„Ich bin weder ermüdet noch ermattet, bin weder verzweifelt noch muss ich irgendetwas beweisen. Ich komme nicht aus der Tiefendepression und habe meinen guten Freund Günther gebeten, mich wie St. Christophorus huckepack zu nehmen, damit das Christkind noch einmal strahlen kann und noch einmal den tiefen Fluss durchquert. Mein Gott, ich könnte in Malibu sitzen und könnte sagen ,Scheiß aufs Fernsehen‘ und bittere Kommentare schreiben.“ Er habe einfach Lust. Und lässt sich die auch nicht ausreden. Nicht mal von seiner Gattin. „Ich habe meiner Frau wirklich zu bedenken gegeben: Thea, wollen wir am Rhein unser ermattet Haupt aufeinander stützen, ich winke den Schiffen zu und die Kinder rufen ,Haribo‘ wenn sie vorbeifahren oder wollen wir unerkannt durch Malibu schleichen und die Leute wissen nicht recht: Ist das ein alternder Porno-Produzent oder ein deutscher Intellektueller? Du hast die Wahl, beides geht nicht mehr. Und dann hat sie nach längerer Überlegung Malibu gesagt“, erklärt Gottschalk. Aber überzeugt hat ihn das nicht.



„Ich habe noch Spielfreude und weiß, dass es irgendwo für mich noch ein Plätzchen gibt im Fernsehen. Und wenn es die Häkelgeneration ist, die darf man auch nicht vergessen. Es läuft ja alles in meine Richtung. Die Leute werden nicht immer jünger, sondern immer älter. Die rennen mir quasi nach. Ich werde ja immer wertvoller, weil ich irgendwann einer der wenigen bin, den die Mehrheit der Deutschen noch kennt. Natürlich ist es manchmal ein Schock wenn es nicht mehr heißt ,Es wäre schön wenn Du mein Freund oder Verlobter wärst‘ sondern eine 14-Jährige erklärt: ,Ich find dich so toll, ich fänds super wenn Du mein Opa wärst‘ Das reicht mir aber. Solange die eventuell einschaltet bei RTL.“ Da war auch das „Supertalent“ hilfreich, so Gottschalk: „Das hat mir bei jungen Zuschauern einen Credit gebracht, der letzten Endes auch zählt.“ Sein Publikum würde ihn auch wesentlich weniger kritisch sehen als die Presse. „Ich frag ja auch nicht ,Wann hat Elton John den letzten Hit gehabt?‘. Der kommt mir entgegen und ich sag: ,Oh prima, Elton John.‘ Die Leute bewerten mich nicht nach aktueller Quotenlage oder ARD/RTL-Position. Für die bin ich einfach der Gottschalk. Und als solcher muss ich nicht meine Haut retten oder um mein Leben kämpfen.“

"Heute kriege ich die ,Hörzu‘ nach Malibu. Das ist so eine ,Apotheken-Umschau‘ mit Radio- und Fernsehprogramm."

Thomas Gottschalk

Generell jedoch hätten sich die Zeiten geändert. Einer von Gottschalks Gedankensprüngen: „Früher wenn der Herr Mose in der ,Hörzu‘ seine Stimme erhoben hat, hat mich das noch irgendwo betroffen. Heute kriege ich die ,Hörzu‘ nach Malibu. Das ist so eine ,Apotheken-Umschau‘ mit Radio- und Fernsehprogramm. Da erschreck ich nicht mehr, wenn drin steht, der Gottschalk hat es hinter sich. Weil ich weiß: das lesen ein paar tausend Leute und haben es morgen wieder vergessen.“ Da gebe es inzwischen andere Stimmen. „Ich bin inzwischen diese Blogger gewohnt, die nachts um 2 Uhr mit bekleckertem T-Shirt da sitzen, weil sie nicht schlafen können und überlegen, wen sie jetzt vollrotzen können. Und wenn dann bei ,Spiegel Online‘ steht, der Gottschalk ist wieder bei RTL, dann schreibt der ,Schmeisst doch die Millionen gleich auf den Müll!‘ und wenn ich bei der ARD bin, dann schreiben sie, dass sie ihre Gebühren nicht mehr bezahlen wollen. Und wenn Du das alles mal verdaut hast, dann sagst Du wieder: Jetzt erst recht!“

