Foto: Deutscher FernsehpreisIn der Kategorie "Beste Informationssendung" sind dieses Jahr drei Hauptnachrichten nominiert. Das klingt beliebig. Hätten die Formate nicht auch schon 2006 oder 2005 ausgezeichnet werden können? Was gab den Anlass in diesem Jahr?

Wir finden, dass sich im vergangenen Jahr ganz schön was getan hat. Bei den "Tagesthemen" hat sich personell viel geändert, bei RTL kann man ein inzwischen beachtlich großes Stammpublikum feststellen, beim ZDF vernimmt man das Bewusstsein, dass man sich bei "heute" und dem "heute-journal" mit der näher rückenden Konkurrenz auseinandersetzen muss, und dann gibt es noch einen Sender, der sich von Nachrichten mehr oder weniger verabschiedet hat. Aus unserer Sicht ein sehr spannendes Jahr um Hauptnachrichten-Sendungen gegeneinander zu stellen. Es geht also nicht um die Moderation des Anchorman, es geht um die Leistung des ganzen Teams und die verschiedenen Ansätze Nachrichten zu vermitteln.

Die Zahl der non-fiktionalen Formate ist wesentlich überschaubarer als der Output im Bereich Fiktion, um den Sie sich beim Deutschen Fernsehpreis ja ganz besonders kümmern. Macht das die Auswahl preisverdächtiger Sendungen schwieriger?

Zunächst einmal ahnen Sie gar nicht, wieviele Dokumentationen und Reportagen im Nachtprogramm weggesendet werden. Bei vielen fiktionalen Produktionen bekommen wir, die ja das ganze Jahr über das Fernsehen verfolgen und für die Nominierungen im Auge behalten, durch Marketing und Presse leichter Hinweise auf möglicherweise sehenswerte Produktionen. Auf Doku-Highlights zu nachtschlafender Zeit werden Sie aber nicht gerade umfassend hingewiesen. Das Trüffelsuchen in diesen Wettbewerben ist deshalb manchmal aufwändiger als in den fiktionalen Kategorien. Aber dafür haben die wenigsten Reportagen eine Länge von 90 Minuten. Sprechen wir also über den Zeitfaktor, dann raubt einem Fiction schon deutlich mehr Lebenszeit.

Reicht ein einmaliges Anschauen denn für die Vielzahl an möglichen Nominierungen die z.B. ein 90-Minüter bekommen könnte?

(lacht) Vieles kann man parallel erledigen. Aber in der Tat gibt es eine Kategorie, die mir in diesem Zusammenhang zu schaffen macht: die „Beste Musik“. Die ist in Filmen ja häufig dann besonders gut, wenn sie gewissermaßen wirkt. Wenn man sie also ihre emotionalisierende Wirkung nicht bewusst wahrnimmt. Da ist dann häufig noch einmal eine zweite Sichtung und ein aufmerksames Hinhören nötig.

Öffentlich-Rechtliche und Private nutzen Preisverleihungen gerne zum gegenseitigen Kräftemessen. Spielt die Verteilung der Preise auf diese beiden Lager eine Rolle für die Jury?

Wir vergeben keine Proporzpreise. Aber eine Antwort auf Ihre Frage ist die Öffnung der Kategorien Buch und Regie auch für Sitcoms und Comedy. Damit tragen wir der Tatsache Rechnung, dass RTL oder Sat.1 keinen so großen Output im Bereich des Fernsehfilms haben, dafür aber zahlreiche Autoren oder Regisseure, die Bemerkenswertes in anderen fiktionalen Genres leisten - ohne dafür bislang persönlich auch einen Preis bekommen zu können.

Überraschend aber dann, dass die Kategorie Comedy in diesem Jahr von ARD und ZDF belegt ist...


Die Kategorie war ja lange Zeit eine Domäne der Privaten. In diesem Jahr sind nun drei Kabarettsendungen nominiert. Das ist natürlich auch eine Aussage darüber, dass klassische Comedy unserer Ansicht nach momentan nicht gerade ein Formhoch hat. Dafür erlebt das TV- Kabarett, das schon einmal für tot erklärt worden ist, ein Revival. Da müssen die Platzhirschen dann mal damit leben, dass ihr Revier in diesem Jahr anderweitig belegt ist.

