Herr Zwiessler, der Erfolg der Dienstags-Reportagen von Storyhouse zum Thema Ernährung mit Nelson Müller waren - in dem Ausmaß - eine Überraschung. Da half der Pferdefleisch-Skandal...

Das aktuelle Interesse der Bevölkerung an Lebensmittel-Qualität hat uns natürlich noch einmal sehr geholfen. Wir haben uns jedenfalls sehr darüber gefreut, zumal der Sendeplatz kein einfacher ist. Zur Primetime mit einer Verbraucher-Doku gegen die große Unterhaltung der Konkurrenz - und dann solche Marktanteile auch beim jungen Publikum. Darauf sind wir stolz und hoffen auf mehr.

Gibt es da noch keine Entscheidung über eine Fortsetzung?

Doch. Wir arbeiten bereits an zwei weiteren Folgen mit Sternekoch Nelson Müller.



Was mich zum Einstieg interessiert: Warum wollten Sie eigentlich zum Fernsehen?

Da gibt es nur eine ganz ehrliche Antwort drauf: Ich wollte gar nicht zum Fernsehen. Ich wollte eigentlich Print-Journalist werden und habe auch damit angefangen, Praktika gemacht und für die „Süddeutsche Zeitung“ und „Augsburger Allgemeine“ gearbeitet. Ich habe dann eigentlich per Zufall mal als studentische Hilfskraft beim Fernsehen reingeschnuppert und dabei festgestellt, dass es extrem spannend ist, weil Du sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten hast und auf ganz vielen Ebenen arbeiten kannst. Es ist eben nicht nur das recherchierte Wort, das Du schreibst. Musik, Stimmung, O-Töne und man hat das Privileg als Reporter wirklich herumzureisen, da es fürs Fernsehen unabdingbar ist, Bilder einzufangen. Die Welt zu sehen, neue Perspektiven zu gewinnen - das hat mich so fasziniert, dass ich dann beim Fernsehen geblieben bin.

Wie hat sich das Fernsehen in den letzten 15 Jahren verändert, Ihrer Meinung nach?

Die Branche ist erwachsener, professioneller, industrieller geworden und ökonomisch ein sehr saturierter Markt im Gegensatz zu früheren Goldgräber-Zeiten, in denen man schon mal ganz viel Geld auf einen Chip gesetzt und einfach gehofft hat. Der Markt ist natürlich auch internationaler geworden. In den Anfangsjahren saß man mehr oder weniger in seinem Kämmerlein und hat versucht herauszufinden, wie denn jetzt gutes Fernsehen geht. Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Inzwischen gibt es viel mehr internationale Zusammenarbeit, einen intensiveren Austausch und man schaut einfach häufiger über den eigenen Tellerrand hinaus.

Jetzt ist Storyhouse ja seit Beginn an international aufgestellt. Deswegen können Sie ja sicher auch beantworten, wie Ihrer Meinung nach deutsche Produktionen in der Welt wahrgenommen werden...

Grundsätzlich brauchen sich deutsche Fernsehmacher in den Bereichen Factual Entertainment und Dokumentation auf dem internationalen Parkett nicht zu verstecken. Es gibt zahlreiche deutsche Fernsehmacher, die im Ausland für internationale Produktionen arbeiten. Kürzlich erst hat Tilman Remme, der jahrelang in London für BBC gearbeitet hat, bei einem gemeinsamen Projekt mit Tandem Communications für Channel 4 für uns Regie geführt. Und aktuell arbeiten wir mit einem deutschen Kollegen bei BBC Worldwide an einer Produktion in London. Der Ruf und die Ausbildung deutscher Fernsehmacher wird im Ausland nicht nur anerkannt, deutsche Kreative sind derzeit sogar sehr geschätzt. Produktionsseitig ist natürlich die Sprache ein Hemmnis. Da haben die Engländer und die Amerikaner einen Heimvorteil.

Hat sich Storyhouse, gegründet von deutschen Fernsehmachern, deswegen gleich in Washington niedergelassen?

Ja, das ist sicher der Kern unserer Firma. Wir arbeiten sehr mit dem Blick auf den internationalen Markt und holen uns entsprechend früh Partner mit an Bord. Das fällt natürlich leichter, wenn man einer Mutter-Firma in Washington hat, die die Kontakte zu National Geographic, Discovery und Co. pflegt, als wenn wir das aus Unterföhring heraus machen müssten. Dafür haben wir in Unterföhring ProSiebenSat.1 direkt gegenüber sitzen. Wie das alles zusammenspielt, zeigt eine Sendung wie „Galileo X.perience“, in der wir uns mit ungewöhnlichen Unfällen und dem Überleben der Betroffenen befasst haben. Sie war zunächstl für ProSieben angedacht. Gleichzeitig sprachen wir aber in Washington mit National Geographic und so entstand sehr schnell ein Dreieck, das am Ende eine superinteressante Produktion generiert hat. Sie lief bei ProSieben – ehrlich gesagt - mit durchwachsenem Erfolg.. International war sie aber ein Riesenhit für die Kollegen von National Geographic Channel. Und davon wiederum hat die ProSiebenSat.1-Vertriebstochter RedArrow International profitiert. Das ist für uns eine Win-Win-Win-Situation, wie sie nur bei einer Positionierung wie der unseren entstehen kann.