An dieser Stelle hätte ein Moderations-Matador wie Gottschalk vermutlich Applaus des Publikums erwartet - die Pause dafür macht er immerhin. Klatscht aber keiner. Kurzzeitig Stille im Raum. Das gab es seit Beginn des Gesprächs nicht und man fragt sich bei der Gelegenheit besorgt, ob Barbara Schöneberger in der Sendung wohl überhaupt zu Wort kommen wird? „Die einen haben die Sorge, dass sie nicht zu Wort kommt. Die anderen haben die Sorge, dass ich ihr ans Knie gehe. Aber die haben das Bühnenbild schon so gebaut, dass ihr Knie außerhalb meiner Reichweite ist“, scherzt Gottschalk. „Das frage ich mich auch“, antwortet wieder zuerst Gottschalk als Jauch nach seiner Motivation bei der Show gefragt wird. Der sagt: „Ich geb zu, wir hatten Lust mal wieder was zusammen zu machen. Ich hatte auch für einen Moment mal überlegt, ob wir aus ,5 gegen Jauch‘ vielleicht ,10 gegen uns‘ machen, also das Format einfach verändern. Aber dann haben wir uns überlegt das Prinzip ,Deutschland gegen uns‘ besser in einer eigenen Sendung zu machen.“

Gottschalk Jauch© RTL


Gottschalk: „Ich freu mich drauf und lass mir das auch nicht durch vorauseilende Angst vermiesen. Wenn nicht jetzt, wann dann. Ich glaube, dass ich ein Gespür dafür habe, ob das Publikum mich noch haben will oder nicht. Das Publikum wohlgemerkt, nicht die Presse. Wenn es nach der ginge, hätte ich schon 1978 aufhören müssen." Aber gehe er nicht das größere Risiko bei dieser Sendung ein, wo doch bei ihm alles gut läuft, wird Jauch gefragt. Ob er nicht befürchte von Thomas Gottschalk "mit in die Tiefe gerissen zu werden"? Auf ein lautes Raunen folgt Gottschalk: „Da wollte er doch immer hin.“ Jauch hingegen ernsthaft: „Es gibt drei Möglichkeiten: Entweder die Sendung läuft sehr schön und alle freuen sich, dass das ein Erfolg ist. Das Zweite ist: Naja, ist ganz gut gelaufen aber musste man jetzt auch nicht anschauen. Mal sehen, kann sich noch steigern etc. Und die dritte Möglichkeit wäre dann ,Um Gottes Willen, das ist Fernsehen zum Abschalten‘. Und wenn Sie - nicht wir - die Latte jetzt so hoch hängen, wird das am Ende am wahrscheinlichsten sein, weil sie wer weiß was für eine Vorstellung haben. Ich kann verstehen, dass sie das nach außen so darstellen aber bitte ganz herzlich um das Verständnis, dass ich es nicht ganz so dramatisch sehe.“ Dramatisch werde es in Unterhaltungsshows hingegen oft, wenn es um Doppelmoderationen geht. „Wenn es droht in den Marianne & Michael-Bereich zu bewegen, wo der eine den Satz vom anderen vollendet...“ Gottschalk imitiert parallel dazu „...das war immer mein Albtraum“, so Jauch. Das sei bei ihnen  anders. Jauch: „Da er sich nichts merken kann...“ „...und Du alles weißt“ „Da passt das ganz gut“.

