vorher die Rechte für teuer Geld erworben hat? Gemeiner als durch Rechteerwerb kann man sich mit einer Sache, auch mit einer guten, nunmal nicht machen.

Seien wir doch mal ehrlich: Die meisten Sportveranstaltungen, die im Fernsehen stattfinden, sind komplett durchkommerzialisiert. Da gewinnen jene, die das meiste Geld haben, und bei den anderen muss dann irgendwie anders Dramatik simuliert werden. Das hat mit Sport im ursprünglichen Sinne meist nur noch sehr wenig zu tun. Oder anders gefragt: Was ginge verloren, wenn sich ARD und ZDF gleich morgen aus weiteren Verhandlungen um Fußballübertragungen zurückzögen? Gäbe es irgendeinen nennenswerten Schaden, abgesehen mal von den sinkenden Gesamtquoten der Sender?

Ja, es gäbe einen Schaden. Einen sehr willkommenen. Die Fußballer sähen sich auf einmal einem sehr entspannten Markt gegenüber. Ziemlich wahrscheinlich würden die Preise für Rechte sinken. Das wäre natürlich ein Schaden für die Vereine, und man könnte argumentieren, dass der deutsche Fußball dann international nicht mehr wettbewerbsfähig wäre. Ja, kann sein. Aber mal andersherum gefragt: Ist der Beitragszahler zuständig für die Wettbewerbsfähigkeit von Kickerbanden? Wer einerseits fragt, warum Beitragszahler Orchester finanzieren sollen, darf auf der anderen Seite nicht die Augen verschließen, wenn es um die Finanzierung des Sports geht.

Es spielt doch letztlich keine Rolle, wo Fußball im Fernsehen läuft. Man kann genauso prima über die Kommentatoren von RTL und Sat.1 schimpfen wie über die von ARD und ZDF. Im Zweifelsfalle haben die ja alle keine Ahnung. Und da Sportreporter bekanntlich sehr flexible Wesen sind, würde es ohnehin nicht lange dauern, bis die besten die Fronten gewechselt hätten.

Olympia bei Eurosport, Fußball bei RTL und Sat.1, ich hätte nichts dagegen, ich fände das auf besondere Weise sogar sehr konsequent, weil kommerzielle Sender und kommerzieller Sport sich quasi anziehen wie die Blume die Biene.

Vielleicht löst sich das Problem aber auch auf ganz andere Weise. So hat die Formel 1 gerade damit zu kämpfen, dass ihr die Zuschauer abhandenkommen. Nach gefühlt hundert Jahren haben die Menschen gemerkt, dass man anstatt ein Rennen zu beobachten ebenso gut unter die Motorhaube des eigenen Autos blicken könnte. Das Geschehen dort ist mindestens so spannend wie der vermeintliche Kampf der Boliden. Man müsste ihn halt nur von Heiko Waßer und Christian Danner kommentieren lassen. Die beiden können alles spannend reden, notfalls auch einen verschütteten Liter Milch.

Lernen lässt sich daraus, dass jedes Event ein Haltbarkeitsdatum hat. Nur kennt das gerade keiner. Aber wer sagt denn, dass die Menschen auf ewig, den aufgedonnerten Fußball-Inszenierungen folgen wollen? Alles, bis auf die Wurst, hat bekanntlich ein Ende.

Genug gepredigt. Sommerpause.