Wenn wir mal über Genres sprechen, dann erscheint es mir derzeit, als wenn wir ein Revival der Dating-Formate erleben...

Rettler: (lacht) Genügend Formate gibt es in jedem Fall. Ob Dating jetzt das Trendthema des Jahres ist, weiß ich nicht. Authentizität ist es aber auf jeden Fall. Da gibt es in gewisser Weise Parallelen zum „Supertalent“ oder aber dem leichten Abflauen der Scripted Realitys. Vorbei die Zeit der immer extremeren, immer inszenierteren Sachen hin zu Mut und Vertrauen in echte Geschichten und Momente. In diese Richtung entwickelt sich gerade viel im deutschen Fernsehen. Das begrüße ich sehr.

Kühn: Das Dilemma des Genres Dating: Für einen jungen Protagonisten bedeutet Dating ein bisschen Spaß und das darf es dann auch schon wieder gewesen sein. Für einen älteren Protagonisten bedeutet Dating die ernsthafte Suche nach jemandem, mit dem man den Rest des Lebens verbringen kann. Mal soll es also ein Spaß zwischendurch sein, mal eine ernsthafte Partnersuche. Und diese Zwickmühle hat man nicht nur bei den Protagonisten sondern auch beim Publikum, fürdas das Thema Dating, eben auch nur eines von beidem bedeutet oder aber komplett irrelevant ist. Ich glaube das Revival mit Dating, das stark von RTL II ausgeht, hängt natürlich mit der dort sehr klaren, jungen Zielgruppe zusammen. Aber ich glaube, wir sind beim Thema Dating auch beinahe wieder am Ende der Fahnenstange angekommen. Ein Thema, das sehr schnell aufgeheizt wurde und sich langsam schon wieder abkühlt.



Stichwort Abkühlen: Gibt es denn Genres, die derzeit völlig ungefragt sind Ihrer Ansicht nach?

Kühn: Was ich schade finde, ist das Fehlen einer klassischen Daily Gameshow. Wenn ein Sender da mal glücklos experimentiert hat, wagt sich ja auch erstmal niemand anderes ran. Da tut man einem international gut funktionierenden Genre Unrecht. Die Daily Gameshow liegt in Deutschland leider brach. Und selbst wenn ein Sender sich mit einem Format mal ein blaues Auge geholt hat, dann bleibt immer noch eins übrig, um es auf neue Ideen in diesem Genre zu werfen (lacht).

Dafür kommt in der Primetime ja „Die perfekte Minute“ zurück. Aber wo haben Sie denn Ulla Kock am Brink gelassen?

Kühn: Da müssen Sie den Sender fragen. Wir haben uns sehr gefreut, dass Sat.1 die Sendung noch einmal beleben will, weil wir glauben, dass man die 3. Staffel damals unter Wert verkauft hat. Damals wollten wir alle, Sender und wir als Produktionsfirma, vielleicht zu viel. Aber nach der Pause freuen wir uns auf die Fortsetzung, die aus Sendersicht halt einen frischen Wind brauchte. Aber ich möchte betonen: Ohne einen Vollprofi wie Ulla hätten wir die Sendung damals aber ganz sicher gar nicht erst auf die Beine gestellt bekommen.

Rettler: Bei unseren Überlegungen für die „Perfekte Minute“ stand immer das Motto „Back to the roots“ im Mittelpunkt. Wir wollen die Sendung also nach der ein oder anderen falschen Entwicklung wieder zu dem Kern bringen, der in Staffel 1 so gefeiert wurde. Ich kann den Sender verstehen, der da dann umso dringender ein neues Element braucht. In dem Fall also die Moderation durch Thore Schölermann, der sich total für die Spiele der Sendung begeistert. Und diese Begeisterung für die eigentlich so banalen Spiele ist es, die die Sendung ausmacht.

Mal kurz weg von der großen Showbühne: Sie produzieren auch für den PayTV-Sender TNT Glitz zwei kleine Formate. Ein erhoffter Fuß in der Tür für mehr? Steckt im PayTV noch Musik drin?