Sie sind eben doch ein bisschen Marianne & Michael. Aber man ahnt, was sie meinen. Jauch: „Wir haben beide eine Reihe von Doppelmoderationen durchlebt oder durchlitten, auch mit sehr freundlichen Kolleginnen und Kollegen, mit denen man hinter der Kamera gut klar kam, aber in dem Moment wo die Kamera anging, standen drei Leute hinter der Bühne und stoppten die Moderationsanteile.“ „Es ist nicht überheblich gemeint, wenn man sagt: Mit anderen Kollegen ist das schwierig. Weil einem ja auch oft unterstellt wird, dass man jemand anderem zu wenig Raum gibt. Manchmal redet man aber auch einfach nur weiter, weil man Schlimmeres zu verhindern glaubt. Das ist bei Günther nicht der Fall“, so Gottschalk. „Wenn ich ihm zuschaue, dann leide ich manchmal mit ihm, weil ich weiß in welcher Situation er ist, aber ich habe nie Angst um ihn. Ich weiß einfach: Der Mann kann eine Live-Sendung - und es ist ja auch ganz wichtig, dass es eine Live-Sendung ist, weil gestaltetes Fernsehen haben wir heute genug." Und das sei wirklich eine Herausforderung: Um 20.15 Uhr in den Ring zu steigen und dann einfach laufen lassen. Etwas ganz anderes also als das „Supertalent“. Darüber sagt Gottschalk heute: „Das Format hatte ich nicht richtig begriffen. Ich saß da drei Stunden vor der Kamera und hab gedacht ich bin im Fernsehen. Aber das wurde ja alles nachträglich verdichtet. Das geht bei der Live-Show nicht.“

Da sei alles spontan. „Es gibt nur ein paar Absprachen. Er darf nichts zu meiner Frisur sagen zum Beispiel und ich darf nichts über sein Geld sagen“, ulkt Gottschalk. „Damit wäre der Boden dann auch so ungefähr abgesteckt“, so Jauch. „Ansonsten ist alles möglich“, fährt Gottschalk fort. „Und ich glaube, da ist wesentlich mehr Unterhaltungspotential drin als im Knabbern an irgendeiner Quizfrage. Da ist RTL das Risiko eingegangen, nochmal an die Kraft der Unterhaltung zu glauben und nicht nur ans Format an sich, denn wenn diese Show funktioniert, dann in erster Linie aufgrund von uns beiden. Da kannst Du nicht irgendjemanden beliebigen hinstellen.“ Noch mit vollem Mund widerspricht Jauch: „Weiß ich gar nicht, jetzt wagst Du Dich ziemlich weit vor. Kann auch sein, dass die Sendung...“ „...demnächst mit jemand anderem läuft?“, fragt Gottschalk. Gelächter. Wieder einen Punkt gemacht bei den Journalisten. Er grinst zufrieden. „Nein, dass sie nicht so funktioniert, wie wir uns das jetzt hier schönreden“, schiebt Jauch hinterher. Wäre auch nicht schlimm, mein Gottschalk: „Er hat den Sonntagabend, ich hab Malibu“.

„Letzte Ausfahrt RTL - wo die Ausfahrt zur Sackgasse wird?"

Günther Jauch

Ein sehr geschätzter Kollege bringt endlich den nötigen Tiefgang in das Pressegespräch: Sei diese Show jetzt so eine Art letzte Ausfahrt TV? Alle lachen. Gottschalk auch: „Ja, so kann man‘s schreiben. Hätten Sie sowieso geschrieben aber ich bestätige Ihnen das gerne.“ Wieder Gelächter „Aber ich mache auf der Landstraße weiter“, verspricht Gottschalk. „Letzte Ausfahrt RTL“, schlägt Jauch als Überschrift vor und schiebt diebisch lachend die Unterzeile hinterher: „Wo die Ausfahrt zur Sackgasse wird?“ „Jetzt geht‘s aber los hier“, raunzt Gottschalk ihn amüsiert von der Seite an. Ob er bei einem Scheitern dieser Show denn noch einmal einen neuen Anlauf nehmen würde. „Ja, mit Pocher. Ist schon geplant.“ Wieder Gelächter. Doch der Kollege der dpa wünscht sich eine ernsthaftere Antwort. Ob Gottschalk diesbezüglich sein Leben überdacht habe. „Ich hab mein Leben nie überdacht und werde jetzt im hohen Alter nicht damit anfangen“, kontert der Moderator. Wenn es eine letzte Ausfahrt für ihn gebe, dann wäre es letzte Ausfahrt: Malibu.