Herr Weinek, sie kennen das deutsche Pay-TV nicht nur aus inzwischen gut zehn Jahren bei History/The Biography Channel/A&E. Wenn Sie den Markt heute mit etwa vor zehn Jahren vergleichen…

Weinek: …damals waren wir das Schmuddelkind der Medienbranche. Ich hatte den Eindruck, dass sich etliche Journalisten über Jahre darauf eingeschossen hatten, dass aus dem Pay-TV ja nie im Leben mal etwas werden würde. Sicherlich muss man da sagen: Premiere hat zu der Zeit damals auch Angriffsfläche für Kritik und diese Annahme geboten. Da wurde sehr viel ausprobiert, aber dabei leider mehr falsch als richtig gemacht. Das hat sich seit Sky völlig verändert. Da hat sich das Blatt gewendet. Das Pay-TV ist mit sehr viel Verspätung auch im deutschen Markt angekommen. Unser Segment ist inzwischen eine anerkannte Größe, wenn auch mit viel Luft nach oben.

Wann hat sich das Blatt gewendet? Es lag ja kaum allein an einem Rebranding?

Weinek: Nein, als das Pay-TV in Deutschland sich entschieden hat, mit eigenen Produktionen auch einen eigenen Beitrag zum deutschen Fernsehen zu leisten. Emanuel hat damals mit seiner 9/11-Dokumentation die Türen schon sehr weit aufgestoßen. Die „FAZ“ oder die „Süddeutsche“ hätten noch wenige Jahre zuvor never ever eine Produktion aus dem Pay-TV so groß aufgegriffen. Mit „Der elfte Tag – Die Überlebenden von München 1972“ haben wir dann noch einmal einen oben drauf gesetzt. Wenn man in Kritiken plötzlich liest, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen davon eine Scheibe abschneiden könnten, dann kann man da schon stolz drauf sein. Der leicht despektierliche Unterton in der Berichterstattung über das Pay-TV ist weg.

Sie mögen den Begriff Bezahlfernsehen oder Pay-TV jetzt eigentlich nicht. Aber welches Label würden Sie jetzt Ihren Sendern geben?

Weinek: Wenn man ein Label braucht, dann würde ich inhaltlich argumentieren und sagen: A&E und History sind zwei Spartensender für Dokumentationen und Factual Entertainment. Jeder hat ja in den vergangenen zwei, drei Jahren die Sparte entdeckt. Selbst die großen privaten Sendergruppen gehen in die Sparte. Mal kostenpflichtig, mal frei empfangbar. Da blickt man u.U. ja gar nicht mehr durch. Unterscheiden wir deshalb doch nicht mehr nach Empfangswegen, sondern nach Inhalten.

Machen Ihnen die Öffentlich-Rechtlichen eigentlich das Leben schwerer oder leichter?

Rotstein: Natürlich ist man bis zur ersten Pressemitteilung der Kollegen oder gar der Ausstrahlung ein bisschen nervös, wenn man weiß, sie widmen sich bei anstehenden Jahrestagen dem gleichen Thema. Gehen sie in die gleiche Richtung? Welche Experten haben sie zum jeweiligen Thema? Aber inzwischen haben wir oft genug festgestellt: Das ist bei ARD und ZDF meist business-as-usual. Das ist nicht despektierlich gemeint, aber bei den Öffentlich-Rechtlichen schöpft man nun einmal aus einem bestehenden Programmschatz, stützt sich weitgehend auf einen wiederkehrenden Expertenkreis. Das Ergebnis ist dann doch am Ende oft erwartbar. Bei uns ist die Herangehensweise meist ergebnisoffen und je nach Verlauf der Recherche und Produktion verändert sich die Gestalt unserer Dokumentation noch einmal. Das ist im formatierten und abgenickten Fernsehen der Öffentlich-Rechtlichen nicht so einfach möglich.

Weinek: Unser Anspruch war immer - und das haben wir nie unter den Tisch gekehrt -, dass wir mit unseren Sendern, auch mit History, in erster Linie unterhalten wollen. Ein langjähriger Wegbegleiter bei History war ja Guido Knopp, der diese Haltung auch beim ZDF implementiert hat und dafür stets angefeindet wurde von den Hütern der reinen Lehre. Wir bei History wollen ein breites Publikum erreichen. So breit, wie es möglich ist, ohne dass das solide Standbein der Credibility ins Schwanken gerät.

