Markus KochWas meinen Sie damit?

Ich sag mal so: Als ich angefangen habe, war die Wall Street das Nonplusultra. Sie war das Orakel der Weltwirtschaft. Dort sind die Menschen versammelt, die wirklich wissen, was in der Weltwirtschaft passiert. Aber je länger man dabei ist und diese Orakel kennenlernt, desto ernüchternder wird das Ganze.

Das klingt im Vergleich zum „Börsen-Koch“ vor zehn Jahren sehr kritisch...

Es gibt eben keine Orakel und es gibt auch niemanden, der wirklich weiß, wo es lang geht.  Das haben wir ja jüngst mit drastischen Folgen erlebt. Es gibt nur Menschen, die eine Zeit lang mit ihren Prognosen richtig liegen. Man lernt mit der Zeit aber, dass dabei Glück vielleicht eine größere Rolle spielt als Wissen.
 

 
Ist Ihnen denn aus heutiger Sicht die Börsenberichterstattung von damals peinlich? Weil sie vielleicht etwas naiv war?

Ironischerweise ist mir das nicht peinlich. Weil ich nie ein Problem damit hatte, zuzugeben, dass ich auch mal etwas falsch eingeschätzt oder nicht verstanden habe. Das ist etwas, was mir in der Finanzwelt fehlt: Die Ehrlichkeit zuzugeben, dass man auch mal etwas nicht versteht oder falsch gesehen hat. Inzwischen kann ja jeder zuhause technisch alles in Echtzeit verfolgen und mitanalysieren. Damit ist auch das Märchen vom Börsenreporter, der allwissend ist, längst auserzählt.

Sie werden also nicht mehr nach dem heißen Börsentipp gefragt?

Doch, hin und wieder. Zwischen Tür und Angel werde ich dann gefragt, wie man sein Geld denn nun rasch vermehren kann. Ich weiss ehrlich gesagt nicht was schlimmer ist: die Frage aus der hohlen Hand zu beantworten oder wirklich Geld auf so eine leichtfertige Antwort hin anzulegen. Ich schweige mich dazu meistens aus und halte mich bedeckt.

Stichwort Verantwortung und Börse. Sie haben die Krise ja schon angesprochen. Wie behält man den Glauben an die Wall Street und seinen Job, wenn man gleichzeitig merkt, welche eklatanten Fehler dort gemacht wurden?

Es ist nicht die erste Wirtschaftskrise, die die Börse erlebt und überlebt hat. Für mich steht bei dieser Krise die Frage nach der Eigenverantwortung im Mittelpunkt. Wir leben in einer Welt, in der immer der andere verantwortlich ist. Das ist nicht gesund. Ich habe mir selber die Frage gestellt, ob ich privat oder beruflich mit meinem Reden und Handeln etwas zu dieser Krise beigetragen habe und für meine Fehler und Verluste selbst verantwortlich bin. Diesen Gedanken machen sich leider viel zu wenige Menschen - in ihrem eigenen Namen und im Namen der Firma oder Organisation, für die sie arbeiten.