"Scheibenwischer" vs. "Neues aus der Anstalt" oder ARD vs. ZDF: Das wird spannend...

Es gibt auch in jedem Jahr einige Kategorien bei denen ich Ihnen selbst unter Hypnose keinen Tipp abgeben könnte, wer den Preis gewinnt. Bei einigen Kategorien ahnt man nach den vielen Diskussionen schon, wie die Juroen wohl entscheiden werden, aber in vielen Wettbewerben wird es wirklich knapp und spannend. Wenn die Branche am Abend der Preisverleihung im Studio Platz nimmt und keine Ahnung hat, wer gewinnen könnte - dann haben wir unseren Job gut gemacht und ausgewogen nominiert.
 


Es gibt 45 Nominierungen für die Öffentlich-Rechtlichen, 25 für Privatsender. Hat sich das Verhältnis im Vergleich zu den Vorjahren tendenziell geändert?

Es ist traditionell so, dass die Anzahl der Nominierungen für ARD, ZDF und die Dritten über der der privaten Sender liegt. Das liegt zum Teil an den Kategorien. Wenn Sie zum Beispiel den Fernsehfilm nehmen, der wird von ARD und ZDF sehr viel intensiver gepflegt als von Sat.1 oder RTL. Wer viel anbietet hat, hat natürlich rein rechnerisch auch größere Chancen auf eine Nominierung. Aber es ist auch generell so, dass im Bereich der Öffentlich-Rechtlichen mehr produziert wird. Informationsformate senden Sie eben nicht drei- oder viermal, wie es die Privaten mit einigen Unterhaltungssendungen tun. Wenn Privatsender aus Renditegründen ein und dasselbe Programm mehrfach wegsendet, dann ist das dessen gutes Recht. Aber wir können es deshalb ja nicht mehrfach nominieren.

Lässt sich denn konkret im Vergleich zu den Vorjahren eine Veränderung feststellen was das Verhältnis der Nominierungen für ARD/ZDF bzw. Privatsender angeht?


Ich habe das Gefühl, dass sich es wieder etwas gebessert hat. Eine Zeit lang hatte man wirklich den Eindruck, dass die einen für die gute Information zuständig sind. Also alles das, wofür man gerne Rundfunkgebühren zahlt. Und die anderen sollen uns zum Lachen bringen. Diese sehr deutliche "Lagerbildung" gibt es nicht mehr. Sie finden Nachrichten und Reportagen der Privaten unter den Nominierten so wie eben die Öffentlich-Rechtlichen die Kategorie Comedy unter sich ausmachen.

Wir schreiben das Jahr 2007. Zum zweiten Mal wird das Schwarzweiß-Fernsehen abgeschafft. So in etwa?


(lacht) Könnte man meinen. Es ergibt sich inzwischen ein tatsächlich erfrischend vermischtes Bild.

Greifen Sie jetzt nach der Nominierungsphase eigentlich lieber zu einem guten Buch?

Es ist ja so: Kaum haben wir die Nominierungen final beschlossen, beginnt schon wieder die neue TV-Saison mit den vielen Leuchtturmproduktionen der Sender. Und das bedeutet erneut aufmerksames Fernsehen.

Ich versuche gar nicht erst die Frage, wer für Sie ein klarer Favorit beim Deutschen Fernsehpreis ist. Dafür würde mich interessieren: Welche Sendung würde Klaudia Wick als die schlechteste Produktion des Jahres auszeichnen?

Da würde ehrlich nichts einfallen. Ich beschäftige mich lieber mit gutem Fernsehen und das sehr intensiv. Schlechtes Fernsehen schalte ich einfach ab. Dann brauche ich mich darüber nicht aufzuregen. Und auch in der Jury sind wir ja gottseidank nicht gezwungen, schlechtes Fernsehen zu sehen. Die Sender reichen ja Programme ein, die sie für besonders gut halten.

Dann komme ich zur letzten Frage mit der Bitte um eine kurze prägnante Antwort. Das deutsche Fernsehen ist...

...eines der Besten in Europa.

Wunderbar. Frau Wick, herzlichen Dank für das Gespräch.