Kühn: Das hat auch viel damit zu tun, dass die Budgets für Factual Entertainment bei den kleineren FreeTV-Sendern so radikal geschrumpft sind, dass es da kaum noch Unterschiede bei den Minutenpreisen gibt zwischen manchem FreeTV-Sender und dem was das PayTV zahlt. Das Schöne am PayTV ist die ruhigere Arbeit, weil man Fernsehen für den Zuschauer macht und nicht die Vermarktbarkeit. Wir konnten bei den Formaten für TNT Glitz sehr experimetierfreudig sein und die Erfahrungen z.B. in Sachen Bildsprache, die wir dort in vier Staffeln „Mein Leben auf dem Land“ gesammelt haben, helfen uns beispielsweise bei einem Format wie „Deutschlands beste Bäcker“. Oder bei einem anderen schönen Projekt, das wir für Österreich planen.

Bleibt Shine Germany per se auf non-fiktionale Fernsehunterhaltung ausgerichtet?
 
Kühn: Da sprechen Sie ein Thema an! Ja und nein. Die Fiktion ist ein Thema über das wir eigentlich von Beginn an diskutieren. Aber wir haben uns bislang dagegen entschieden, weil wir das was wir tun, auch auf dem bestmöglichen Level tun wollen. Und da ist fiktionale Unterhaltung noch einmal ein ganz anderes Feld.  Noch ein weiterer TV-Movie-Produzent zu werden, reizt uns nicht. Da haben die Sender nicht drauf gewartet. Wenn wir mal fiktionale Projekte angehen sollten, dann müsste es etwas Großes sein. Unsere britischen, französischen und amerikanischen Kollegen haben ja zum Beispiel „Bron" (bei uns "Die Brücke")“ adaptiert. Das wäre ein Thema gewesen, das wir in Deutschland mit dem Grenzkonflikt Deutschland / Polen gern aufgegriffen hätten. Konnten wir aber in diesem konkreten Fall aufgrund der rechtlichen Situation nicht. Beim nächsten geeigneten Stoff aus der Shine-Familie werden wir das Thema aber sicher intensiver diskutieren.

Der Markt der TV-Produzenten wird ja härter. Überall Übernahmen und Fusionen derzeit…

Kühn: (lacht) Wirklich?

Welche Endemol-Produktion gefällt Ihnen denn am Besten?

Kühn: Warten Sie, lassen Sie mich mal kurz auf die Endemol-Homepage gehen. (lacht)

Rettler: Endemol hat ein so breites Spektrum und so viele Klassiker im Portfolio, dass es mir spontan schwerfällt, da etwas hervorzuheben.

Kühn: Ich finde auch bei den Kollegen die Frischzellenkuren bei lang laufenden Formaten sehr beachtlich, wenn wir uns zum Beispiel „Wer wird Millionär“ und das sehr gelungene Überraschungs-Special anschauen. Das Format bleibt sich im Kern treu und wirkte trotzdem aufgelockert. Das ist einfach ein Alltime-Klassiker. Und dann bin ich privat ein großer Fan von Joko & Klaas.

Nochmal konkret zum Schluss: Welche Auswirkungen hat die angedachte Fusion zwischen Shine Group und Endemol derzeit für Sie?

Kühn: Da können wir im Detail noch nicht wirklich etwas zu sagen. Das wäre der vierte Schritt vor dem ersten. Unsere Gesellschafter halten uns auf dem Laufenden, aber erst einmal müssen Entscheidungen irgendwo fernab des deutschen Marktes getroffen werden. Bis das dann in Deutschland ankommen könnte, dürfte noch einige Zeit vergehen. Bis dahin arbeiten wir ebenso wie sicher auch die Kollegen von Endemol konzentriert an unseren eigenen Projekten. Da sind wir ganz entspannt.

Herr Kühn, Herr Rettler, herzlichen Dank für das Gespräch.