Foto: EhrensenfIm Internet sind Clips aufgetaucht, in denen Sie mit Oliver Pocher auftreten.

Mark Freuer: Na ja, es gab noch schlimmere Produktionen, die ich mit Olli gemacht habe. Da gibt es noch viel zu entdecken. Er polarisiert eben stark. Da ist die Grenze zwischen “lustig” und “scheiße” sehr scharf gezogen.

Wird Pocher falsch wahrgenommen?


Mark Freuer: Sobald Pocher einen Gag sieht, auch einen schlechten, nimmt er Anlauf und springt durch die Mauer. Auch wenn dabei etwas kaputtgeht. Ich glaube auch nicht, dass er sich anschließend Gedanken darüber macht. Er tut alles für einen Gag.

Gibt es ein moderatives Stilmittel, das Sie bevorzugen? Pocher hat es als TV-Artillerist bis zum Kronprinzen Harald Schmidts geschafft.

Christine Henning: Ein wenig frech, gepaart mit intelligent und charmant finde ich ganz gut.

Mark Freuer: Wenn man bissig ist und doch dabei charmant bleibt, quasi diesen Spagat schafft und dann auch noch wortgewandt ist, dann spricht mich das sofort an. Ein Beispiel dafür wäre ein Götz Alsmann oder ein Jörg Thadeusz. Immer charming, ohne eine Schleimspur zu hinterlassen. Letztendlich ist aber das Stilmittel egal, solange man authentisch ist. Wenn man als Moderator dem Publikum einen Charakter vormacht, dann bekommen die das in der Regel sehr schnell mit. Von daher, wenn Sie so wollen, ist Authentizität für uns das Stilmittel.

Welche persönliche Note bringen Sie bei Ehrensenf ein?

Christine Henning: Wir sind ja zu zweit. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten. So haben wir jetzt den “Open Friday “ eingeführt, an dem prinzipiell alles möglich ist. Wir verlassen die klassische Studiosituation und spielen Sketche. Es hat sich eine kleine Reihe entwickelt: Silvia Neuhofen, die investigative Journalistin. Sie deckte beispielsweise auf, wer wirklich schuld war an Vattenfall, was Chinesen alles fälschen. Sie entlarvte auch die erste männliche “Plenumsmatratze”. Ansonsten hat sich die das Grundgerüst der Sendung nicht verändert. Weiterhin ist sie moderativ, wir featuren weiter kuriose Links und greifen das Tagesgeschehen auf.

Mark Freuer: Die Macher sind ja die selben geblieben. Es wäre fatal, nur die alte Kiste zu fahren. Dann hieße es: Ihr versucht nur, Katrin gerecht zu werden.

Christine Henning: Oder sie nachzumachen. Wir versuchen dagegen, die Sendung neu zu interpretieren.


Was kann der Open Friday noch bringen? Das ist ja ein sehr großes Spektrum.

Christine Henning: Na klar! Aber hier zitiere ich einfach mal Rudi Carrell „Lass dich überraschen…“

Mark Freuer: Und ich zitiere mich „Alles kann, nichts muss“. Mit anderen Worten, wir werden so was, wie bisher immer, mit den Produzenten vorher besprechen. Wenn wir eine tolle oder außergewöhnliche Idee haben und wir es im Rahmen unserer Mittel umsetzen können, machen wir es. So einfach ist das.

Sind bei Ehrensenf als Plattform in Zukunft auch Live-Elemente vorstellbar?

Mark Freuer: Das liegt in der Entscheidung der Produzenten.

Christine Henning: Allerdings sind unsere Zuschauer eine vorproduzierte Sendung gewohnt. Sie konsumieren sie beim Frühstück, in der Mittagspause oder nachts. Wir sind immer erreichbar. Livesendungen waren noch kein Thema für uns.

Warum hat “Ehrensenf” zwei Mal den Grimme Online Award kassiert? Aufgrund der eigenen Qualität - oder weil die Konkurrenz noch dünn ist?

Christine Henning: Die Preise hat das Team für die eigene Qualität bekommen, sonst nichts.

Mark Freuer: Das Erfolgsgeheimnis ist eine simple, gut umgesetzte Idee.

Welches Web-TV-Format ist heute auf einer Augenhöhe mit "Ehrensenf"? Sehen Sie sich selbst eine Sendung im Internet regelmäßig an?


Christine Henning: Ich gehe zwar morgens ins Internet und bleibe den ganzen Tag online. Das liegt schon daran, dass Mark und ich täglich mitrecherchieren. Aber ich sehe mir online eher Nachrichten an, lese online Zeitung und kommuniziere.

Welches Videoangebot nutzen Sie denn?

Christine Henning: Es gibt ja eine große Bandbreite… Beispielsweise Kurzfilme bei YouTube, auf die wir auch öfter verweisen.  Sonst gehe ich eher ins Kino und sehe dann und wann fern.

Mark Freuer: Ich genieße nach wie vor die alten Größen im Fernsehen, etwa Harald Schmidt, TV Total, nachdem ich es zeitweilig eher schwach fand, oder Comedyformate.

Ist es Ihr Ziel, irgendwann im klassischen Fernsehen zu arbeiten?

Christine Henning: Nicht unbedingt. Ich werde auch zukünftige Entscheidungen immer von der Qualität des Formates abhängig machen. Ob im Fernsehen oder im Internet, ist mir dann schnuppe.

Ist das Fernsehen für Sie noch Leitmedium?

Mark Freuer: Noch, ja. Aber das Nutzerverhalten ändert sich. Die Zuschauer möchten sich nicht mehr vorschreiben lassen, wann sie eine bestimmte Sendung sehen können.

Christine Henning:  Noch erreicht man im Fernsehen mehr Zuschauer. Nach wie vor gibt es das Bedürfnis, zu zappen, das Gehirn abzuschalten, sich berieseln zu lassen. Im Internet muss man sich den Content suchen, ein aktiver Prozess. Beides wird nebeneinander bestehen bleiben. Leitmedium bedeutet ja auch Masse, und derzeit bedient Internet TV noch Nischen - wir haben insgesamt etwa 30.000 Zuschauer am Tag.

Wie viele davon erkennen Sie auf der Straße?


Mark Freuer: Ich wurde kürzlich im Baumarkt angesprochen. Ich habe Requisiten gekauft. Jemand tippte mir auf die Schulter und fragte mich, ob ich ‘Mark mit K’ sei. Damals, bei Pocher, haben die Jugendlichen laut über die Straße gerufen, wenn sie mich gesehen haben. Wir haben wahrscheinlich eine dezentere Klientel.

Christine Henning: Wir haben kürzlich unser erstes Autogramm gegeben. Eine sonderbare Situation. Soll man dann einfach seinen Namen auf die Karte schreiben? ‘Lieber Dieter’? Ein seltsames Gefühl. Aber vor Groupies müssen wir uns nicht verstecken.
Herzlichen Dank für das Gespräch.