Herr Körner, an was wird man sich erinnern, wenn man ans deutsche Fernsehjahr 2014 zurückdenkt?
 
Ein ganzes Fernsehjahr in wenige Worte zu fassen, ist nicht leicht. Es war sicherlich geprägt durch die Berichterstattung über aktuelle politische Krisen und sportliche Großereignisse, aber auch die mediale Erinnerung an den Ersten Weltkrieg. Das spiegelt sich in sehr vielen starken Dokumentationen und dokumentarischen Mehrteilern wider. In der Fernsehunterhaltung haben wir den Rückgang der großen Unterhaltung und ein abnehmendes Interesse für die Talentwettbewerbe beobachtet. Hier sind eher kleine Formate im Kommen. Prägend waren sicherlich auch die Erfolge der Krimireihen, die so stark waren wie selten. Interessant ist, dass hier zunehmend auch Kinogesichter zu sehen sind – eine spannende Bewegung, die zeigt, dass das Fernsehen auch im deutschen Kino Wertschätzung erfährt.

Vom Talk beim Jugendsender über die traditionell starken öffentlich-rechtlichen Produktionen bis zum Primetime-Erfolg von RTL: Ein Blick auf die Nominierungen zeigt, dass 2014 in den Bereichen Information und Infotainment ein sehr starkes Jahr war.
 
Wir sehen das genauso, und das spiegeln unsere Nominierungen auch wider. Die Privaten nähern sich der Information auf ihre Weise. „Das Jenke-Experiment“, „Team Wallraff“ oder „Jung & Naiv“ belegen, dass man dieses Feld nicht den Öffentlich-Rechtlichen überlassen wird und das Privatfernsehen hier sehr wertvolle Beiträge liefert.
 
Wie steht es um die deutsche Fiktion im linearen Fernsehen, in einem Jahr, in dem viel von neuen US-Serien und Nutzungssituationen gesprochen wurde?

Sehr gut, wenn man sich die Erfolge der ARD am Sonntagabend anschaut. Unter großen Marken wie „Tatort“ oder „Polizeiruf 110“ finden wir eine große Bandbreite an Geschichten. Dazu kommen bewegende Fernsehfilme auch im ZDF oder bei SAT.1. Die fünf Nominierten in der Kategorie Bester Fernsehfilm belegen das Potenzial an unterschiedlichen Blickwinkeln, Haltungen und Inszenierungen. Zum deutschen Fernsehen 2014 gehört das wachsende Interesse am komplexen, seriellen Erzählen. Jedes Land entwickelt hier eigene Handschriften, und wir entdecken diese gerade wieder neu.
 
Gibt es aus Sicht der Jury TV-Genres, die im Jahr 2014 weniger ergiebig waren?
 
In der Unterhaltung hat uns die große Live-Show gefehlt. Im Fiktionalen vermissen wir die Komödie, die leichten Stoffe, wobei im Bereich der Comedy wie im Dokutainment Neues versucht wurde. Aber ein Wunsch bleibt: Wir wünschen uns Fernsehen, das auf das Unvorhergesehene, auf magische und unkontrollierte Momente vertraut. Die Austreibung der Spontaneität und der Ereignishaftigkeit ist lähmend. Das Fernsehen sollte wieder lernen, dem Augenblick zu vertrauen.
 
Also im kommenden Jahr auch einen neuen Fernsehpreis wieder live verleihen…

Es wäre kleinmütig und sehr augenblicksverhaftet, wenn man den Deutschen Fernsehpreis jetzt Geschichte werden lassen würde. Die Stifter haben bei diesem Projekt eine gemeinsame Verantwortung über den Tag hinaus. Und ja, der Fernsehpreis muss live gesendet werden, in der Primetime!

In der Kategorie Comedy überrascht, dass das „Neo Magazin“ nicht im Rennen ist. Bei anderen Preisverleihungen wurde die Sendung nominiert oder sogar ausgezeichnet...

Das „Neo Magazin“ ist natürlich intensiv diskutiert worden. Keine Frage, die Sendung ist sehr gut gemacht und hoch gelobt. Offen gesagt: Es war eine knappe Entscheidung.
 
Zu wenig Fürsprecher hatte offenbar auch „Die Höhle der Löwen“, ein sehr positiv besprochenes neues Format, das für Vox auch noch ein Quotenerfolg ist…

Die "Höhle des Löwen" ist in gewisser Weise ein Sonderfall, da die Sendung erst unmittelbar vor Ende des Wettbewerbszeitraums startete und die Jury nur die ersten beiden Sendungen beurteilen konnte. Vielleicht wäre die Nominierung zum jetzigen Zeitpunkt anders ausgefallen.

Herr Körner, herzlichen Dank für das Gespräch.