Ich kapituliere, ich bin raus, ich gebe auf. Das Fernsehen will mich nicht mehr. Auf einmal. Vor ein paar Tagen noch war unser Verhältnis ungetrübt. Wir haben uns regelmäßig getroffen, hatten Spaß miteinander. Es ging oft hoch her, holla die Waldfee, aber wir wollten das beide so. Wir waren partners in crime. Oder in love. Was weiß ich denn?

Es war eine Beziehung wie sie schöner nicht hätte sein können. Ich und mein Medium. Wir beide gemeinsam, ein Team wie Blitz und Donner.

Und jetzt das. Ich steh allein in einsamer Nacht. Das Fernsehen hat mich verlassen. Einfach mal so.

Ich wäre nicht halb so verwundert, hätte ich wenigstens eines der üblichen Beziehungsgespräche führen müssen, von wegen: „Du, wir müssen mal reden. Ich fühle mich irgendwie eingeengt. Ich glaube, ich brauche mal etwas Zeit zum Durchatmen.“ Auf Deutsch: „Ich habe die Schnauze voll von dir. Verpiss dich!“

Nein, da ist nichts vorgefallen. Nein, da war nichts. Alles war schön, alles war Frieden. Wie gerne hätte ich meinem Fernseher den Sonnenuntergang gezeigt. So richtig romantisch. Wollte er aber nicht. „Blendet“, sagte er dann und verdunkelte seinen Schirm. Die haben es nicht so mit Romantik, diese Flachbildschirme.

Dabei war ich immer gut zu meinem Medium. Ich habe es verteidigt, wenn andere ihm Oberflächlichkeit vorwarfen. Ich habe mir die Lippen fusselig geredet und erzählt von der qualitativen Tiefe, die in ihm steckt. Alles vorbei.

Natürlich steckt ein anderer dahinter. Mein Medium hat jetzt einen anderen und genau deshalb keine Zeit mehr für mich. Wie üblich, wenn sich das Gerede von „ich brauch mal Zeit für mich“ schnöde entlarvt.

Der andere ist schlank und extrem beweglich, ein bisschen anders als ich. „Er erfüllt mich so“, sagte mein Medium, als ich wenigstens einen Hauch von Rechtfertigung einforderte. Und dann noch: „Er ist ganz für mich da. Ich kann an nichts anderes mehr denken.“

Der andere heißt Fußball und ist derart in mein Medium gefahren, dass für anderes vorerst kein Platz mehr bleibt. Fußball hier, Fußball da, Fußball überall. Kein Platz mehr für neue Filme, und alle meine Helden sind in Sommerpause. Oder beim Fußball.

Ich hätte auch gerne was mit Fußball, aber leider erregt mich dieses Kickerei überhaupt nicht. Wie gerne wäre ich fußballverrückt. Ich könnte mich dann mit fast jedem Mann unterhalten, spontan und ohne Sinn. Einfach fachsimpeln über irgendwelche Mannschaftsaufstellungen, irgendeinen Schmarrn reden über falsche Trainerentscheidungen, über komplett unfähige Kommentatoren. Ich könnte richtig aus mir herausgehen, könnte straflos rumbrüllen, wenn irgend so ein Hansel nicht das leere Tor trifft. Allein, es ist mir nicht gegeben.

Am Freitag habe ich meine verflossene Liebe beim Spiel mit ihrem neuen Partner gesehen. Beim Spiel Frankreich gegen Rumänien hat sie alles gegeben, alles aufgefahren, was sie an Liebreiz hat. Sie hat nicht gespart, sie hat voll reingeklotzt.

Mir war sofort klar, dass ich abgemeldet bin. Die nächsten Wochen läuft da nichts. Und dann lockt ja auch schon die nächste Versuchung. Erst die Tour de France, dann Olympia. Voller Terminplan für mein Medium. Keine Zeit für mich.

Ja, klar, ich mache mir schon noch Hoffnungen. Vielleicht besinnt sich mein Medium ja noch auf seine schönen Tugenden, auf seinen Liebreiz. Aber vor dem 22. August wird das wohl nichts werden.

Ich muss mir also mindestens bis dahin die Zeit vertreiben, irgendetwas Sinnvolles anstellen, vielleicht eine Sommerliebe finden, die nicht so sportaffin ist wie das alte Medium.

Ich habe da mal ein bisschen was in die Wege geleitet. Über Parship habe ich ein neues Medium kennengelernt. Ist nicht ganz so bunt, nicht ganz so verführerisch wie das Verflossene, aber man sagt ihm nach, dass mehr in ihm steckt als man auf den ersten Blick glaubt. Es nennt sich Buch. Ich bin gespannt.