Liebe Festgemeinde, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind hier und heute zusammengekommen, um eine Gruppe von Menschen zu würdigen, die vor allem daran zu erkennen ist, dass sie Zeit ihres Wirkens furchtbar blass bleibt. Es ist keine noble Blässe, wie sie einst dem Adel zugeschrieben wurde. Nein, es ist jene Mangel-Blässe, die entsteht, wenn man sein Leben im Schatten verbringen muss und immer nur raus darf, wenn es Prügel einzustecken gibt.

Wir reden von einer Spezies, die schon mancher ausgestorben wähnte. Aber, sehr verehrte Damen und Herren, lassen Sie mich das hier betonen: Es gibt sie noch. Jene selten oder nie Gewürdigten, welche trotz äußerst magerer Anerkennungsperspektiven das Niveau ihres Schaffens niemals abgesenkt haben. Ich bringe also einen Toast aus auf diese fast vergessene Minderheit, auf die letzten Aufrechten. Kurzum: Erheben sie mit mir Ihr Glas und lassen Sie uns anstoßen auf jene, die es verdient haben, auf engagierte Redakteure.

Ja, es gibt sie noch. Im Fernsehen, im Radio, bei Zeitungen. Allen Unkenrufen zum Trotze haben sie überlebt, haben sich nicht unterkriegen lassen von faulen und karrieregeilen Kollegen, deren Rückgrat der Konsistenz von Quallen gleicht, die vor allem am eigenen Weiterkommen interessiert sind und sich einen Dreck scheren ums Programm. Engagierte Redakteure sind anders, sie machen weiter, wenn es anderen wehtut. Sie setzen sich für eine gute Sache ein, auch wenn sie sehr genau wissen, dass sie niemals Ruhm und Ehre ernten werden.

Engagierte Redakteure leben noch für ihr Medium. Sie brennen für das, was sie tun. Sie stehen morgens auf und fragen sich, wie sie ihr Medium an diesem Tag ein kleines bisschen besser machen können.

Dass sie dabei blass bleiben, liegt in der Natur der Sache. Sie stehen in der Regel im Schatten ihres Chefs, der im Falle eines Erfolgs allen Beifall auf dem eigenen Konto verbucht und nur im Falle eines Flops die Schläge nach unten weiterreicht.

Wenn es nicht die Chefs sind, die dem engagierten Redakteur das Lob klauen, dann sind es die Protagonisten von Sendungen. Schauspieler, Moderatoren, Regisseure. Die nennt man, wenn gejubelt wird. Der engagierte Redakteur indes steht am Rand, darf vielleicht mal schüchtern an seinem Sektglas nippen und wird dann früh ins Bett geschickt.

Einem wirklich engagierten Redakteur reicht das. Er ist eh nicht interessiert an all der Feierei, er möchte sein Produkt, seine Sendung nach vorne bringen. Er möchte, dass die Idee, für die er gekämpft hat, glänzt. Wenn er das schafft, ist er zufrieden. Er will die Blume, die er großgezogen hat, nicht pflücken und herumzeigen, er will sich allein an ihrer Blüte erfreuen.

Wie oft sind Redakteure schon pauschal in die Tonne gekloppt worden. Auch von mir. Sie seien nicht wirklich am Programm interessiert, hieß es, sie begnügten sich eierlos mit der Aufzählung der größten Hits oder schönsten Talsperren ihres Bundeslandes. Sie kämen zudem alle naselang mit dem „Das versteht der Zuschauer nicht“-Totschlagargument, das klingen soll wie Fürsorge, in Wahrheit aber für die Herabwürdigung des Kunden steht. Beschimpft wurden sie als Verhinderer, die sich einen lauen Lenz machen und dafür sorgen, dass das Fernsehen über weite Strecken so jämmerlich ausschaut, wie es das leider viel zu oft tut.

Nie oder zu selten war die Rede von engagierten Redakteuren, die eine gute Idee haben und für diese dann jahrelang kämpfen, die träge Chefs überzeugen, die ihren Protagonisten den Rücken freihalten, die den ganzen Bürokram im Sender erledigen, ohne zu murren, die alles aus dem Weg räumen, was den Erfolg aufhalten könnte.

Karrieregeile Chefs palavern manchmal von einem 16-Stunden-Tag, der ihnen kaum Zeit für Schlaf lässt. Alles erstunken und erlogen. Und nicht der Rede wert, wenn man es mal vergleicht mit dem Einsatz engagierter Redakteure. Die sind rund um die Uhr im Job. Sie wachen über ihre Ideen, über ihre Produktionen, sie schlafen mit dem Gedanken an sie ein, und sie wachen mit ihnen auf. Und wenn sie träumen, dann von der Arbeit.

Gewürdigt werden sie fast nie. Bei Galas stehen andere auf der Bühne, bekommen andere die Trophäen, die sie dann gelegentlich zum Verstauben in den Büros ihrer Redakteure hinterlassen, weil ihr Gästeklo schon mit Preisen überfüllt ist.

Dabei muss es noch etliche engagierte Redakteure geben da draußen. Anders wären die Restbestände anspruchsvollen Programms kaum zu erklären. Bei Shows, bei Fernsehfilmen, bei Dokumentationen spenden engagierte Redakteure ihr ganz persönliches Herzblut. Ohne sie wäre das deutsche Fernsehen eine Landschaft, deren Ödnis mit dem Begriff Wüste nur unzureichend beschrieben wäre.

Umso schlimmer, wenn dann eine mit solchem Einsatz verfolgte Idee trotzdem im Sande verläuft. Mal ist es der Sendeplatz, mal das Konkurrenzprogramm, mal die Tagesform des Protagonisten. Was der eigentliche Grund ist, bleibt egal, Schuld trägt auf jeden Fall der Redakteur. Der hat’s verbockt. Auf jeden Fall bleibt genau das im Hause an ihm hängen. Was setzt er sich auch so für eine Sendung ein? Hätte er auch lassen und irgendwas von „Das versteht der Zuschauer nicht“ faseln können.

Im Prinzip agiert ein engagierter Redakteur wie einst die Kölner Heinzelmännchen. Wenn alle ohne Bewusstsein sind, werkelt er, und wenn die anderen aufwachen, ist getan, was getan werden musste. Ohne engagierte Redakteure wäre die Welt eine schlechtere.

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns noch einmal die Gläser erheben und das Denkmal für den unbekannten engagierten Redakteur enthüllen. Ich könnte hier Namen nennen, aber das würde dem engagierten Redakteur allenfalls die Eifersucht der Kollegen sichern und das Leben unnötig schwer machen. Gute engagierte Redakteure wissen, dass sie gemeint sind. Genau deshalb trinken wir auf sie. Mögen Sie ewig wirken. Für uns, für das Leben, für die Zeitung, für das Radio, für das Fernsehen, für das bessere Medium. Prost.