Frau Ruff, wie lässt sich das Fernsehjahr 2012 charakterisieren?

Die Stärken des deutschen Fernsehens haben sich auch in 2012 bewährt. Beim Fernsehspiel und der Dokumentation sind wir einmal mehr mit guten Stücken verwöhnt worden. In Show und Unterhaltung dominieren die Klassiker, aber es hat auch neue Ideen gegeben. Vor allem bei kleinen Sendern wie ZDFneo haben wir Innovationen gefunden, die sich aber in der Nominierung noch nicht durchsetzen konnten. Das sollte aber nicht unerwähnt bleiben und  wir werden wir ein Auge drauf haben . Eine Charakterisierung für das gesamte Fernsehjahr fällt schwer, denn die Entwicklung ist in den Genres sind unterschiedlich: Aber das Gesamtbild ist erfreulich.

Also mehr Evolution als Revolution? Bei einigen Nominierungen lobt die Jury Entwicklungen innerhalb von bekannten Formaten wie bei „Stern TV“ oder „Maybrit Illner“...

Richtig, seine Spitzenleistungen erbringt das Fernsehen 2012 vor allem im Rahmen klassischer Genres und Formate Aber in der Comedy gibt es mit Martina Hill und Monika Gruber auch gleich zwei Neuzugänge. Daneben haben wir Bülent Ceylan nominiert, der sich wiederholt in Hochform gezeigt hat. Das Etikett „neu“ ist ja kein Wert an sich: Kontinuierliche Arbeit an und in bestehenden Formaten muss bei entsprechender Rechtfertigung auch belohnt werden.

In welcher Kategorie gab es in diesem Jahr den größten Diskussionsbedarf in der Jury?

Die größten Diskussionen gibt es immer in den Kategorien mit der größten Bandbreite und den meisten Vorschlägen. Das ist vor allem beim Fernsehfilm und den Schauspielern der Fall. Beide Kategorien sind  nahezu untrennbar: Wenn der Film gut ist, liegt es meist ja auch an den hervorragenden Darstellern. Und da ist die Fülle so groß, dass der Auswahlprozess sehr kompliziert ist. Es schmerzt, wenn man sich von hervorragenden Produktionen verabschieden muss. Aber am Ende waren wir uns durchaus einig, wer für uns die Spitze darstellt. Bei Dokumentation und Reportage ist das ähnlich: Über das Jahr hinweg gibt es eine Vielzahl hervorragender Dokumentationen unterschiedlichster Couleur.
 
Auch die Kategorie Beste Information scheint eine Herausforderung zu sein - allein aufgrund des breiten Spektrum der jetzt nominierten Formate...

Das ist in der Tat schwierig, weil wir die Bandbreite der Information in nur einer Kategorie unter einen Hut zu bringen müssen. Da geht es Jahr für Jahr darum, wie man die Kategorie auffassen will. Nachrichten,  Magazine, Live-Berichterstattung und Talk – all das kann Information sein. Aktuell würde es der Jury vermutlich helfen, eine eigene Talk-Kategorie zu haben: Allerdings hat der Deutsche Fernsehpreis sich für diesen Turnus auf bestimmte Anzahl an Kategorien festgelegt, mit denen wir angetreten sind. Und daran sollte man dann im Verlauf der Arbeit nicht rütteln.

Das Sichten des Fernsehjahres führt das Beste ja nochmal ganz intensiv vor Augen. In welchen Kategorien waren Sie selbst nochmal verblüfft von der Qualität des deutschen Fernsehens?

Mir persönlich hat die Dokutainment-Kategorie viel Spaß gemacht, weil das Fernsehen dort wahnsinnig bunt ist. Sicherlich gibt es hier Formate, die man kritisch sehen kann, dann aber auch sehr unterhaltsame Produktionen und eben preiswürdige wie unsere Nominierten. Dokutainment ist nicht gleich Dokutainment. Und wir sehen wieder sehr positive Entwicklungen wie beispielsweise „Cover my Song“.
 
Welchem Vorwurf sieht sich das deutsche Fernsehen Ihrer Meinung nach ausgesetzt, obwohl er völlig ungerechtfertigt ist?
 
Wenn immer wieder der Vorwurf kommt, das deutsche Fernsehen sei ein Einheitsbrei und verliere an Niveau, dann zeigt der Deutsche Fernsehpreis mit seinen Nominierten, dass dem nicht so ist. Wir machen in Deutschland qualitativ hochwertiges Fernsehen und können auf dem internationalen Niveau absolut standhalten. Wir haben dabei sogar ein in vielen Genres weitaus breiteres Angebotsspektrum als andere Länder. Dieser immer gleichen Kritik an der Qualität kann ich nur entgegenhalten: Einfach mal die Fernbedienung benutzen!
 
Wenn es eine Sache gäbe, die sich die Jury vom deutschen Fernsehen wünschen könnte – was würden Sie sich wünschen?
 
Schon als Produzentin habe ich immer gesagt: Bitte niemals den Zuschauer unterschätzen! Seid mutiger, wenn es darum geht, Neues auszuprobieren. Insbesondere von den Privatsendern wünsche ich mir, dass die Fiction nicht vernachlässigt wird. Und damit meine ich Eigenproduktionen. Eine Rückkehr der halbstündigen Comedyserie, die in den vergangenen Jahren sehr in den Hintergrund getreten ist, wäre wünschenswert. Und dann ganz wichtig: Seid nicht so sparsam, denn Qualität hat ihren Preis. Wir sollten darauf achten, dass Qualität und Kreativität nicht dem Rotstift zum Opfer fallen.
 
Frau Ruff, herzlichen Dank für das Gespräch.