Wenn wir auf Ihr Wirken im ZDF zurückblicken. Welche Sendung war für Sie der größte Erfolg? „Die Deutschen“?

„Die Deutschen“ war die erste Reihe des ZDF, die sich mit dem Thema „Die ganze Geschichte“ großflächig beschäftigt hat. Ich erinnere mich, dass ich im Jahre 1985 schon Vorschläge gemacht habe, damals noch für eine 30-teilige-Reihe über die Geschichte der Deutschen. Und Sie sehen, wie lange es gedauert hat, nämlich bis 2008, bis wir uns dann daran getraut haben, auch in Kooperation mit den Kollegen der Kultur. Das Gute an dieser Reihe war, dass wir nicht nur die Dienstagtermine genutzt haben, sondern auch die Sonntagstermine um 19:30 Uhr, die natürlich weniger konkurrenzbedroht sind. Insofern war es da leichter, eine gute Quote zu erzielen. Die Dienstagstermine profitierten dann davon und holten hervorragende Reichweiten.

 

 

Gab es Themen, denen Sie sich gerne noch ausführlicher gewidmet hätten?

Das Mittelalter fasziniert mich schon. Ich bin dafür jedoch nicht zuständig, abgesehen von gelegentlichen Ausflügen. Dokus über das Mittelalter haben es leichter als Dokus über das 20. Jahrhundert. Gut, wir haben Zeitzeugen und wir haben Filme. Was das Mittelalter betrifft, müssen Sie alles rekonstruieren mit filmischen Teilen, mit Inszenierungen. Aber genau das ist ja auch reizvoll.

Wo steht die deutsche Dokumentation im internationalen Vergleich Ihrer Meinung nach?

Ich kann da nur für unsere Produktionen sprechen. Wir haben Mitte der 90er Jahre angefangen unsere Filme auf dem Weltmarkt zu präsentieren: zuerst eine Reihe über die NS-Zeit, "Hitler - Eine Bilanz" und viele andere. Längst sind wir heute auf dem Feld der deutschen Geschichte neben der BBC die zweiten Global Player geworden, was man auch daran sieht, wie erfolgreich ZDF Enterprises die Programme in bis zu 150 Ländern verkauft hat. Themen jenseits der Nazizeit hatten es anfangs international etwas schwerer.

Weil sich das Ausland bei der deutschen Geschichte nur für den Zweiten Weltkrieg interessiert?

So war es zumindest mal. Es gab oft Diskussionen mit meinem Freund Charlie Mayday, der lange in New York beim History Channel die Fäden gezogen hat. Ich hab ihm zum Beispiel die schöne Reihe über die Kanzler der Bundesrepublik angeboten und seine Antwort war dann: "Guido, how boring!" Die glücklich gelingende Nachkriegsgeschichte fand weniger Anklang. Mittlerweile hat sich das gegeben und wir haben eine ganze Reihe an Themen immer wieder auch international präsentieren können. Die Tür geöffnet haben aber zweifelsohne unsere Filme zum Zweiten Weltkrieg. Das ist eben das, was in der Welt als deutsche Geschichte empfunden wurde. Ich bemühe mich ja immer zu zeigen, dass die deutsche Geschichte reicher ist als die furchtbaren zwölf Jahre. Es gab zehn Jahrhunderte an reicher, auch kulturell reicher Geschichte davor und mittlerweile fast schon 70 Jahre an glücklicher Geschichte danach. Die sind natürlich nicht so spannend, aber sie sind für uns trotzdem glücklich und die schönste Stunde der ganzen deutschen Geschichte ist eigentlich die Zeit von 1989/1990, mit "Mauerfall und Wiedervereinigung".

Wo waren Sie als die Mauer fiel?

Am 9. November war ich vor dem Fernseher und am nächsten Morgen bin ich gleich nach Berlin geflogen. Wir drehten dort gerade tatsächlich eine Serie über die Geschichte der deutschen Wiedervereinigung. Das war das einzige Mal, als ich nicht wusste, wie diese Serie eigentlich enden wird, denn im November 1989 wussten wir ja noch nicht, dass es zu einem 3. Oktober 1990 kommen würde.. Wir waren mittendrin, das war ganz toll. Aber um einen herum passierte Geschichte. Das war faszinierend.

Es ist naheliegend, dass deutsche Dokumentationen sich zunächst mal mit der eigenen Geschichte befassen. Aber glauben Sie, dass sich die deutsche Dokumentation da noch emanzipieren wird?

Sie muss sich emanzipieren und sie tut es auch. Allein unsere Themen sind mittlerweile längst sehr weit gefächert, vor allem unsere „History“-Reihe ist international angelegt. Wir kümmern uns da um die Geschichte der Kennedys, um Themen wie Samurai in Japan und andere. Es ist aber so, dass die größte Kompetenz und Authentizität natürlich bei den Themen zur eigenen Geschichte anerkannt wird.

Wir haben zu Beginn des Gesprächs darüber gesprochen ob wir aus Geschichte auch lernen. Ich möchte da nochmal anknüpfen. Lernen wir - oder wissen wir in Zeiten des mobilen Internets einfach nur jederzeit wo wir danach suchen müssen?

Das Internet macht uns vieles leichter. Informationen sind schneller zugänglich, da haben Sie Recht. Faktisches Wissen muss nicht mehr im Hinterkopf gespeichert werden, es ist erhältlich. Wenn es dazu dient, dass wir die freien Gehirnteile den Bereichen Erkenntnis, Phantasie und Empathie widmen könnten, wäre das ein Fortschritt. Ich wünsche mir das.

Herr Knopp, herzlichen Dank für das Gespräch. Und viel Vergnügen auf der MS Deutschland.