Es ist eine harte Zeit für Fernseh-Parodisten. Sie haben Probleme, große Probleme. Ihnen gehen nämlich die Opfer aus. Sie wissen kaum noch, wen sie parodieren sollen. Nicht dass es an Moderatoren und Schauspielern mangelte. Es sind nur halt kaum noch welche mit wirklichem Profil dabei, also solche, die man sofort erkennt, wenn man sie halbwegs gut nachmacht.

Das Fernsehen reiht sich damit natürlich ins richtige Leben ein, das auch immer weniger Anlass zur Parodie gibt. Schaut man sich mal an, wer etwa in der Politik noch taugt als Vorlage für eine Parodie, dann kommt man sehr rasch nach der Nennung von Angela Merkel ins Stocken. Merkel geht noch, sie ist sowohl vom Ton wie auch von der Optik her ein Parodiebrummer. Die erkennt man auch, wenn sie jemand sehr schlecht nachahmt. Aber dann? Bei Sigmar Gabriel ist mit Ton wenig, da muss man sich schon einen Kartoffelsack unters Hemd klemmen, und dann bringt das immer noch nur die halbe Miete ein. Von Alexander Dobrindt oder Thomas de Maizière mal gar nicht zu reden. Wie schwer es ist, selbst bekannte Politiker darzustellen, musste kürzlich Carolin Kebekus erfahren, die es in einem Clip ihrer Pussy-Terror-Show auf Frauke Petry abgesehen hat. Guter Wille, keine Frage, doch blieb die Parodie im Halbgaren stecken, weil man von der Petry halt vor allem ihr standardisiertes Äußeres im Bewusstsein verwahrt, die Frisur, die weißen Blusen, das adrette Jäckchen. Sieht man das, hört man sie nicht automatisch reden. Mit ihrem Äußeren verbindet sich keine Stimme, allenfalls ein paar gedruckte Unmöglichkeiten kommen da in den Sinn.

Wen wundert es also, dass es im Fernsehen nicht viel anders läuft als in der Politik. Vorbei die Zeiten, da jeder halbbegabte Klassenclown mit einem lockeren „Wasch mache Sie beruflisch?“ Rudi Carrell kenntlich machen konnte, als es reichte, die Worte „Reschpekt“ und „Mein Liaba“ richtig auszusprechen, und schon wusste ein jeder: Der Gottschalk ist gemeint. Wer „Ich habe da mal was vorbereitet“, sagte, konnte sich darauf verlassen, dass die Mehrzahl im Raum über Jean „Hobbythek“ Pütz schmunzeln würde, und machte man den Mund ganz breit und schleuderte ein paar friesisch angehauchte Nichtigkeiten heraus, war jedem gleich klar, dass es um Dieter Bohlen gehen musste.

Es gab richtige Figuren mit hohem Wiedererkennungswert. Man musste die nicht mögen, aber man kannte sie. Jeder kannte sie. Das war auch ein schönes Signal für die einigende Kraft des Mediums. Fernsehen und die darin enthaltenen Figuren, das ergab eine Summe, auf die man sich einigen konnte.

Und heute? Alles blass. Kein Parodistenfutter nirgendwo. Es gibt auf den Sendern mehr Gestalten zu bestaunen als jemals zuvor, aber die meisten kennen Profil nur von ihren Wanderschuhen. Es agiert vielmehr eine Riege von Austauschbaren. Die Diversifizierung der Medienlandschaft fordert ihren Preis.

Das muss nicht immer schlecht sein. Dahinter kann sich trotzdem ordentliche Leistung verstecken. Einen Jan Böhmermann etwa kriegt man kaum parodiert, weil seine Kraft eben im Inhaltlichen steckt. Äußerlich ist und bleibt er immer der blasse dünne Junge aus Bremen-Vegesack.

Was aber, wenn es an Inhalt mangelt, wenn der ganze Daseinszweck einer Fernsehfigur hauptsächlich daraus besteht, nicht weiter zu stören, Gleitmittel zu sein in einem Motor, der nicht läuft, weil er etwas antreiben will, sondern nur, weil es halt genügend Benzin gibt. Wer es nur aufs Nichtstören anlegt, wird niemals Profil gewinnen, wird sich niemals ins Bewusstsein einer größeren menge einbrennen.

Es sollen ja schon Legionen von Parodisten an der Aufgabe gescheitert sein, Jörg Pilawa nachzuahmen, ihn so darzustellen, dass ein jeder weiß, dass damit der Pilawa gemeint ist. Eine Aufgabe, die ähnlich prickelnd zu bewerten ist wie der Wunsch, seinen Namen zu tanzen.

Man kann Jörg Pilawa nicht nachmachen. Das will auch niemand. Wenn man ihm gut wollte, könnte man sagen: Pilawa ist unverfälschbar. Genauso gut könnte man zur Demonstration seiner Bedeutung aber auch einen Liter Milch auskippen und dann die Parodistenschüler auffordern, den Aggregatzustand nachzuempfinden.

Das spricht nicht gegen Jörg Pilawa. Der ist wie er ist, und er ist das vor allem deshalb, weil solche Typen wie er nachgefragt werden. Pilawa ist die Blaupause des ordentlichen Funktionierers. Man braucht solche Funktionierer, um knisterfreies Fernsehen herzustellen, Fernsehen, dessen Aufgabe sich dem des deutschen Durchschnittsradios immer weiter annähert. Es soll vor allem eines: nicht weiter stören.

Das Pilawa-Syndrom hat neben der Arbeitslosigkeit für Parodisten auch noch andere Folgen, denn natürlich wollen jetzt alle einen Pilawa. Ich bin mir sicher, irgendwo im Keller des NDR oder bei RTL gibt es eine Maschine, die bringt im Monatstakt frische Moderatoren der Marke Pilawa hervor. Die werden dann auf die als neu verkauften Shows verteilt. Diese Shows moderieren sie dann so, dass man sie als Moderatoren nicht weiter zur Kenntnis nimmt, dass man vor allem kurz nach ihrem Abgang von der Showbühne schon vergessen hat, was da gerade war.

Selbstredend treten da rasch die Verschwörungstheoretiker auf den Plan. Sie stellen vor allem die Frage, warum man Jörg Pilawa und Eckart von Hirschhausen so selten zusammen sieht. Das ist natürlich rhetorisch gefragt, denn die Antwort haben die Trolle längst parat: Es handelt sich um ein und dieselbe Person. Nur geboren, um nicht weiter aufzufallen, um das personifizierte Mittelmaß darzustellen.

In dem Zusammenhang gilt es Abbitte zu leisten und einen zu loben, den man so oft gescholten hat, der aber nichtsdestotrotz noch parodierbar bleibt. Es ist Oliver Geissen. Den kann man noch darstellen in seiner demonstrativen Lustlosigkeit, in seiner stets betont schluffigen Art, und sofort weiß ein jeder: Ah, der Geissen, der Schluffi. Man muss ihm also dankbar sein, dass er das deutsche Fernsehen bewahrt vor der kompletten Pilawarisierung. Danke, Oliver.

Dass ich das jemals schreiben würde. Mann, Mann, Mann…