Die Quotenmessung im Pay-TV. Segen oder Fluch? Tut sich die Branche angesichts noch sehr überschaubarer Werbeeinnahmen einen Gefallen damit, künftig auch auf Quote zu optimieren?

Weinek: Es gibt ja noch einen dritten Aspekt, der zumindest ein Indikator für uns ist, auch wenn man über die Validität der derzeitigen Quotenmessung bekanntlich streiten kann. Wir können dank den Zahlen Erkenntnisse über Audience Flow und allgemeines Interesse an einzelnen Genres gewinnen. Wir schauen nicht auf konkrete Zahlen einzelner Sendeplätze, aber freuen uns, dass uns insgesamt bescheinigt wird, auf dem richtigen Weg zu sein. Wenn uns das hilft, Werbeerlöse zu erzielen, ist das gut für uns.

Aber die sind bislang sehr überschaubar?

Weinek: Joah, es ist für uns ein schönes Zubrot, aber kein Geschäftsmodell, welches uns tragen würde.

"Wir bieten Inhalte an und müssen dabei so gut aufgestellt sein, dass uns wirtschaftlich egal sein kann, auf welchem Wege konsumiert und der Erlös erzielt wird"

Andreas Weinek

Im vergangenen Jahr gab es das Rebranding von Bio (The Biography Channel) in A&E. Die Marke Ihres Mutterhauses ist jetzt allerdings nicht sehr aussagekräftig. Wie zufrieden sind Sie mit dem Rebranding?

Weinek: Es hat sich - wenn auch auf anderem Level als bei History - eine deutliche Wahrnehmungssteigerung ergeben. Wir lassen ja auch bei A&E die Quoten messen, die allerdings noch nicht veröffentlicht werden. Aber wir können schon erkennen: Wir haben auf das richtige Pferd gesetzt. A&E gehört beim deutschen Publikum sicherlich nicht zu den bekanntesten Marken, aber wir merken bei populären Sendungen wie „Duck Dynasty“: Der Erfolg kommt durch die Inhalte, nicht durch den Stempel auf der Verpackung. Wir laden also die Marke A&E inhaltlich auf, was für ihre nachhaltige Etablierung nicht verkehrt sein kann.

Rotstein: In Bezug auf Eigenproduktionen ist die Marke A&E für uns ein Spielplatz mit viel mehr Möglichkeiten als zuvor die thematisch begrenzte Marke The Biography Channel bzw. Bio. Gut funktioniert hat gleich zum Sendestart von A&E beispielsweise das Thema Paranormalität. In diesen Bereich fiel die eigenproduzierte Serie „Alexander Hartmann - Reality Hacker“, in der der Mentalist Alexander Hartmann mit verblüffenden Experimenten zeigt, wie Gedanken allein manipulieren können. An dieses Thema sind wir nicht so extrem und fantastisch herangegangen wie vielleicht unsere amerikanischen Kollegen. Wir wollten uns ihm nachvollziehbarer nähern.

Wenn wir über Subscription-Video-on-Demand reden, dann sind Angebote wie Netflix oder Amazon Prime Instant Video derzeit eher für Seriensender eine Konkurrenz. Sorgen Sie sich schon angesichts des On-Demand-Trends?

Weinek: Nein, wir sorgen uns um gar nix. Wir blicken dem sehr gespannt entgegen, weil SVoD ja für uns potentiell auch ein neues Erlösmodell sein kann. Vielleicht wird sich der Fernsehmarkt abseits der großen frei empfangbaren Kanäle in Richtung „on demand“ entwickeln, aber bis jetzt ist da keine massive Wanderung festzustellen. Mein 15-jähriger Sohn allerdings streamt fast ausschließlich. Ich wüsste nicht, wann der das letzte Mal länger linear ferngesehen hat. Was wir aber sicher nicht machen werden: unsere Inhalte jetzt umsonst ins Netz stellen, nur um irgendwo dabei zu sein. Da gilt es jetzt abzuwarten, in welche Richtung sich tragfähige Geschäftsmodelle entwickeln. Wir bieten Inhalte an und müssen dabei so gut aufgestellt sein, dass uns wirtschaftlich egal sein kann, auf welchem Wege konsumiert und der Erlös erzielt wird.

Herr Weinek, Herr Rotstein, herzlichen Dank für das Gespräch.