Aber starke Werbung gibt es inzwischen auch im Netz. Aktiv verbreitet von den Konsumenten selbst via Social Media. Sieht TV-Werbung da nicht alt aus? Insbesondere, wenn sie immer unkreativer wird?

TV-Werbung funktioniert. Sonst würden Kunden nicht immer wieder diese Werbeform wählen. Es kommt ja immer darauf an, welches Ziel der Werbetreibende verfolgt und für welchen Zweck der Spot gemacht wurde. Für schnellen Bekanntheitsaufbau ist TV unschlagbar. Zudem gibst Du im Netz einen Teil der Kontrolle über die Kampagne ab.



Also bereitet ihnen das Netz keine Sorgen im Hinblick auf Konkurrenz für TV-Werbung?

Manche gute Werbung findet im deutschen Fernsehen nicht statt. Aber nicht zwangsläufig deshalb, weil es Werbung ist, die gezielt fürs Netz gemacht wurde. Meistens sind es einfach ausländische Clips, die dort begeistert geteilt werden. Wenn wir also beobachten, dass tolle Werbeclips sogar aktiv von Konsumenten über ihre Social Media-Profile geteilt werden, dann ist das ein gutes Signal für die Kraft von bewegten Bildern. Es ist nicht das Netz, auf das wir neidisch sind. Wir sind manchmal vielleicht einfach neidisch auf ausländische Werbespots - die man bei uns dann eben nur im Netz sieht. Davon haben wir schon einige als Leider-Geil-Spot in unser Programm geholt. Ameisen, die für Buslinien werben, Katzen, die nachts zum Kühlschrank schleichen, um ihre Lieblingsmilch zu trinken… Es ist erstaunlich, was für unterhaltsame Ideen manche Marken haben, um ihr Produkt im TV zu inszenieren.

Welche Sendestrecken bei Tele 5 sind denn für Sie derzeit bei der Vermarktung im Fokus?

Wir sind ja wie schon gesagt, einen langen Weg gegangen. Anfangs waren ganze Programmflächen mit Informercials und Werbefenstern besetzt, die wir längst weitgehend verbannt haben. Wir haben das immer nur als Übergangslösung betrachtet, weil wir die Markenartikler für Tele 5 erst sukzessive gewinnen mussten. Das waren, als ich zu Tele 5 kam, gerade mal 40. Heute haben wir über 500. In den letzten sieben Jahren haben wir also ordentlich zugelegt. Und das, obwohl oder auch gerade, weil wir sehr genau auf die Qualität der Werbeblöcke geschaut haben und nicht jeden Spot platzieren. Denn wir sind davon überzeugt, dass eine Qualitätskontrolle im Werbeblock ganz im Sinne der schaltenden Unternehmen ist. Die Hauptwerbezeit im TV, die wir vermarkten, ist die Sendezeit zwischen 17 und 23 Uhr. In diesem Intervall machen wir 80 bis 85 Prozent unseres Umsatzes. Derzeit arbeiten wir daran, diese Zeiten in beide Richtungen auszubauen, also weiter in den späteren Abend wie auch in den frühen Nachmittag. Reichweiten-technisch sind wir da auf einem guten Weg. In der Daytime zwischen 14 und 16 Uhr sind wir mit der Performance noch nicht zufrieden. Diese Zeitschiene ist gerade für die Zielgruppe der Haushaltsführenden höchst relevant. Hier haben wir mit Wiederholungen aus unseren Access Serien schon Senderniveau, aber da geht noch was.

