Wie genau kamen Sie überhaupt zum ORF?

Ich bin nach Österreich gegangen, weil ich Theaterwissenschaften studieren wollte, habe dann allerdings schnell gemerkt, dass das für mich ein Klangstudium ist - klang gut, war aber völlig langweilig. Daraufhin habe ich meine Bekannten gefragt, ob sie zufällig wüssten, wo ich arbeiten könnte. Eine von ihnen war zufällig beim Radio, wo ich dann auch sofort genommen wurde. So etwas wäre heute gar nicht mehr möglich.

Schade, oder?

Sehr schade. Diese ganzen Auswahlverfahren mit Kategorien, die gar nichts mit dem zu tun hast, was du später mal machen möchtest, sind eine Seuche. Heute darf sich leider niemand mehr ausprobieren. Du bekommst eine einzige Chance und wenn du die nicht nutzt, dann ist es vorbei. Dadurch gehen ganz viele Talente verloren.

Können Sie sich das, was Sie in Österreich machen, auch in Deutschland vorstellen?

Theoretisch schon, allerdings wüsste ich nicht, warum ich das machen sollte. "Soul Kitchen" ist eine Ausnahme, weil das ein ganz herrliches Format ist. Unsere Sendung, die wir in Österreich machen, ist dort schon sehr gut aufgehoben. Ich hätte wenig Lust, sie auf RTL II zu machen. (lacht)

Deutschland hat Joko und Klaas, Österreich hat Stermann und Grissemann. Wer hat's besser?

(überlegt) Ich persönlich hab's besser, weil ich nicht so gefährliche Dinge tun muss. Außerdem habe ich Höhenangst. Joko und Klaas gehören aber auch einer Generation an, die mit dem Fernsehen ganz anders aufgewachsen ist. Mir ist es wesentlich wichtiger, den Leuten zuzuhören. Die beiden brauchen dagegen jede Menge Action, die mir gestohlen bleiben kann.

Was muss eine Sendung auszeichnen, damit Sie sich darin wohlfühlen?

Am liebsten werde ich von dem überrascht, was ich selbst und andere machen. In Wirklichkeit hat es in diesem allglatten Medium Fernsehen ja schon fast alles gegeben. Aber wenn Menschen in der richtigen Situation aufeinandertreffen und ins Gespräch kommen, dann kann trotzdem noch etwas Besonderes entstehen.

Ihr Geheimrezept?

Ich bin fest davon überzeugt, dass Alkohol hilft. "Inas Nacht" funktioniert, weil dort getrunken wird und sich Menschen, die man sonst nur ganz beherrscht kennt, plötzlich von einer anderen Seite zeigen. Gelegentlich schaue mir in Wien Tanztheater an. Mein Lieblingsstück war das eines Schweizer Choreographen, das aus acht Tänzern bestand, die auf der Bühne tranken und mit der Zeit immer schlechter tanzten. Am Ende saß nur noch eine auf der Bühne und sagte irgendwann "It's over". Das war toll, weil man so etwas sonst nie erlebt. Im Fernsehen ist es genauso. Da erinnert man sich am Ende auch nur an die Auftritte von Helmut Berger.

Dieses Stück können die aber nicht jeden Abend aufführen.

Es war auch nicht erfolgreich. Ich habe den Choreographen kürzlich kennengerlernt und er sagte mir, dass es für viele Jahre seine letzte Arbeit war. Die meisten wollen eben die Perfektion auf der Bühne sehen. Dabei ist das Gegenteil davon häufig viel spannender.

Worin sehen Sie die größten Unterschiede zwischen dem deutschen und dem österreichischen Fernsehen?

Die Unterschiede waren früher viel größer, als man in Österreich nur zwei Programme empfangen konnte und es deutsches Fernsehen allenfalls im Grenzgebiet gab. Das hat sich inzwischen weitgehend angenähert, allerdings gibt es in Österreich nach wie vor Formate, die in Deutschland in dieser Form womöglich nicht funktionieren würden. So etwas wie "Braunschlag", also eine Serie, die hinterfotzig und unglaublich direkt daherkommt, hätte es in Deutschland schwer.

Freuen Sie sich auf den Eurovision Song Contest, der für den ORF 2015 ein sehr großes Thema sein wird?

Natürlich freue ich mich nicht darauf, weil dort die schrecklichste Musik der Welt gespielt wird! Und ich freue mich auch nicht für den ORF, weil er wahnsinnig viel Geld dafür ausgeben wird. Das nächste Jahr wird kein Jahr sein, in dem der ORF viel wird ausprobieren können. Das bedauere ich sehr.

"Soul Kitchen" kommt für Sie also zur rechten Zeit. Was haben Sie aus der ersten Folge mitgenommen?

Wir haben in vor wenigen Wochen in Wien ein neues Programm aufgeführt. Kurz vorher rief Dolly Buster bei mir an und fragte mich, ob ich ihr noch Karten besorgen könne, weil eigentlich keine mehr vorhanden waren. Das habe ich gemacht - und Dolly Buster kam tatsächlich zur Premiere. Das hätte ich mir auch nicht träumen lassen.

Wie haben Ihre Fans reagiert als sie Dolly Buster im Publikum entdeckten?

Das passte ganz gut. Das Stück nennt sich nämlich "Für die Eltern was Perverses". (lacht)

Herr Stermann, herzlichen Dank für das Gespräch.