Wenn man Redaktionen zusammenlegt und Arbeitsabläufe verändert, dann bringt das in der Regel einigen Widerstand mit sich. Viele Kollegen, die Print und Online vereinen wollen, können ein Lied davon singen...

Auch für uns war das eine echte Herausforderung. Es ist ja ein echter kultureller Wandel, der hier vollzogen wird. Da muss man an die DNA des Journalisten rangehen – und trifft logischerweise auf sehr viele Widerstände. Das war stellenweise auch mal anstrengend, das gebe ich offen zu. Einem Agentur-Journalisten zu sagen, bei einem Spiel wie Bayern gegen Dortmund erst mal nur einen kurzen Text mit 2000 Zeichen für den Mobile-Bereich zu schreiben, ist nicht ganz einfach, weil der ja eigentlich ein ganz anderes Arbeiten gewohnt war. Das hat auch viel mit Angst vor Veränderung zu tun, die ganz natürlich ist. Aber wir alle müssen lernen, neu zu denken. Einige Kollegen, die früher nur geschrieben haben, sitzen jetzt beispielsweise bei uns im Studio und sprechen fünf Minuten lang über das Bundesliga-Wochenende. Das wäre früher undenkbar gewesen, ist heute aber ganz selbstverständlich.

Geht das nicht womöglich auf Kosten der Stärken eines Einzelnen?

Es ist die Kunst, die Stärken herauszufinden und die Kollegen dementsprechend einzusetzen – gerade angesichts unserer vielfältigen Aufstellung mit unseren TV-, Radio-, Online-, Mobile- und Social-Media-Plattformen. Wir machen ja nicht nur alles kurz, kurz, kurz, sondern setzen gerade am Abend gerne auf lange Multimedia-Storys. Wenn ein Kollege darin seine Stärken hat, wird er dort natürlich verstärkt eingesetzt.

Sie haben vorhin schon die verstärke mobile Nutzung getroffen, die derzeit alle Nachrichtenanbieter im Netz zu spüren bekommen. Was bedeutet das konkret für Sport1?

Die klassische Homepage wird in Zukunft im Vergleich zu Mobile an Bedeutung verlieren. Gerade im Sportbereich bekommen wir diesen Mobile-Shift sehr stark zu spüren. Am Wochenende kommen inzwischen 70 Prozent unserer User nicht mehr über den klassischen Desktop zu uns. Aus diesem Grund gilt bei uns künftig die Leitformel: Mobile First. Das hört sich gut an, muss man allerdings mit Leben füllen. So haben wir gerade am vergangenen Freitag unsere App für die Apple Watch gelauncht – mit deren Start. Generell wollen wir die unterschiedlichsten Formen von Content für die unterschiedlichsten Endgeräte und Nutzungssituationen produzieren, den Nutzern also das perfekte Video zur richtigen Tageszeit für das richtige Device zur Verfügung stellen. Das kann zur Folge haben, dass wir zu einem Thema vier bis fünf verschiedene Video-Varianten herstellen.

Viele Werbekunden zögern allerdings noch, wenn es um mobile Werbung geht.

Es gibt dieses Zögern manchmal, da haben Sie recht. Aber gerade deshalb ist es wichtig, den Schritt frühzeitig zu vollziehen. Wir dürfen nicht passiv sein. Über kurz oder lang werden die Werbespendings ganz sicher dorthin gehen, wo sich die große Masse der Nutzer befindet. Gerade im Mobilbereich, wo die Flächen kleiner sind, gilt es aber mehr denn je, kreative, neue Formen der Vermarktung zu finden. Und das geht nicht, wenn nur Technik und Verkauf an einem Tisch sitzen. Deswegen ist es unerlässlich, die Redaktion und das Produkt-Management dazu zu holen.

"Wir wollen neue Maßstäbe setzen."
Ivo Hrstic

Inwiefern kann Ihnen die Europa League bei Ihren Plänen helfen, die ab der kommenden Saison bei Sport1 beheimatet sein wird?

Die UEFA Europa League ist für uns eines der wichtigsten Themen in der konzeptionellen Phase. Es ist das übergeordnete Ziel, den Donnerstag wieder zum echten Fußballabend zu machen. Gefühlt fällt der Donnerstag bislang im Vergleich zur Champions League ab. Dabei ist die Europa League unglaublich attraktiv. Für uns wird der Spieltag in Zukunft nicht erst am Donnerstagmorgen beginnen, sondern schon zu Wochenbeginn. Wir werden die Europa League über alle Plattformen und Kanäle spielen und neue Maßstäbe setzen, was die multimediale Berichterstattung zu diesem Thema betrifft.

Beim letzten Mal haben wir vor allem über die sozialen Netzwerke gesprochen. Stoßen Twitter und Facebook allmählich an ihre Grenzen oder besteht dort noch die Chance auf großes Wachstum?

Noch stoßen wir nicht an Grenzen. Ohnehin bin davon überzeugt, dass wir die Marke Sport1 nicht zuletzt durch unsere Präsenz in den sozialen Plattformen ein Stück weit jünger gemacht haben, was sich auch aufs Fernsehprogramm auswirkt. Wir machen eben nicht nur am Wochenende zwei Stunden „Doppelpass“, sondern kümmern uns davor und danach so stark wie nie um die Pflege der Marke. Gerade probieren wir Periscope aus. Diese Entwicklung hin zu Livestreaming eröffnet völlig neue Dimensionen, vor allem für Fernsehsender.

Aber wirken solche Handyvideos nicht vergleichsweise unprofessionell, wo Sport1 nicht zuletzt als Fernsehsender wahrgenommen wird?

Die Social-Media-User erwarten gerade von uns hochwertige Videos. Die Videos dürfen nicht den Anschein erwecken, handwerklich nicht „state-of-the-art“ zu sein. Diese Periscope-Geschichten sehe ich aber als große Chance, um einen schnellen Eindruck zu vermitteln – beispielsweise vom ersten Training eines neuen Bundesliga-Trainers. Da ist es erst mal egal, wenn das mit einer Handykamera gefilmt ist. Man darf nur nicht den Fehler machen, dieses Material abends in „Bundesliga Aktuell“ zu verwenden. Da ist dann eine hochwertige Kamera unerlässlich. Oder nehmen Sie den „Doppelpass“. Wir könnten mit Periscope zum Beispiel all das zeigen, was in der Werbepause passiert. Für die Social-Media-User hätte das einen Mehrwert: Im Fernsehen läuft parallel Werbung, aber im Livestream könnten sie sehen, wie Jörg Wontorra oder Thomas Helmer die nächsten Themen vorbereiten oder mit dem Publikum schäkern.

Da müssen Sie nur Ihren Werbekunden irgendwie erklären, dass die Zuschauer trotzdem noch auf die Werbung achten.

Im Gegenteil: Die Zuschauer würden im Zweifel vielleicht was anderes machen, wenn sie die Werbung nicht sehen wollen – zum Beispiel umschalten. So könnten wir den Zuschauern auf dem Second Screen einen Anreiz bieten, in unserer Sport1-Welt zu bleiben während der gleichzeitig laufenden TV-Werbung. Und die Werbekunden könnten ihr Engagement auch auf diesen Plattformen verlängern, um ihre Marken noch aufmerksamkeitsstärker in Szene zu setzen.

Herr Hrstic, vielen Dank für das Gespräch.