Wie schwierig ist es, gegenüber dem Mutterkonzern mit sehr ambitionierten Zielen zu erklären, dass es die Weltmarke Disney in Deutschland auf dem Kindermarkt gerade so aufs Treppchen schafft?

Gerhardt: Das ist überhaupt nicht schwierig zu vermitteln. Das sind ja Profis. Vor dem Start des Senders waren wir alle in Burbank und haben unsere Ideen und Prognosen vorgestellt. Die Kollegen kennen das Marktumfeld, ihnen war klar, dass der Disney Channel kein Projekt ist, das auf ein Jahr angelegt ist und wir auch nicht der erste Sender in diesem Segment sind. Wir sind aber auf allerbestem Weg.



Es gibt derzeit ja zwei Ligen im deutschen Kinderfernsehen: Super RTL und Ki.Ka pendeln sich bei 19-20 Prozent ein, unten Disney Channel und Nickelodeon bei unter 10 Prozent. Sehen Sie Aufstiegschancen?

Lars Wagner: Für das laufende Jahr haben wir uns zum Ziel gesetzt, in der Daytime über zehn Prozent Marktanteil zu liegen. Gleichzeitig ist es unser Anspruch, dauerhaft vor Nickelodeon zu sein. Und mit Blick auf die 14- bis 49-Jährigen wollen wir die Ein-Prozent-Hürde dauerhaft nehmen. Längerfristig besteht noch viel Luft nach oben und entsprechendes Wachstumspotenzial.

Ralf Gerhardt: Und was das Einpendeln von Super RTL und Ki.Ka in der ersten Liga angeht: Diese Aussage ist nur bedingt richtig, wenn man die Monatsverläufe betrachtet Das hätten die Marktteilnehmer gerne. Wir haben jedenfalls mit Disney einen großen Programmlieferanten im Kreuz, der in den USA drei Sender betreibt, bei denen wir uns für die Daytime bedienen können, sowie ein lokales Team, das auf dem europäischen und globalen Markt Spitzen-Produkte dazu kaufen kann. Das sieht auch gegenüber dem Wettbewerb nicht so schlecht aus.
 
Lässt sich sagen wie viel Prozent des Programms Sie zukaufen?

Ralf Gerhardt: Es bestehen sehr große Unterschiede zwischen Kinder- und Hauptabendprogramm, eine genaue Prozentzahl kann ich nicht nennen. Wir haben gerade mit Blick auf das Kinderprogramm die Archive voll mit eigener Ware, sind aber mittlerweile dabei, sehr früh in neue Projekt einzusteigen. Das benötigt allerdings noch Zeit. In der Primetime verhält es sich etwas anders. Wir sind ein ganz normaler Marktteilnehmer und kaufen von allen ein, die mit uns ins Geschäft kommen wollen - sofern das Material denn auch zu unserer Positionierung passt. Einer Positionierung, die in der Primetime jetzt schon recht klar und eindeutig ist. Auch dort haben wir im ersten Jahr recht viel gelernt, dass wir also beispielsweise mit jungen Frauen eine Subdemo haben, die wir ganz gut bedienen können. Sicherlich von ABC Family, aber auch von Warner und anderen.

Gibt es im Kinderfernsehmarkt eigentlich Trends, die sich beobachten lassen?

Ralf Gerhardt: Ich sehe mehrere Entwicklungen nebeneinander. Eines aber steht über allem: Eine gute Geschichte gewinnt immer. Daneben braucht man gute Charaktere. Wir kriegen zum Beispiel „ Die 7Z“, eine neue Serie zu den sieben Zwergen. Die Zwerge sind zwar alt, aber die Geschichten neu - und  dazu unheimlich gut umgesetzt. Darüber hinaus geht die Tendenz zu Live Action. Dieser Trend wird in Deutschland immer populärer. Mit "Violetta" gibt es in diesem Bereich sogar ein ganz neues Genre. Bislang hatten wir immer nur Comedys und Sitcoms, die für Kinder taugten, nun haben wir mit dieser „soapig“ erzählten Telenovela ein weiteres Standbein, das den Kindern, aber auch uns viel Freude bereitet. Uns liegen noch zwei nicht ausgestrahlte Staffeln mit insgesamt 160 Folgen vor. Gleichzeitig befinden sich weitere Projekte dieser Art in der Pipeline. Diesen Trend darf man nicht verschlafen.