Wo Sie die Schwierigkeiten in der Daytime ansprechen. Da habe ich mich immer gefragt, warum nicht gerade Tele 5 ein Kinderprogramm in der Daytime neu auflegt. Das war ja - wie „Wrestling“ - auch mal eine Farbe dieser Sendermarke. Jetzt ist es angesichts neuer Sender natürlich zu spät…

Wir haben uns das in der Vergangenheit mehrmals gefragt. In den ersten Jahren gab es bei Tele 5 am Nachmittag Animes, die gut gelaufen sind. Davor hätte man Kinderprogramm spielen können. Aber wir haben das immer wieder durchgerechnet und kamen zu dem Ergebnis, dass uns das mittelfristig nicht hilft. Das ist ein ganz anderer Markt mit eigenen Gesetzen. Wir haben auch so immer neue Ziele vor Augen, die Wachstum versprechen.

Was wäre das dann aktuell?

Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem wir neue Duftmarken setzen. Dazu bedarf es auch einer Argumentation in den Werbemarkt. Natürlich werden wir gefragt „Was heißt denn jetzt ‚leider geil‘? Ihr wollt anders sein? Was ist denn so anders?“. Wir wollen für unterschiedlichste Communities und Zielgruppen neue Programme entdecken und Ihnen im TV eine Heimat geben. Der Punkt ist, dass Tele 5 nicht einfach kauft und sendet, sondern mit den Inhalten kreativ arbeitet. Ein tolles Beispiel sind die „Schlechtesten Filme aller Zeiten“ („SchleFaZ“). Damit hat Tele 5 gezeigt, wie man bekannte und belächelte Programminhalte so verpacken kann, dass sie - zusammen mit der Präsentation durch Oliver Kalkofe und Peter Rütten - zum Kult werden können. Den Mut dazu muss man haben, Programm mit diesem Augenzwinkern zu machen. Das zu vermitteln, fällt bei Agenturen weitaus schwerer als bei den Werbekunden selbst, was mit ein Grund ist, dass wir mit diesen immer intensiver in direkten Dialog treten. Dass man sich dort Zeit für Tele 5 Zeit nimmt, zeigt die Neugier für diesen Sender, der irgendetwas anders macht. Die Prägnanz solcher Programme ist für Kunden, die auffallen möchten, eine reizvolle Spielwiese. Für uns als Vermarkter ist das natürlich ein klarer Mehraufwand, diese neuen „Duftmarken“ vorzustellen und im Markt zu platzieren. Der positive Aspekt ist: Man kommt ins Gespräch und lernt seine Kunden besser kennen.

Mit Kai Blasberg an der Spitze und Experimenten im Programm - da wirkt der Sender vielleicht manchmal wie eine wilde Kommune. Nur Sie müssen ganz konservativ das Geld dafür verdienen…

(lacht) Wir freuen uns, wenn man Tele 5 alles zutraut und mit Kai Blasberg an der Spitze sind wir tatsächlich kein Sender wie jeder andere, weil er selbst mit Leidenschaft und Liebe Programm macht, auch aus dem Vermarktungsgeschäft kommt und den Markt sehr genau kennt. Zu polarisieren ist besser als nicht aufzufallen. Aber ich denke, es ist auch wichtig, dazu einen gewissen kaufmännischen Ausgleich zu schaffen. Er sieht sich zum Beispiel gerne in der Rolle eines Zirkusdirektors (lacht); wir sind also nicht wirklich eine Kommune, eher ein Programmzirkus. Wir experimentieren mit Inhalten, aber vom Anteil der Sendezeit betrachtet, sind die Spielfilme und Serien unser Brot-und-Butter-Programm. Die Eigenproduktionen und Unterhaltungsformate machen, auch mit unseren Neustarts der nächsten Monate, einen Anteil von 5 bis 10 % am Programm aus. Sie sorgen aber für ungleich mehr Aufmerksamkeit. Und das ist auch so gewollt.

Verflucht man manchmal, dass man einen Geschäftsführer hat, der selber aus der Vermarktung kommt und einem reinreden will?

Nein, überhaupt gar nicht. Weil er sehr genau versteht, um was es geht. Man kann ihm also nichts vormachen. Das ist gut. Meistens jedenfalls. (lacht)

Herr Graf, herzlichen Dank für das Gespräch.