Foto: MTVSind Sie eigentlich durch Ulmen.TV jetzt näher am Zuschauer als es bei einer Fernsehsendung möglich ist?

Ich glaube nicht, dass die Arbeit eines Künstlers - ja, jeder der vor der Kamera steht ist in irgendeiner Art und Weise Künstler, wenn auch nicht Picasso, aber zumindest wird er beim Finanzamt so geführt -, zuschauerorientiert ist. Das klingt etwas abgehoben. So wie mancher Theaterschauspieler sagt, er mache die große Kunst doch nicht fürs doofe Publikum sondern nur für sich. Aber ein klein bisschen ist das auch so. Ich kann nur für mich sprechen, aber in dem Moment, in dem ich rausgehe und drehe, denke ich überhaupt nicht an den Zuschauer. Wenn ich das Knut-Kostüm anhabe, denke ich nicht daran, dass das, was ich gerade mache, auch irgendwann mal jemand sehen wird. Vielleicht auch ganz gut so.

Der Zuschauer ist erst einmal also völlig egal?

Ich denke nicht daran, welcher Gag denn jetzt besonders quotenträchtig sein könnte. Es ist ja nicht einmal so, dass ich die Kommentare zu unseren Clips auf MySpass.de auswendig lerne und mich dann danach richten würde, was dort gewünscht wird. Ich mache, was ich selber lustig finde und hoffe, dass es andere ähnlich sehen. Im Schnitt sind wir da natürlich absolut hinterher, die Clips in klar verständliche Form zu packen mit teilweise sehr didaktischen Mitteln wie „Was bisher geschah“-Voice-Overn. Aber während der eigentlichen Improvisation wäre ein Zuschauer-Über-Ich im Kopf tödlich. Und ein schon im Ansatz auf Quote zugeschnittener Inhalt wird nicht lange funktionieren, weil der Zuschauer das irgendwann riecht.

Kann denn Comedy abseits des Mainstream überhaupt ins Fernsehen passen? Oder widerspricht es nicht irgendwie der Logik vom Massenmedium Fernsehen? Comedy Central hat es ja auch nicht geschafft...

Wenn man bewusst auf Mainstream-Inhalte verzichten will, dann muss man doch auch damit rechnen, keine Mainstream-Quote zu erzielen. Dann sind es eben nicht 20 Prozent, sondern 1,7 Prozent. Für ein Nischenprogramm ein Erfolg. Man darf halt nur nicht falsche Erwartungen haben. Und Werbung wird dann nicht über Masse sondern Klasse verkauft. Als ich bei MTV anfing, wurden noch gar keine Einschaltquoten erhoben und trotzdem waren die Werbeplätze ausgebucht, weil die Qualität der Zielgruppe und die sogenannte Coolness bekannt waren.
 

 
Wo Sie gerade von MTV sprechen. Geht Ihnen die aktuelle Entwicklung bei MTV Networks nahe oder ist das zu lange her?

Ach, da braucht man nicht melancholisch zu sein, weil Pop doch so oder so eine permanente Entwicklung ist, die man nicht aufhalten kann. Madonna sieht ja auch dauernd anders aus. Und Britney Spears erst. Waren früher MTV und Viva die Leitmedien der Jugendlichen, ist das heute das Netz. Musik und Musikvideos finde ich zahlreicher und wann immer ich will im Netz. Und das längst auch legal. Darum hat das Musikfernsehen seine Stellung, die es noch vor zehn Jahren hatte, verloren, glaube ich. Das ist weder toll noch traurig - es ist der Lauf der Popkultur. Deswegen werden MTV und Viva auch in fünf Jahren wieder ganz anders aussehen als heute.

Bleiben wir in der Zukunft. Was steht bei Ihnen im kommenden Jahr an? Doch nochmal klassisches Fernsehen?

Na klar. Internet-Fernsehen zu machen ist kein Abgesang aufs Fernsehen. Ich bin immer noch Fernseh-Liebhaber und es gibt auch im nächsten Jahr ein neues Projekt, aber ich mache jetzt erstmal wieder Kinofilme im nächsten Jahr. Durch die „Dr. Psycho“-Drehs bin ich dazu ja gar nicht mehr gekommen. Zwei Kinofilme hab ich dieses Jahr gemacht, weitere folgen noch.

Und dann ihr ganz persönlicher Jahresrückblick. 2008 war...
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Achso, 2008 war für mich persönlich das Jahr des Internet-Fernsehens. Ich dachte jetzt gerade Sie wollten von mir mein Fernsehhighlight des Jahres wissen.

Dann nennen Sie uns das doch auch noch...


Vielleicht hab ich es auch nur in Erinnerung, weil es erst jüngst war, aber ich fand den Auftritt von Stefan Raab beim Bambi tausendmal geistreicher als Reich-Ranicki beim Fernsehpreis. Das war wirklich befreiend an diesem Abend.

Herr Ulmen, herzlichen Dank für das Gespräch.