Für die Primetime haben Sie im Oktober schon einige neue Serien angekündigt. Gibt es weiteren Nachschub zu vermelden?

Ralf Gerhardt: Wir haben unser umfangreiches LineUp für die ersten Monate 2015 wie Sie sagten ja schon angekündigt. Neu hinzugekommen ist noch "Roseanne", was daran liegt, dass wir in der Late Prime mit bekannten Comedy-Serien ganz gut fahren. Mit "Scrubs" und "Friends" haben wir da ja bereits zwei Hochkaräter.

"Wir sind klarer Absender unserer eigenen Sendungen. Das hat vorher nicht ganz so gut funktioniert"

Lars Wagner


Sie definierten Erfolg eingangs über Verbreitung, Programm und Marketing. Wie sieht es mit dem wirtschaftlichen Erfolg des frei empfangbaren Disney Channels aus?

Lars Wagner: Ich glaube das, was man schon nach dem ersten Jahr sagen kann ist, dass wir vor allen Dingen für den deutschsprachigen Raum jetzt eine ganz andere Verankerung und Präsenz der Marke Disney im Markt haben. Wir sind klarer Absender unserer eigenen Sendungen. Das hat vorher nicht ganz so gut funktioniert und ist eines der langfristigen strategischen Ziele.

Geschickt ausgewichen. Dann frage ich anders: Wie läuft die Eigenvermarktung durch Disney Media+?

Lars Wagner: Unser Vermarktungs-Arm Disneymedia+ blickt auf ein sehr erfolgreiches erstes Jahr zurück und hat die gesteckten Umsatzziele vollumfänglich erfüllt. Da liegen wir also innerhalb unseres sehr ambitionierten Plans. Auch das neue Jahr ist mit mehreren bekannten Neukunden wie L'Oreal und Ikea bereits sehr vielversprechend angelaufen. Der Disney Channel ist nach einem Jahr also auch in der Werbeindustrie deutlich präsenter. Unsere Truppe, die wir hier haben, macht einen erstklassigen Job, wie der Vermarkter-Check der "w&v" kürzlich gezeigt hat. Die Kunden sind dabei sehr an den integrierten Vermarktungsmöglichkeiten interessiert, weil wir im Kern zwar TV sind, gleichzeitig aber auch  Kino, Home-Entertainment und Online anbieten können. Mit der Lufthansa haben wir beispielsweise ein sehr schönes Case auf die Beine gestellt. Das erste Jahr war aus Vermarktungssicht eine sehr gute Basis - selbstverständlich mit ordentlichen Steigerungsmöglichkeiten für die folgenden Jahre.

Eine letzte persönliche Frage: Warum steckt für die Generation 30+ so wenig Disney im Disney Channel? Sind Mickey, Donald und Co. out?

Ralf Gerhardt: Natürlich nicht! Man findet davon ja auch gar nicht so wenig, allerdings haben wir auf Sie und Ihre Freunde gehört (lacht). Es gibt jetzt samstags im Anschluss an den Animationsfilm aktuell eine Doppelfolge "DuckTales". Das wird aber zu einem monatlichen Wunschprogramm umgewandelt, sodass diese ganzen Serien, die immer wieder an uns herangetragen werden, einen Platz beim Disney Channel bekommen. Über die Social-Media-Kanäle wird es Wahlmöglichkeiten geben, sodass es jeden Monat ein neues Wiedersehen mit den alten Disney-Kameraden geben wird. Darüber hinaus enden wir fast jeden Tag mit zwei, drei Classic Cartoons um kurz vor 1 Uhr, die im Übrigen hervorragend funktionieren. Das ist dann ein Wiedersehen mit noch älteren Disney-Cartoons.

Herr Gerhardt, Herr Wagner, herzlichen Dank für das Gespräch.