Herr Dang, IP Deutschland hat schon vor längerer Zeit den Begriff "Fourscreen" geprägt, aber am Ende sind Sie doch nach wie vor ein TV-Vermarkter.

Ich hoffe nicht, dass das so ist. Viele sehen uns aus der TV-Historie heraus und auch mit Blick auf den Umsatz vielleicht als einen TV-Vermarkter. Aber wenn ich sehe, wie viel Zeit ich mit linearen TV-Themen verbringe und wie viel Zeit und Energie wir in neue Formen stecken, dann reden wir da von 50:50.

Aber noch zahlt ihnen das lineare Fernsehen einen großen Teil der Rechnung…

Ja, das stimmt, was die heutige Umsatzverteilung angeht. Aber wenn wir nach vorne blicken, wissen wir, dass sich der Markt für Video-Vermarktung verändern wird. Deswegen stellen wir uns neu auf. Wir sehen uns als Fourscreen-Vermarkter über alle Screens. Ein Bewegtbild-Vermarkter, wenn Sie so wollen. Auch wenn ich den Begriff „Bewegtbild“ ganz gruselig finde.

Inwiefern stellen Sie sich neu auf?

Grundlegend. Als wir im Frühjahr 2013 zum ersten Mal über eine mögliche neue Struktur nachgedacht haben, war unsere Fragestellung: Wie würde der Markt 2017 aussehen? Damals wurden Online und TV noch überwiegend getrennt geplant, am Ende will der Kunde aber nur Kontakte generieren, und ob ein Spot nun linear via Kabelnetz oder online ausgespielt wird, ist ihm egal. Als Konsequenz aus diesen Überlegungen haben wir im letzten Jahr in drei Arbeitsgruppen – zwei aus IP-Führungskräften und einer aus der Geschäftsleitung bestehend – Zielbilder für IP 2017 entworfen – mit einer eine über 80-prozentigen Übereinstimmung in den drei Gruppen. Also haben wir uns an die Detailplanung gemacht und stellen Mitte Juni ganz aktiv und radikal um: Wir fusionieren. Es gibt künftig bei IP Deutschland keine Trennung mehr in TV und Online.

Mit Verlaub: Ist das nicht der Zukunft ein wenig vorweg gegriffen?

Wir haben das Projekt intern unter das Motto gestellt „Building a New Tomorrow Today“. Wir wissen, dass wir damit ein Stück voraus sind. Doch man muss sehen, was sich um uns herum tut: Die Agenturen stellen gerade ebenfalls um, in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Wir werden eine Reichweiten-„Währungsunion“ bekommen, bei der auch YouTube mit an Bord ist. Worüber wir schon lange reden, wird nun passieren: Die Vermarktung ist nicht mehr trennscharf in TV und Online zu unterteilen. Wir wollen darauf nicht reagieren, sondern lieber agieren.

Eine Herausforderung. In der Theorie wollen viele schon lange Online und TV zusammenführen. In der Praxis reden wir aber ja über zwei völlig unterschiedliche Preisniveaus bei TV- bzw. Online-Werbung.

Wir haben nicht nur zwei unterschiedliche Preisniveaus, sondern sogar zwei völlig unterschiedliche Vermarktungsmodelle. Und die Onlinevermarktung ist ja auch noch wesentlich komplexer als die TV-Vermarktung. Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass es Standards gibt, und je nach Wunsch der Kunden individuell alle Möglichkeiten nutzen. Dafür stellen wir uns auf.

Dafür braucht es nicht nur neue Strukturen, sondern auch ein neues Denken. Wie lässt sich das umsetzen?

Schulungen beginnen nicht erst jetzt. Wir haben 2013 damit angefangen und in den letzten Jahren viele Begleitmaßnahmen eingeführt, zuletzt die Fourscreen School. Immer mit der Maßgabe, dass wir Mitarbeiter brauchen, die eine „Fourscreen-DNA“ haben. Der Verkauf ist ein People-Business - deswegen nehmen wir die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter auch sehr ernst.

Ist die Umstrukturierung mit Arbeitsplatzabbau verbunden?

Wir führen diese Umstrukturierung ohne jeden Druck durch. Weder extern noch intern wurde darauf gedrängt. Wir machen das in einem wirtschaftlichen Umfeld, in dem es uns wirklich gut geht. Ob linear oder non-linear: Bewegtbild boomt, wir haben gute Zahlen. Und wir haben keine Vorgaben, auch nur eine einzige Stelle abzubauen. Wir machen das wirklich nur, weil wir sehen, was ein bisschen schon heute, aber vor allem morgen auf uns zukommen wird.

Sie sprachen eben davon, dass die Agenturen das in unterschiedlichem Tempo ebenfalls tun.

Wir führen intern alle TV- und Online-Themen zusammen, es wird im Marketing beispielsweise nur eine Abteilung fürs Pricing geben, der Bereich Operations bündelt die TV- und Online-Disposition und – was in der Außenwahrnehmung sicher das auffallendste ist: Wir haben nur noch Portfolioverkäufer, die Bewegtbild ganzheitlich vermarkten. Weil wir sehen, dass die Agenturen alle unterschiedlich weit in den Veränderungsprozessen sind, bleiben wir flexibel. Kunden und Agenturen gegenüber setzen wir auf das „Perfect Match“-Modell. Wir sagen: IP verändert sich, aber wie wir dich im Detail betreuen und wie wir zusammenarbeiten, kannst du ein Stück weit selbst entscheiden. Ob noch klassisch oder schon „fourscreenig.“

Wieviel Umsatz wollen sie denn künftig abseits des linearen Fernsehens machen?

Heute macht Online im Vergleich zum TV einen oberen einstelligen Prozentsatz aus. Wenn man drei Jahre weiter sieht, dann sollten wir das verdoppelt haben.

Wie wird sich IP Deutschland den Agenturen und Kunden im Sommer präsentieren?

Wir setzen wie im vergangenen Jahr auf individuelle Präsentationen bei Kunden und Agenturen. Eine zentrale, große Veranstaltung planen wir nicht. Für 2016 hoffe ich, dass wir auf Gattungsebene noch ein größeres Event hinbekommen.

Letzte Frage. Worüber seufzen sie häufiger genervt: Über Google oder die Verlage?

Über die Verlage. Ach, diese Diskussionen mit den Kollegen sind oft so rückwärtsgewandt. (lacht)

Herr Dang, herzlichen Dank für das Gespräch.